Russische Parlamentswahl Putin feiert Sieg – trotz geringer Wahlbeteiligung

Die Generalprobe für die Präsidentenwahl ist aus Sicht der russischen Staatsmacht geglückt. Bei der Parlamentswahl drängt die Kremlpartei die Opposition in die Ecke. Die niedrige Wahlbeteiligung trägt auch dazu bei.

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Die Generalprobe für die Präsidentenwahl bewertet der Kreml-Chef als Erfolg – trotz verhältnismäßig niedriger Wahlbeteiligung. Quelle: dpa

Moskau Die Parlamentsmehrheit fällt fast so hoch aus wie zu Sowjetzeiten – also kostet der Kreml den Wahlsieg der Regierungspartei Geeintes Russland voll aus. Präsident Wladimir Putin habe ein „beeindruckendes Vertrauensvotum“ erhalten, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Es sei offensichtlich, dass das Volk Putins Kurs unterstütze.

Putin kann angesichts der klaren Mehrheit künftig Gesetze noch leichter als bisher durch das Parlament bringen. Geeintes Russland stellt in der neuen Duma rund 340 der 450 Mandate und profitiert dabei massiv von einem geänderten Wahlrecht.

Dringend nötige Reformen sind aber nicht zu erwarten. Die von Putin mehrfach angekündigte Modernisierung Russlands und die Verjüngung des Machtapparats dürften weiter auf sich warten lassen. Trotz der Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage sei keine Veränderung der politischen Konstellation in Sicht, meint der Politologe Dmitri Badowski.

Den Einzug ins Parlament schafften auch wieder die Kommunisten sowie die Liberaldemokraten und die Partei Gerechtes Russland: alles kremltreue Kräfte. „Statt einer neuen Einrichtung wurden – ironisch ausgedrückt – nur die Möbel umgestellt“, sagt der Publizist Alexander Baunow vom Carnegie Centre.

Auch andere Kommentatoren betonen, dass sich die meisten Russen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für ein „Weiter so“ entschieden hätten – falls sie überhaupt wählen gingen. Beobachter zeigen sich besorgt über die geringe Beteiligung von 48 Prozent. Der Rundfunksender Echo Moskwy spricht von einer „Wahl ohne Wähler“. Noch mehr Russen als früher hätten vermutlich den Eindruck, mit ihrer Stimme sowieso nichts beeinflussen zu können.

Putin sei es bei dieser Generalprobe für die Präsidentenwahl vorrangig um den Machterhalt gegangen, meint der kremlnahe Politologe Sergej Markow. Angesichts des starken Drucks des Westens im Ukrainekonflikt hatte Geeintes Russland mit „Ruhe und Stabilität“ geworben. Der Wahlsieg sei auch eine Reaktion der Russen auf Versuche des Auslands, die Lage im Land zu destabilisieren, betont Putin.

Die liberale Opposition muss hingegen eine Niederlage einstecken. Zwei Jahre vor der Präsidentenwahl sehen die Regierungsgegner kein Land. Nur an wenigen Orten wie etwa in Moskau konnte die Opposition kleine Achtungserfolge vorweisen. Die Kremlkritiker räumen ein, dass sie die fast mit Händen greifbare Unzufriedenheit vieler Russen nicht in Stimmen ummünzen konnten.

Kapitulieren wollen die Kremlgegner aber nicht. „Das Land ist politisch isoliert und wirtschaftlich in einer Sackgasse“, meint Grigori Jawlinski von der liberalen Jabloko-Partei. Nach der herben Schlappe müsse die Opposition über eine Strategie für die Präsidentenwahl 2018 nachdenken. Doch einen allseits respektierten Herausforderer Putins gibt es derzeit nicht.

Jabloko und andere Oppositionsparteien hatten immer wieder Druck von Behörden sowie Gewalt von Provokateuren und am Sonntag auch das massenhafte Stopfen von Wahlzetteln in die Urnen beklagt. Kritik kommt auch von OSZE-Wahlbeobachtern. Die neue Wahlleiterin Ella Pamfilowa räumt Unregelmäßigkeiten ein. In einigen Regionen habe es Probleme gegeben, sagt die allseits geachtete Menschenrechtlerin. Insgesamt sei der Urnengang aber „ziemlich rechtmäßig“ abgelaufen.

Russlands Machttandem Putin und Dmitri Medwedew hatte den Erfolg bereits unmittelbar nach Schließung der Wahllokale gefeiert. Zur besten Sendezeit lobte Putin den Sieg von Geeintes Russland im Staatsfernsehen als Zeichen „wachsender politischer Reife“ der Wähler. Demonstrativ war er zusammen mit Partei- und Regierungschef Medwedew im Parteisitz in Moskau erschienen. Der nicht unumstrittene Medwedew wirkte dabei sichtbar erleichtert, dass die Partei ihre Dominanz ausbauen konnte – der landesweiten Krisenstimmung zum Trotz.

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