Keine Lebensmittel mehr aus dem Westen: Vergangene Woche hat Wladimir Putin entschieden, dass Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Milchprodukte aus allen EU-Staaten und Norwegen sowie aus Kanada, Australien und den USA für ein Jahr nicht mehr nach Russland importiert werden dürfen. Der russische Präsident reagiert damit auf die Wirtschaftssanktionen der EU. Um Moskau zum Einlenken in der Ukraine-Krise zu zwingen, hatte die EU Strafmaßnahmen bei Rüstungsgeschäften, Energie und Finanzen beschlossen.
Doch was bedeutet der russische Lebensmittel-Boykott für die Bevölkerung im Land? Eine 24-jährige Russin aus Sankt Petersburg erklärt ihre Sicht auf Putins Politik:
"Um es klar zu sagen: Das Lebensmittel-Embargo – so nennen wir es in Russland – ist eine Katastrophe für die russische Bevölkerung. Es wird uns sehr stark treffen. Was machen wir ohne norwegischen Lachs, französischen Käse oder amerikanisches Rindfleisch? Diese Produkte sind in russischen Geschäften, Restaurants und Supermärkten sehr beliebt. Ich bin total enttäuscht, denn ich esse diese Lebensmittel sehr gerne. Außerdem werden die Preise für Lebensmittel stark ansteigen, wenn die Alternativen aus dem Westen fehlen. Und wie sollen wir eigentlich all das frische Obst und Gemüse in Russland produzieren? Das Wetter ist schrecklich hier, von Oktober bis April ist es sehr kalt!
Putin bestraft die gesamte westliche Welt
Eigentlich haben wir Sankt Petersburger aber noch Glück, weil wir so nah an Finnland wohnen. Mit dem Auto dauert es nur rund zwei Stunden bis zur Grenze. Schon jetzt gehen viele von uns in Finnland einkaufen, wir lieben vor allem die finnischen Milchprodukte. Die Zollbeamten kontrollieren keinen auf ihre Supermarkt-Einkäufe, also werden künftig wohl einige Leute große Mengen über die Grenze bringen. Aber dieses Privileg haben Moskauer nicht, ganz zu schweigen von unseren Landsleuten in Sibirien.
Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland
Die EU erschwert den Zugang zu den EU-Finanzmärkten für russische Banken. Gilt für alle Banken mit einem staatlichen Anteil von mindestens 50 Prozent. Sie können auf den EU-Kapitalmärkten keine neuen Wertpapiere oder Aktien von russischen Unternehmen mehr verkaufen.
In den USA fallen drei weitere Banken im russischen Staatsbesitz unter die Strafmaßnahmen, damit sind es nun fünf von sechs: Die Bank von Moskau, die Russische Landwirtschaftsbank und die VTB Bank kamen hinzu. Ihnen wird der Zugang zu mittel- und langfristiger Dollarfinanzierung für Russland erschwert. Sie dürfen aber weiter in den USA operieren.
Die EU verbietet künftige Rüstungslieferungen. Betroffen sind alle Güter, die auf einer entsprechenden Liste der EU stehen. Gilt nicht für bereits unterzeichnete Verträge, also auch nicht für die Lieferung von zwei französischen Hubschrauberträgern im Wert von 1,2 Milliarden Euro an Russland.
In den USA wurde die United Shipbuilding Corporation (größtes russisches Schiffsbau-Unternehmen) zu den bislang acht auf der Sanktionsliste stehenden Firmen im Verteidigungssektor ergänzt. Die Unternehmen dürfen nicht mehr das US-Finanzsystem nutzen oder mit amerikanischen Bürgern Geschäfte machen.
Die EU verbietet den Export von bestimmten Hochtechnologiegütern an das Militär. Gilt beispielsweise für Verschlüsselungssysteme sowie für Hochleistungscomputer.
Die EU untersagt die Ausfuhr für Spezialtechnik zur Ölförderung. Zielt auf Geräte, die für Ölbohrung und -förderung beispielsweise in der Arktis gebraucht werden.
Auch in den USA gelten für Unternehmen aus der Ölbranche eingeschränkte Importmöglichkeiten für Technik zur Erschließung von Ölquellen in tiefen Gewässern, vor der arktischen Küste oder in Schiefergestein. Die aktuelle Energieproduktion werde damit aber nicht beeinträchtigt.
Positiv an Putins Entscheidung ist aber: Russland bestraft mit dem Embargo die gesamte westliche Welt, weil wir mit mehr als 140 Millionen Einwohnern ein riesiger Markt sind, der plötzlich wegbricht. Es ist eine gute Möglichkeit für uns, Stärke zu zeigen. Schließlich haben Europa und die USA uns provoziert und damit angefangen, uns Strafen aufzuerlegen. Jetzt reagieren wir und demonstrieren, wie wir unsere europäischen Partner manipulieren können. Bevor wir wieder westliche Lebensmittel zulassen, soll Europa erst einmal die Konsequenzen spüren. Es muss wirtschaftlich wehtun. Nur so spürt der Westen die Folgen der von ihm begonnenen Sanktionen.
Die Krise stärkt unsere Beziehung zu China
Übrigens glaube ich nicht, dass wir durch Putins Entscheidung zu einem Außenseiter in der Weltwirtschaft werden. So einfach kann man das größte Land der Welt nicht isolieren. Der Westen und wir sind doch voneinander abhängig. Nicht zuletzt, weil Russland so viel Öl und Gas nach Europa exportiert. Klar, dass Europa jetzt über Alternativen zu russischen Rohstoffen nachdenkt – aber das tun wir jetzt auch bei Lebensmitteln. Nicht umsonst war unser Präsident in der jüngeren Vergangenheit häufiger in Südamerika. Außerdem glaube ich, dass die derzeitige Krise mit dem Westen unsere Beziehung zu China stärken wird.