Russland Gazprom ist Wladimir Putins Waffe

Politische Maßnahmen gegen den russischen Energiemonopolisten Gazprom wirken wie ein Patentrezept gegen Putins gefährlichen Ukraine-Kurs. Aber Gazprom sitzt nicht selten am längeren Hebel.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Gazprom-Zentrale Quelle: REUTERS

Gegen das Szenario der Furcht haben die Russen eigentlich gar nichts: Im großen Steuerungssaal der Gazprom-Zentrale in Moskau werden auf minutenweise wechselnden Leucht-Schaubildern die Umrisse des Schwarzen Meers, Mitteleuropas, Italiens und Deutschlands gezeigt, mit genauen Einzeichnungen der Städte Köln, Hamburg und München und vieler anderer Metropolen. Davor sitzen Ingenieure, die den Fluss des Erdgases aus den Tiefen Russlands nach Mittel- und Westeuropa durch leuchtende Pipelines vor ihnen steuern.

Das Schaubild wirft, für jeden Besucher auf der Galerie sichtbar, ein dichtes Netz an die Wand, das die Energieversorgung Europas aus Richtung Russland demonstrieren soll. Das Ganze wirkt wie eine militärische Logistik-Zentrale und soll ein wenig Eindruck auf den Besucher machen. Ein bisschen Furcht vor Wirtschaftsmacht schadet ja nicht, scheint die Devise von Gazprom zu sein.

Was hier gesteuert wird, ist zunächst einmal höchst zivil. Erdgas fließt auch in deutsche, zum Teil von Gazprom betriebene Erdgasspeicher gegen gutes Geld, das dann basierend auf langlaufenden Rahmenverträgen mit westlichen Energiekonzernen wie E.On, Enel oder Gaz de France, in Richtung Moskau zurückfließt. Dass die russischen Manager ihre Bodenschätze gern auch als Druckmittel einsetzen, ist seit langem bekannt. Sie reagieren besonders dann empfindlich, wenn ein Land oder ein Konzern meint, er könne „Abnahme-Macht“ spielen und den Moskauern den Preis diktieren. Oder gar die Zahlungen „für eine Weile“ einstellen.

Erdgas als politisches Mittel

Dann wird es kalt in Osteuropa, so zum Beispiel in Bulgarien oder in Serbien, als es im Winter plötzlich recht ungemütlich und dunkel wurde. Gazprom hatte die Lieferungen eingestellt, weil Rechnungen nicht mehr bezahlt wurden. Auch die Ukraine wurde einst von russischen Sanktionen getroffen. Die Ukrainer verweigerten nicht nur die Zahlungen, sondern betonten die politische Unabhängigkeit. Daraufhin zeigte die Gazprom-Führung, im russischen Jargon auch „Gazowikis“ genannt, die eng mit Putin verbandelt sind, dass sie Erdgas auch als politisches Mittel einsetzen wollen.  

Auch westliche Energiekonzerne haben nichts zu lachen, wenn sie den Preis für Erdgas nachverhandeln wollen, weil Flüssiggas sehr viel billiger geworden ist und beispielsweise in Deutschland die hausgemachte Energiewende rote Zahlen in den Bilanzen der Versorger beschert. Bei solchen Forderungen nach Preisnachlässen, häufig durch die Verträge gedeckt, zieht Gazprom vor weltweite Schiedsgerichte, die langwierig verhandeln und den westlichen Energiekonzernen nicht immer im vollen Umfang recht geben.

Nun droht Putin mit Preiserhöhungen gegenüber den westlichen Energiekonzernen. Diese wiederum bereiten intern jetzt schon Strategien vor, auf ihre Rahmenverträge mit Gazprom zu pochen. Doch diese enthalten auch Gleitklauseln über mögliche Preiserhöhungen. Deswegen suchen die Versorger jetzt schon einen Weg, ihren Kunden klar zu machen, dass solche eventuellen Preiserhöhungen an die Endverbraucher weitergegeben werden. An wen sonst? Die Versorger selbst werden Preiserhöhungen also nur als durchlaufenden Posten treffen. Schlimm genug, so die Devise.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%