Russland Im Sumpf der Korruption

Hat der russische Wirtschaftsminister Uljukajew tatsächlich zwei Millionen Dollar Bestechungsgeld bekommen? Oder ist er Opfer einer Kreml-Intrige rund um Präsident Putin? Der Kreis der Unantastbaren wird immer kleiner.

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Offiziellen Angaben nach wurde der russische Wirtschaftsminister Uljukajew am Montag auf frischer Tat ertappt und bei der Entgegennahme von zwei Millionen Dollar Bestechungsgeld festgenommen.

Moskau Hat Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew – mal wieder – die Lage falsch eingeschätzt? Oder wurde der 60-Jährige Opfer einer größeren Intrige im inneren Machtzirkel des Kremls? Die Korruptionsaffäre um den Minister wirft viele Fragen auf. Offiziellen Angaben nach wurde Uljukajew am Montag auf frischer Tat ertappt und bei der Entgegennahme von zwei Millionen Dollar Bestechungsgeld festgenommen.

Die Summe soll er von einem Vertreter des staatlichen Ölkonzerns Rosneft eingefordert haben. Als Gegenleistung soll er dafür ein positives Gutachten bei der Übernahme des Konkurrenten Baschneft geliefert haben. Angeblich habe er Rosneft damit gedroht, seinen Ministerposten dafür zu nutzen, um dem Konzern bei seinen Geschäften künftig Schwierigkeiten zu machen, sollte das Geld nicht fließen. Bei einer Verurteilung drohen Uljukajew bis zu 15 Jahren Haft.

Die „Privatisierung“ des Ölkonzerns Baschneft ist ohnehin das Kuriosum des Jahres: Eigentlich war der sechstgrößte Ölkonzern Russlands nämlich schon in privaten Händen, ehe die russische Führung den Eigentümer Wladimir Jewtuschenkow wegen Geldwäscheverdachts unter Hausarrest stellte und ihn erst wieder freiließ, als der Verkauf rückgängig gemacht war. Monatelang wurde dann darüber gestritten, wer bei der zweiten wegen der angeschlagenen Staatsfinanzen nötigen Privatisierung zum Zug kommen solle. Am Ende machte der Staatskonzern Rosneft um Igor Setschin das Rennen, obwohl die Regierung selbst lange Zeit dagegen war.

Uljukajew selbst äußerte sich noch im Sommer negativ: „Aus meiner Sicht ist Rosneft nicht der richtige Käufer für solch ein Aktiv“, nur um im Herbst dann die Synergieeffekte einer solchen Fusion positiv hervorzuheben. Es ist nicht auszuschließen, dass der Sinneswandel erfolgte, weil er die Aussicht auf einen persönlichen Bonus hatte. Allerdings „sind zwei Millionen Dollar für einen Beamten auf Ministerebene eine ziemlich unbedeutende Summe, eine Korruptionsspur zu verfolgen lohnt sich also nicht“, urteilt das Branchenportal der Öl- und Gasbranche Neftegas.ru.

Der Fall wirft natürlich auch ein schlechtes Licht auf Rosneft-Chef Setschin, obwohl das Ermittlungskomitee den Konzern als Opfer eines Erpressungsversuchs bezeichnete. Logisch ist das nicht: Uljukajew hatte zwar zuletzt mehrfach in seinen zu optimistischen Wirtschaftsprognosen falsch gelegen, aber einen der engsten Vertrauten Putins erpressen zu können, dürfte selbst ihm zu optimistisch erschienen sein.


„Man muss verrückt sein“

Das meint zumindest der Chef des russischen Unternehmer- und Industriellenverbands Alexander Schochin. „Man muss verrückt sein, um einen Monat, nachdem das Geschäft formal juristisch und politisch abgesegnet wurde, Rosneft zu drohen und zwei Millionen von Igor Iwanowitsch Setschin, faktisch einem der mächtigsten Männer unseres Lands zu erpressen“, sagte er.

Gut möglich also, dass Uljukajew in einen größeren Machtkampf geraten ist, der zwischen den Schwergewichten in der russischen Politik um die knapper werdenden Ressourcen tobt. Der Politologe Alexander Morosow sprach jüngst von einem „Viereck“ unterhalb des Kremlchefs Wladimir Putin: Premier Dmitri Medwedew, Manager Igor Iwanowitsch Setschin, Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Chef der Industrie- und Rüstungsholding Sergej Tschemesow, die versuchten, ihre Einflusssphären auszubauen.

Uljukajew gehörte dem so genannten liberalen Flügel unter Medwedew an. Für die Regierung ist die Affäre ein schwerer Schlag, immerhin ist Uljukajew der ranghöchste in Russland je wegen Korruption verhaftete Politiker. Die Absetzung Medwedews hält der Wirtschaftsexperte Wladimir Milow für „unwahrscheinlich“, er dürfte aber geschwächt aus dem Skandal um seinen Minister hervorgehen.

Die Affäre zeigt zudem, dass der Kreis der Unantastbaren in Moskau immer kleiner wird. Früher galt schon ein Gouverneursposten als ausreichende Sicherheit gegen irgendwelche Untersuchungen. Inzwischen sitzen gleich drei Gouverneure wegen Korruptionsverdacht in U-Haft. Und auch die oft miteinander rivalisierenden Sicherheitsorgane liefern sich einen knüppelharten Machtkampf, durch den zuletzt mehrere Schutzgeldaffären publik wurden. Zunächst wurden mehrere ranghohe Generäle des Ermittlungskomitees wegen ihrer Verbindungen zu einem Mafiaboss verhaftet. Später erwischte es sogar den ranghöchsten Korruptionsjäger im Innenministerium Dmitri Sachartschenko. Bei ihm fanden die Ermittler mehr als 120 Millionen Dollar in bar – eine selbst für das korruptionsgeplagte Russland unerhörte Summe.

Die vielen publik gewordenen Korruptionsfälle zeugen von einer Spaltung der politischen Elite während der Krise in Russland. Zumindest in den nächsten Monaten dürfte Moskau daher noch von einigen Schmiergeldskandalen erschüttert werden.

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