Russland Putin will EU in eigene Zollunion locken

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Putin strotzt vor Selbstbewusstsein

Realistisch ist das indes nicht. Zwar fabulieren auch deutsche Wirtschaftslenker gern von einem „gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Lissabon und Wladiwostok“, wozu auch die mit Kasachstan, Weißrussland, Armenien und Kirgistan geschlossene Kreml-Union zählen würde. Nach europäischem Verständnis ist Freihandel allerdings weit mehr als Zollfreiheit, es geht um gemeinsame Standards, um Rechtssicherheit, den Schutz des geistigen Eigentums. Die Europäer ringen schon mit den Amerikanern um die Details – mit den Standards der aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten „Eurasiens“ wäre die Kompatibilität der Wirtschaftsräume erst Recht nicht gegeben.

Putin strotzt vor Selbstbewusstsein: Dass ausgerechnet er die Hand ausstreckt in Richtung Europa, wo Italien allein schon wirtschaftlich in etwa so stark ist wie Russland, wirkt geradezu provokant. Doch tatsächlich hat sich die russische Wirtschaft stabilisiert: Dank eines harten Sparkurses und trotz der Sanktionen ist der Abwärtstrend vorerst gestoppt, im dritten Quartal könnte es wieder ein kleines Wachstum geben – zumal ja der Ölpreis wieder steigt.

Entsprechend gab es auf dem Wirtschaftsforum auch wieder Positives zu vermelden: Der westfälische Mähdrescherhersteller Claas hat es geschafft, als „russisches Unternehmen“ anerkannt zu werden und so indirekt von Staatshilfen zu profitieren. Die erhält nämlich jeder Betrieb, der eine Erntemaschine aus russischer Produktion anschafft. Dass davon auch ausländische Investoren profitieren, die wie Claas eine Vollfertigung im Land errichtet haben, ist für diese Branche neu.

Eigentlich hätte auch Mercedes-Benz in Sankt Petersburg gern etwas verkündet: Der Konzern will Zeitungsberichten zufolge ein Geländewagen-Werk errichten – russischen Medien zufolge soll es nordwestlich von Moskau stehen.

Vom Baubeginn ist scheinen die Schwaben aber noch einige Meter entfernt: Gegenüber der WirtschaftsWoche erklärte der russische Handels- und Industrieminister Denis Manturow: „Wir haben von den Absichten gehört, uns aber noch nicht getroffen und über die Details der Pläne gesprochen.“ Ein offizieller Antrag liege aber noch nicht vor. „Normalerweise dauert es zwei Jahre, bis bei solch einem Projekt die Produktion anlaufen kann“, gibt Manturow den Zeitplan vor. Am Erfolg zweifelt er nicht, auch wenn der Autoansatz in Russland binnen drei Jahren um die Hälfte eingebrochen ist: „Mercedes-Benz bedient ein spezielles Segment, das Absatzeinbrüche nicht in solchem Maße betreffen.“

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