Russland wählt Putin – der Unbesiegbare

Der Kremlchef ist so beliebt wie nie – obwohl er 2011 die Demonstranten mit Affen verglich, die massive Fälschungen bei der Dumawahl kritisierten. Nun wählt Russland wieder ein Parlament. Kann Putin seine Macht festigen?

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Der Kremlchef ist in Russland äußerst beliebt. Quelle: dpa

Moskau Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist klar: Ein Chaos wie nach den Parlamentswahlen 2011 soll sich nicht wiederholen. Damals hatten Regierungsgegner die „schmutzigsten Wahlen“ seit dem Ende der Sowjetunion kritisiert und die größten Massenproteste seit Putins Aufstieg zur Macht ausgelöst. Wenn die Russen in knapp zwei Monaten (18. September) ein neues Parlament wählen, erwarten Experten keine Proteste wie damals. Putin und die Kremlpartei Geeintes Russland sitzen fest im Sattel.

Einer Umfrage des angesehenen Lewada-Zentrums zufolge sind weniger als 50 Prozent der Russen entschlossen, überhaupt wählen zu gehen. Unter den erklärten Wählern sind die Verhältnisse umso deutlicher: 55 Prozent würden für Geeintes Russland ihr Kreuzchen machen. Erst weit dahinter mit 18 Prozent kämen die Kommunisten.

Daneben würden noch die nationalistische Liberaldemokratische Partei sowie die linke Gruppe Gerechtes Russland den Sprung ins Parlament schaffen. Somit würde sich an der Zusammensetzung der Duma kaum etwas ändern.

Auch der Politologe Denis Wolkow vom Moskauer Carnegie Zentrum erwartet keinen großen Wandel. „Der Kreml kontrolliert alle Parlamentsparteien mehr oder weniger, daher müssen sie nicht miteinander in Wettbewerb treten“, schreibt er. Ihr Ziel sei es, in der Duma zu bleiben und sich finanzielle Unterstützung zu sichern.

Nach den Massenprotesten im Winter 2011/2012 zeichnet sich vor der Wahl zur siebten Staatsduma ein Bild ab von einem Land zwischen einerseits mehr Demokratie und andererseits zugleich stärkerer Repression. Denn: Die Behörden haben auf den Unmut der Straße von damals reagiert. So wurde die Direktwahl der Gouverneure wieder eingeführt.

Überdies wurde die Sperrklausel bei der Dumawahl von sieben auf fünf Prozent gesenkt - was theoretisch kleinen Parteien den Einzug ins Parlament erleichtern könnte. Mit der Menschenrechtlerin Ella Pamfilowa ersetzte Putin zudem den umstrittenen Leiter der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, durch eine sowohl bei liberalen Gruppen als auch im Westen angesehene Politikerin.


Putin-Kritiker Chodorkowski gibt sich kämpferisch

Zugleich zog die Regierung aber in der vergangenen Legislaturperiode die Zügel mit repressiven Gesetzen massiv an. Einige Beispiele:

  • 2012 verschärft die Duma das Versammlungsrecht. Teilnehmern an nicht genehmigten Kundgebungen drohen hohe Geld- und Haftstrafen.
  • Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind seit 2012 verpflichtet, sich als „ausländische Agenten“ zu kennzeichnen, wenn sie Geld aus dem Ausland erhalten. Die Stigmatisierung erschwert ihre Arbeit.
  • Erst kürzlich nahm die Duma ein umstrittenes Anti-Terror-Paket an, das Vorratsdatenspeicherung von Telefonaten und E-Mails vorsieht.

Ungeachtet aller Kritik an solchen Gesetzen erwarten Experten im Herbst keine massiven Fälschungsvorwürfe wie 2011. Unter den Kandidaten für die 450 Mandate sei niemand unabhängig, behauptet etwa der politische Autor Michail Sygar. „Daher ist Fälschung gar nicht nötig“, sagt er dem Kreml-kritischen Magazin „New Times“.

Die Opposition selbst gilt als zerstritten. Kleine Parteien wie die liberale Jabloko kritisieren, dass sie kaum Zugang zum Fernsehen haben, das unter dem Einfluss des Kremls gilt. Hinzu kommt, dass Oppositionelle wie der Blogger Alexej Nawalny und Ex-Oligarch Michail Chodorkowski kaum Chancen haben, ihr schlechtes Image aufzubessern.

Dennoch gibt sich der Putin-Kritiker Chodorkowski kämpferisch. Mit seiner Bewegung „Offene Wahlen“ steuert er aus dem westeuropäischen Exil heraus eine Gruppe, die trotz aussichtsloser Lage mit 24 Kandidaten an der Wahl teilnimmt. Auch wenn keine Änderungen zu erwarten seien, müssten junge Politiker Erfahrung sammeln, meint er.

Kremlchef Putin hingegen stützt sich in Umfragen auf rund 80 Prozent Beliebtheit. Beobachter führen als einen der Gründe die Einverleibung der Halbinsel Krim 2014 an, die der Westen kritisiert. Auch Geeintes Russland hat seitdem in Umfragen zugelegt. Immer wieder setzt sich Putin etwa bei Treffen mit den Fraktionschefs selbst im Wahlkampf in Szene. Geeintes Russland bezeichnet er als „Stützpfeiler des Landes“.

So wirkt der Duma-Wahlkampf letztlich auch wie eine Aufwärmphase für 2018, wenn Russland über sein Staatsoberhaupt abstimmt. Zwar schiebt Putin Fragen nach seiner Kandidatur bislang als verfrüht beiseite. „Abhängig davon, wie sich die Lage entwickelt und wie die Arbeit läuft, werden entsprechende Entscheidungen fallen“, sagt er hölzern. Bei der Dumawahl jedenfalls zeichnen sich kaum neue Entwicklungen ab.

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