Russland Warum die US-Sanktionen Europa spalten

Die Amerikaner wollen den russischen Präsidenten Wladimir Putin isolieren. Die entsprechenden Sanktionen treffen auch deutsche Gasgeschäfte. Manchen EU-Partner freut das.

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Wladimir Putin Quelle: AP

Vertretern der deutschen Bundesregierung war kein Wort zu groß, als US-Präsident Donald Trump neue Sanktionen gegen Russland unterschrieb. Die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ließ gar verlauten, sie halte die neuen Beschränkungen gerade für Energiegeschäfte mit Russland für „völkerrechtswidrig“. Andere Vertreter von CDU, SPD und FDP äußerten sich ähnlich wenig amüsiert über die neuen Versuche der USA, Russland zu isolieren.

Die Versuchsanordnung schien also mal wieder klar: Die guten Deutschen gegen den völkerrechtswidrigen US-Präsidenten. Nun, so einfach ist es nicht. Denn Deutschland steht mit seinem Protest gegen die konkrete Ausgestaltung der Sanktionen in Europa zwar nicht alleine, aber auch nicht unbestritten an der Spitze einer großen Mehrheit. Und das liegt vor allem daran, dass die Sanktionen vermutlich auch die Gaspipeline treffen, die dereinst Gas aus Russland nach Rügen transportieren soll. Dieses Projekt würden viele Europäer gerne scheitern sehen.

Juncker warnt vor Schäden durch Nord Stream 2

Das Projekt Nord Stream 2 ist in Brüssel äußerst unpopulär. Bereits im vergangenen Oktober verurteilte das Europäische Parlament das Vorhaben als „schädlich für die Energiesicherheit, die Diversifizierung und Europas Solidarität“. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte, dass die Pipeline europäischen Verbrauchern und Energieunternehmern schaden werde. Bei Maroš Šefčovič, dem für Energie zuständigen Vize-Präsident der EU-Kommission, stapeln sich die Protestnoten aus den Mitgliedsstaaten. „Wir haben niemals so viele Briefe der höchsten Repräsentanten der Mitgliedsstaaten bekommen“, sagt der Slowake.

Seine Sorge: Mit der Pipeline würde die Energieversorgung der EU umgewälzt. „Die gesamte Gasbalance in der EU würde sich ändern.“ Bis zu 80 Prozent des Gases, das aus Russland in die EU kommt, würde bei Fertigstellung der Pipeline 2019 über die Ostsee nach Deutschland fließen. Das widerspricht der europäischen Strategie. „Wir wollen unsere Energieversorgung unabhängiger machen von einzelnen Lieferanten, nicht abhängiger“, unterstreicht Šefčovič.

Deutsche Unternehmen würden von Nord Stream 2 profitieren. Sie könnten das günstige Gas, das direkt aus Russland kommt, für einen höheren Preis in osteuropäische Länder weiter verkaufen. Aber die Kapazitäten von West nach Ost sind limitiert, es besteht die Gefahr, dass Länder in Südosteuropa kein Gas mehr abbekommen würde. Kurzfristig mag es so wirken, als ob Nord Stream 2 im deutschen Interesse sei, argumentiert Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. „Aber langfristig überwiegen auch für Deutschland die Nachteile.“

Sorge um die Ukraine

Die EU-Kommission widersetzt sich der Pipeline aus einem weiteren Grund: Ihrer Sorge um die Ukraine. Das Land erhält bisher zwei Milliarden Dollar für die Durchleitung des russischen Gases und kann das Geld gut gebrauchen. Die Kommission sieht sich in der Angelegenheit als Anwalt von Russlands Nachbarn.

Ganz so leicht wie erwartet lässt sich der Widerstand gegen Nord Stream 2 auf EU-Ebene allerdings nicht organisieren. Die EU-Kommission hätte gerne die Regeln des EU-Binnenmarkts angewandt, Russland hätte dann nicht gleichzeitig die Pipeline betreiben können und als Lieferant agieren.

Aber bei Offshore-Projekten gelten diese Regeln nicht. Weil die EU-Kommission vermeiden will, dass russisches Recht bei dem Projekt zur Anwendung kommt, will sie mit Russland ein Rahmenabkommen verhandeln. Ein Vorschlag für ein Mandat liegt vor, die Mitgliedsstaaten müssen noch zustimmen.

13 Länder, darunter Polen, begrüßen den Vorstoß. Deutschland hat sich offiziell noch nicht positioniert, aber es ist kein Geheimnis, dass die Bundesregierung von dem Vorschlag nicht begeistert ist. Nach der Sommerpause wird im Rat dazu weiter verhandelt. Die EU-Kommission geht davon aus, dass eine qualifizierte Mehrheit ausreichend für ein Mandat wäre – was bedeuten würde, dass Deutschland und Frankreich mit kleineren Verbündeten die Verhandlungen noch verhindern könnten.

In vielen Mitgliedsstaaten und auch in Brüssel würde dies jedoch schlecht ankommen. Einzelne Länder könnten dann versuchen, das Projekt auf ihre Art zu blockieren. So erwägt Dänemark, national Gesetzgebung einzuführen, nach der solche Projekte nicht nur wegen Umweltbedenken sondern aus sicherheitsstrategischen Bedenken abgelehnt werden können. Zahlreiche Mitgliedsstaaten misstrauen der Ankündigung des Kremls, dass es sich bei Nord Stream 2 um ein wirtschaftlich motiviertes Projekt handelt. Sie vermuten geopolitische Motive, sehen die Pipeline als Instrument der Macht. 

Die jüngste US-Opposition wird in Brüssel als verlogen empfunden. In der Vergangenheit hatte die Regierung von Barack Obama das Projekt auch schon kritisiert, weil es die Ukraine destabilisieren könnte.

Außenminister Rex Tillerson hat die US-Ablehnung nun in einem Atemzug genannt mit Gasverkäufen an Europa. „Da wächst der Verdacht, dass der neue US-Ansatz zu Europas Energiesicherheit mehr von Geschäftsinteressen geprägt ist als vom Engagement für die europäischen Verbündeten“, urteilt Marco Giulio von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre.

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