Russland Wie Wladimir Putin sein Land herunterwirtschaftet

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Nur auf Öl-Export zu setzen wird bald nicht mehr reichen

Obwohl die Ölförderung in den weithin ausgebeuteten Feldern aus den Siebzigerjahren weiter hochgefahren wird und der Barrelpreis stabil um die 110 Dollar liegt, trägt der Rohstoffreichtum nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Im Gegenteil. Der Reichtum an Rohöl hemmt die Entwicklung von Wertschöpfungstiefe, die Russland schon wegen der Beschäftigungseffekte dringend nötig hat. Die Gas- und vor allem Ölexporte nach Europa sind für den russischen Fiskus so lukrativ, dass die Rohstoffe kaum verarbeitet werden.

G7 erhöhen Druck auf Russland

Mangels Raffineriekapazität muss das Land daher Benzin und Diesel importieren. Sogar Plastik-Mülltonnen führt Russland aus Deutschland ein, weil es an petrochemischen Betrieben fehlt. „Sie haben aus der Rohstoffwirtschaft herausgeholt was möglich war, aber nun müssen neue Wachstumsquellen her“, sagt Christopher Hartwell, Konjunkturforscher an der Skolkovo School of Management. Dazu sei es nötig, das „grauenvolle Investitionsklima“ zu verbessern.

Hier war Russland schon mal weiter. Als Dmitri Medwedew 2008 Präsident wurde, ließ er Beamte in Bussen in eine Kleinstadt kutschieren, wo er mittelständische Betriebe besuchte und sich von Erfahrungen mit Behörden berichten ließ. Danach stauchte er die Beamtenschar vor laufenden Kameras zusammen, nannte sie einen „Albtraum für Unternehmer“. Medwedew, heute macht- und wirkungsloser Regierungschef unter Putin, wollte den Aufbau eines innovativen Mittelstands fördern und das Land aus der Ölabhängigkeit befreien.

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Aus der Zeit des Aufbruchs ist nur ein futuristisches Gebäude übrig geblieben. Es besteht aus einem Plateau mit vier Hochhausquadern und schaut aus wie ein Raumschiff, das keine Landegenehmigung für Moskau erhalten hat: Die Skolkovo School of Management liegt in einem Dorf am westlichen Stadtrand, wurde von Russlands liberaler Wirtschaftselite finanziert und 2010 eröffnet. Die Eliteschule ist eine Oase von Innovation und Internationalität, Symbol eines modernen Russlands, von dem die neue Generation träumt.

Im hellen Foyer begrüßt Maxim Karpow seine Besucher. Der Jurist kümmert sich um Start-ups, ein angeschlossenes Gründerzentrum hilft bei der Registrierung von Patenten und der Arbeit am Businessplan. „Innovationen scheitern in Russland nicht an den Leuten. Kluge Kreative haben wir reichlich“, sagt Karpow. Es hapere an der Kommerzialisierung von Ideen und am Investitionsklima. „Bei uns haben zu viele postsowjetische Entscheider keynesianischer Prägung das Kommando, die wollen die Wirtschaft steuern und kontrollieren“, so Karpow. „Echte Veränderungen, ein Klima für Innovationen, müssen sich in Russland von unten entwickeln.“

Das kann allerdings dauern. Sogar Absolventen von Wirtschaftsuniversitäten arbeiten derzeit lieber für Gazprom, als sich selbstständig zu machen. Viele hoch qualifizierte Russen verlassen ihr Land gleich ganz. Zurück bleiben die Alten und gering Produktiven, die dem Staat zumal in Krisenzeiten auf der Tasche liegen.

Wie lange kann Putin seinen Kurs noch durchhalten? Der Ökonom Jewgeni Gontmacher, der damals an Medwedews Modernisierungspolitik mittüftelte, sieht Russland mit seinen hohen Währungsreserven für eine längere Stagflation gewappnet. „Die Teuerung dürfte zwar zu sozialen Spannungen gerade unter Rentnern und Staatsbediensteten führen“, so Gontmacher. Aber der Mix aus Propaganda und Patriotismus werde vorerst helfen, dass soziale Unzufriedenheit nicht in politische Proteste umschlägt – selbst wenn die Preise fürs Brot schneller steigen als die Renten.

Im Falle sinkender Ölpreise aber wird sich die ökonomische Schieflage nicht mehr kaschieren lassen. Fehlen die Petro-dollars, wird es eng für Russland – und am Ende auch für Putin selbst.

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