Russland kürzt bei der Bildung Putin – Panzer statt Professoren

Russlands muss sparen, denn es fehlen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Kremlchef Putin will aber nicht bei den Streitkräften kürzen. Statt dessen muss der Bildungssektor dran glauben. Den Nachwuchs trifft es hart.

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Russland kürzt bei der Bildung, nicht aber bei den Militärausgaben.

Moskau Die Krise in Russland macht vor Bildung und Wissenschaft nicht Halt: Um Geld zu sparen, sollen laut einem Zeitungsbericht bis 2019 8.300 Wissenschaftlerstellen an Universitäten, der Akademie der Wissenschaften und dem Kurtschatow-Institut gestrichen werden. Das Ministerium dementierte die Pläne.

Hintergrund ist die nötige Haushaltsdisziplin aufgrund der gefallenen Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor. In der vergangenen Woche wurde auf einer Regierungssitzung beschlossen, den Ausgabenpart in den Jahren 2017 bis 2019 stabil bei 15,78 Billionen Rubel (umgerechnet gut 200 Milliarden Euro) zu halten.

Für Bildung und Wissenschaft bedeutet die Entscheidung über das Einfrieren höherer Haushaltsausgaben reale Kürzungen: Der Einschnitt bei den Bildungsausgaben ist mit mehr als 20 Prozent deutlich. Damit sinkt der Anteil der Bildungsausgaben am Gesamthaushalt von 2,75 Prozent (2015) auf 2,45 Prozent (2019). Auch den Wissenschaftssektor trifft es hart: Statt 0,98 Prozent werden 2019 nur noch 0,87 Prozent für Forschung und neue Technologien aus dem Etat verwendet. Zum Vergleich: Für den Unterhalt der Streitkräfte gibt Russland knapp 20 Prozent seines Budgets aus.

Die Kürzungen haben einem Bericht der Internetzeitung gazeta.ru nach deutliche Konsequenzen für Studenten und Wissenschaftler. Unter Berufung auf Dokumente aus dem Bildungsministerium sollen 40 Prozent der durch den Haushalt gestützten Studienplätze wegfallen und 8.300 Wissenschaftler entlassen werden.

Allein im Kurtschatow-Institut müssen demnach schon 2017 1.500 Mitarbeiter gehen. Das nach dem Atomforscher Igor Kurtschatow benannte Institut gilt nicht nur als ein Leuchtturm der russischen Wissenschaft, sondern ist auch direkt der Regierung unterstellt und wies aufgrund seiner zahlreichen Verknüpfungen mit dem Rüstungssektor in den vergangenen Jahren eine recht solide Finanzierung auf.


Unwillen über die Kürzungen

Auch die Russische Akademie der Wissenschaften (RAdW) wäre demnach vom Stellenabbau betroffen. Das einst größte Zentrum für Grundlagenforschung wurde schon 2013 von Bildungsminister Dmitri Liwanow, der sie als „archaisch und ineffizient“ kritisierte, mit einer Reform an die Kandare genommen. Die „Reform“ stieß bei den Wissenschaftlern zwar auf heftigen Widerstand, trotzdem wurde die Akademie inzwischen zumindest finanziell der „Föderalen Agentur für Wissenschaftsorganisationen“ untergeordnet.

RAdW-Präsident Wladimir Fortow kommentierte das Bekanntwerden neuer Einschnitte daher mit Bitterkeit. Er wisse zwar nicht, wo die konkrete Zahl von Entlassungen herkomme, weil er bei der entscheidenden Sitzung nicht dabei gewesen sei. „Von den Zahlen her, die ich kenne, beläuft sich die Kürzung auf zehn bis 15 Prozent der Stellen“, räumte er aber ein.

In der Kremlpartei „Einiges Russland“ wurde die Veröffentlichung der Kürzungspläne kurz vor den Wahlen mit Unwillen aufgenommen: Parteisekretär Sergej Newerow kündigte ein „hartes Gespräch“ mit Liwanow an. Seine Fraktion werde alles unternehmen, um solche Schritte zu vermeiden.

Kurz darauf ging das Bildungsministerium dann in die Gegenoffensive: „Das Ministerium plant nicht, Stellen der Wissenschaftler zu kürzen“, teilte eine Sprecherin mit. Die Behörde sehe es als seine Hauptaufgabe an, mehr Budgetgelder für Wissenschaft und Bildung herauszuholen. So seien die Gehälter der Wissenschaftler in den vergangenen drei Jahren um ein Drittel gestiegen, betonte sie.

Die steigenden Gehälter für Forscher ist eine Forderung des Kremlchefs Wladimir Putins, die angesichts der eher schmalen Einkommen für Wissenschaftler durchaus berechtigt ist. Sie ist jedoch unter der Bedingung eher sinkender statt steigender Finanzierung für den Sektor gleichbedeutend mit der Notwendigkeit, Personal zu entlassen.

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