Russland in der Krise Putins teure Eskapaden

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Die Modernisierungspartnerschaft war ein Missverständnis

Letztlich schadet sich Russland mit der Abschottung aber selbst. Deutsche Unternehmen können gut und gerne auch nach China oder Indien liefern. Außer Öl und Gas hat Putins Reich dem Weltmarkt nicht viel zu bieten. Afrika braucht vielleicht noch Kalaschnikow-Schießeisen, die Kasachen kaufen ein paar spritintensive Traktoren, Indien ein U-Boot, aber nur mit Preisnachlass. Doch die meisten Güter lassen sich nur am Binnenmarkt oder in Ländern der ehemaligen Sowjetunion verkaufen.

Kein Wandel durch Handel

Moskau war da schon mal viel weiter – und Deutschlands Wirtschaft könnte bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Das wurde nie so deutlich wie im Sommer 2010, als das halbe Bundeskabinett in drei Regierungsmaschinen zu einem Gipfel nach Jekaterinburg an das Uralgebirge flog. Es war die Zeit, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew liebevoll duzte und die Hälfte der Chefs von Dax-Unternehmen von derlei Treffen mit Milliardenverträgen heimkehrten.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Die Modernisierungspartnerschaft, an die die Deutschen damals unisono glaubten, war in Wahrheit von Anfang an ein Missverständnis: Die deutsche Politik wollte den heimischen Unternehmen Aufträge beschaffen – und hoffte zugleich, dass sich Russland durch den Handel hin zur Demokratie entwickeln würde. Man hat in der deutschen Politik nie verstanden, dass in Russland die Demokratisierung nicht der Wegweiser ist, dem man wie selbstverständlich folgt. Die Russen indes wollten einfach deutsche Technologien haben.

Wladimir Putin, der den vermeintlich liberalen Medwedew später als Platz-Warmhalter demaskierte, hat sich von außen niemals in die Politik reinfunken lassen. Als er im Mai 2012 in den Kreml zurückkehrte, zog er autoritär die Zügel an – auch wenn die Wirtschaft krampfhaft an der Worthülse der „Modernisierungspartnerschaft“ festhielt. Jetzt sieht es aus, als könne die deutsche Wirtschaft alle Hoffnungen auf gute Geschäfte auch für die Zukunft begraben: Weder will sich Russland im großen Stil modernisieren – noch lüde Putin die Europäer ein, sich daran zu beteiligen.

Russland will jetzt wieder anders sein als der Westen. So lässt sich die gedrungene Schaffung der Eurasischen Wirtschaftsunion verstehen, die strukturell der EU nacheifert, wirtschaftlich aber kaum stärker ist als etwa Brasilien. So lässt sich auch Putins taktischer Schwenk nach China verstehen, wo der Ölriese Rosneft im vergangenen Jahr lukrative Öllieferverträge abschloss und Gazprom im Mai einen weniger vorteilhaften Gas-Deal eintütete. Die raffinierten Chinesen, bekannt als knallharte Verhandler, sind den Russen indes auch nicht ganz geheuer. Bislang fehlen die technologischen Leuchtturmprojekte von Chinesen in Russland jedenfalls.

Akut stellt sich die Frage, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann. Kenner der Putin’schen Machtlogik wie Ilja Ponomarjow bezweifeln, dass Druck von außen Putin zur Deeskalation in der Ostukraine bewegen wird. Putin rudert nie zurück, sagt der Abgeordnete, der in der Duma als Einziger gegen die Krim-Annexion gestimmt hat. Nachgeben gelte für ihn als Zeichen der Schwäche, und Schwächlinge wählen die Russen nicht. Das „System Putin“ ist stabil, weil eine Mehrheit im Land hinter dem Mann und seinen Aggressionen steht, weil das Land im Wir-sind-wieder-wer-Gefühl schwelgt. Um die Krise in der Ukraine zu beenden, kommt für Putin nur eine Lösung infrage, die ihn in Russland als Sieger aussehen lässt. Eine ernsthafte Idee, wie das funktionieren könnte, hat im Westen allerdings noch keiner gefunden.

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