Russland Wie Wladimir Putin sein Land herunterwirtschaftet

Mit Hurra-Patriotismus und einem aggressiven außenpolitischen Kurs will Wladimir Putin seine Macht sichern. Doch er verweigert Reformen, verprellt Investoren – und treibt sein Land tiefer in die Krise.

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Wladimir Putin Quelle: AP

Die Neigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Selbstinszenierung ist der Welt hinlänglich bekannt. Es gibt ihn mit Sonnenbrille auf dem Motorrad, mit einem (angeblich selbst geangelten) 21-Kilo-Hecht im Arm und mit nackter Brust auf einem Pferd. Abgesehen von der eher harmlosen Kraftmeierei, die das russische Wahlvolk begeistert, verfügt der Kremlchef aber auch über eine Kraft, die Investoren gefährlich werden kann: Er kann Kurse bewegen. Als er im Mai beim Wirtschaftsforum Sankt Petersburg die Wahl in der Ukraine zu „respektieren“ versprach, legte der Rubel zu, der zuvor wegen seiner Krim-Annexion abgestürzt war. Als Putin dem russischen Google-Herausforderer Yandex Kontakt zu US-Geheimdiensten unterstellt hatte, ging es mit den Kursen an der Börse bergab.

Nie war Putin so unberechenbar wie in diesen Tagen, da er sich politisch auf dem Zenit seiner Macht wähnt. Denn spätestens mit der Krim-Annexion hat sich die Funktionslogik des Regimes radikal verändert: Da die Umverteilung von Wohlstand wegen der verschleppten Modernisierung nicht mehr gelingt, legitimiert Putin seinen Machtanspruch im Innern mit einer Politik der Stärke: Das Volk berauscht sich am Gefühl des „Wir-sind-wieder-Wer“ und beschert dem Kremlchef eine Popularität wie lange nicht.

„Das Fatale ist, dass diese Politik keine Rücksicht auf die ökonomische Entwicklung kennt und Russland in die Selbstisolation führt“, sagt Stefan Meister vom European Council on Foreign Relations. Zum Jahrestag des D-Day in Paris wollte vergangene Woche kein Staatschef gern neben Putin sitzen, beim G7-Gipfel tags zuvor in Brüssel hatte man den Russen gleich ganz ausgeschlossen.

Russland - und die Ängste seiner Nachbarn

Wie lange kann das Modell Putin noch gut gehen? Die je nach Berechnung sechst- bis achtgrößte Volkswirtschaft der Welt schiebt einen Berg überfälliger Reformen vor sich her und ist so abhängig von den Rohstoffpreisen wie nie zuvor. Während die Ineffizienz der Staatswirtschaft wächst, hat das auf Verteilung von Petrodollars beruhende Wirtschaftsmodell seine Grenzen erreicht. Im Falle sinkender Ölpreise oder verschärfter westlicher Sanktionen könnte Russland in eine üble Rezession schlittern, ähnlich dem Absturz von 2009, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,8 Prozent einbrach.

Drohende Stagflation

Die Zeichen stehen bereits auf Rot: Trotz stabiler Ölpreise und passabler Weltkonjunktur steckt Russland für die nächsten zwei, drei Jahre in der Stagflation fest. Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wächst die Wirtschaft 2014 nur noch um 1,3 Prozent, und das ist bereits ein sehr optimistisches Szenario. Der ehemalige russische Finanzminister Alexej Kudrin sieht das Wachstum auf Jahre hinaus bei null Prozent. Die Weltbank hält in ihrem Negativszenario dieses Jahr sogar ein Minus von 1,8 Prozent für möglich. Gleichzeitig ist die Inflationsrate auf fast acht Prozent gestiegen und zwingt die russische Zentralbank, die Leitzinsen drastisch zu erhöhen. Was wiederum die Investitionen abwürgt.

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Die Probleme sind überwiegend hausgemacht. Putins wirtschaftspolitisches Rezept erschöpft sich in der Umverteilung von Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf, wobei Löhne und Pensionen selbst ohne Produktivitätssteigerungen erhöht werden. Hinzu kommt nun, dass der Kremlchef mit seiner antiwestlichen Rhetorik ausländische Unternehmer verprellt, die mit Investitionen zur dringend nötigen Modernisierung und Diversifizierung des sowjetisch geprägten Landes beitragen könnten. Letztere Hoffnungen könne man „im Moment völlig vergessen“, sagt der Moskauer Ökonom Wladislaw Inosemzew. Putin sehe sich als Gott und handle in den Tag hinein. „Einen langfristigen Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung hat er nicht. Hatte er noch nie.“

Deutsche Exporte sinken

Fachleute tun sich schwer, den exakten Effekt von Putins Ukraine-Politik zu beziffern. „Die Wachstumsschwäche hat bereits 2013 begonnen“, sagt Frank Schauff, Geschäftsführer der Association of European Businesses in Moskau, „die Ukraine-Krise und die folgende Sanktionsdebatte haben die prekäre Wirtschaftslage aber verstärkt.“ Besonders betroffen ist die Autobranche, auch die mit diesem Sektor verbandelten Zulieferer und Anlagenbauer.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Nicht einmal der Konsum ist mehr eine große Stütze der Konjunktur. Früher steckten die mit Abwertungen erfahrenen Russen gerade in Krisenzeiten ihr Geld in materielle Werte. Nun aber scheinen die Bedürfnisse eher gesättigt zu sein. Noch mieser ist die Stimmung im Finanzsektor, wo das Investmentbanking angesichts des Investitionsklimas brach liegt und die Finanzierung bei ausländischen Geschäftsbanken wegen der hohen Risikobewertung im Russlandgeschäft kaum mehr möglich ist. „Manch ein Banker würde am liebsten aus dem Fenster springen“, sagt ein deutscher Geschäftsmann in Moskau.

Besorgt ist auch die deutsche Wirtschaft. Mit über 6000 Niederlassungen sind die Deutschen im Land besonders stark vertreten. Zwar gibt es immer noch Investitionspläne: Der Troisdorfer Fensterbauer Profine etwa plant in Russland ein drittes Werk, SAP will mit dem Moskauer Telekomkonzern Rostelekom Cloud-Systeme für Russland entwickeln. Doch die deutschen Exporte nach Russland sind im ersten Quartal um 12,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geschrumpft. Laut einer Umfrage des Münchner ifo Instituts spüren bereits 17 Prozent der befragten Unternehmen die Auswirkungen der Ukraine-Krise in Russland, ein Drittel rechnet mit baldigen Folgen. „Viele Unternehmen haben ihre Investitionen auf Eis gelegt“, heißt es auch bei der deutsch-russischen Auslandshandelskammer.

Putins Hang zum Interventionismus zerstört das Vertrauen in den Standort: „Für das Investitionsklima ist es wichtig, dass Regeln und Gesetze eingehalten werden“, sagt der auf Russland spezialisierte Mainzer Investmentberater Jochen Wermuth mit Blick auf die Krim-Krise: „Es nicht vertrauensbildend, wenn man seinem Nachbarn ein Stück Land wegnimmt.“ Der Rubel verlor seit 2013 gegenüber Euro und Dollar ein Drittel an Wert, auch weil im ersten Quartal mit über 60 Milliarden Dollar mehr Kapital abfloss als im Gesamtjahr 2013.

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Zumindest in Moskau tut man sich gleichwohl noch schwer, Zeichen der Krise zu finden: Moderne West-Autos haben alte Lada-Schiguli aus dem Stadtbild verdrängt, neuerdings gibt es Parkuhren. Ständig öffnen neue Cafés mit Freiluft-Terrassen. Gourmetköche aus dem Westen kochen für Restaurants. Parks sind renoviert; der trendige Russe flitzt jetzt auf breiten Skateboards und Rollern über die Flusspromenade am Gorki-Park. Man hat den Eindruck, als wollten die Machthaber gegen potenzielle Unzufriedenheit in der Bevölkerung vorbauen, indem sie aktiv in Lebensqualität investieren.

Wie ein Ereignis aus grauer Vorzeit wirken in diesen Frühsommertagen die Massendemonstrationen vom Dezember 2011. Eine frustrierte Mittelschicht hatte damals auf dem nahen Bolotnaja-Platz nach Wahlfälschungen dem Unmut über Korruption und Willkürherrschaft Luft gemacht. Putins schlimmste Albträume wurden wahr: Eine „bunte“ Revolution, gerichtet gegen ihn! Doch der Kremlchef reagierte taktisch klug, indem er die Protestler gewähren ließ – und strategisch fatal, indem er danach zu schärferer Repression überging und die liberalen Kräfte aus dem Alltag verdrängte.

Russland macht den Westen zum Feind

Heute ist Russland unter Putin so autoritär, wie es selbst die Sowjetunion nicht immer war. Kritik lässt der Kreml im Keim ersticken, Demonstrationen sind meist verboten, Andersdenkende werden verhaftet. Mit Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, Gesetzen gegen Homosexualität und der Ausweisung ausländischer Organisationen als „Spione“ distanziert sich die russische Elite von bürgerlichen Freiheiten und politischen Rechten, die immer noch in der Verfassung stehen. Wem dieses Klima der Unfreiheit nicht passt, der wandert aus – oft nach London, Berlin, San Francisco und Hongkong. Wachsamen Beobachtern fällt bei jeder Auslandsreise auf, wie viele Russen ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben. Das war mal die neue Elite.

Wie Muskelprotz Putin sich fit hält
In Sotschi ließ sich Sportfan Wladimir Putin nicht nur auf den Tribünen blicken. Hier posiert er mit Teilnehmern der Paralympischen Spiele. Quelle: dpa
Mit schicker Sonnenbrille... Quelle: rtr
...verfolgte er die Wettkämpfe auf den Pisten von Krasnaya Polyana. An seiner Seite: der russische Sportminister Vitaly Mutko. Quelle: dpa
Hier geht es im Sessellift mit Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew (Mitte) auf den Berg – zur nächsten Abfahrt. Quelle: rtr
Um ein wenig Muskeln aufzubauen, hat Wladimir Putin als schmächtiger Junge den Nutzen von Judo erlebt. 2005 stieg er zu Showzwecken noch einmal auf die Matte. Quelle: AP
Mit seinen Kampfsportkenntnissen – die er hier bei einer Trainingsstunde in St. Peterburg noch einmal vorführte – konnte sich der als schwächlich beschriebene „Wolodja“ in seiner Heimatstadt gegen stärkere Nachbarjungs verteidigen. Quelle: REUTERS
Legendär sind die Aufnahmen, die Putin in freier Wildbahn zeigen. Hier als Indiana-Jones-Double in Sibirien... Quelle: AP

Die Abkehr vom Westen funktioniert, da die Staatsmedien mit verblüffendem Erfolg neue Feindbilder schaffen. Demnach marodieren in der Ukraine Faschisten auf Befehl der USA, die EU errichtet Konzentrationslager für russische Gefangene. „Es wird einem übel, wenn man in russische Nachrichten zappt“, sagt ein deutscher Manager. Dass die Proteste auf dem Maidan zu Beginn weder proeuropäisch noch antirussisch waren, sondern sich ähnlich wie in Moskau gegen die Arroganz der Elite richteten, ignorieren Putins Mediensoldaten. Ebenso wie die „kontrollierte Destabilisierung“, wie man in Moskau die Einflussnahme auf die Ukraine bezeichnet.

Wenn der Westen zum Feind wird, drohen auch Geschäftsleuten ungemütliche Zeiten. Kremlnahe Politiker denken laut über Gegensanktionen nach, nachdem der Westen einzelnen Ober-Russen Konten gesperrt hat und ihnen die Einreise verweigert. Die russischen Ideen reichen von der Zwangsschließung von McDonald’s-Filialen bis hin zur Konfiszierung von Vermögenswerten ausländischer Investoren. Die Staatsduma arbeitet an einem Gesetz, das dies möglich macht.

Heiliger Krieg gegen Liberale

Liberale haben es schwer in solchen Tagen. Zwar halten sich einige Leichtgewichte dieses früher mächtigen Flügels an den Spitzen von Notenbank und Finanzministerium. Einfluss auf Putin haben dagegen radikale Wirrköpfe, die dem Land eine nationalistisch-konservative Ideologie verpassen wollen. Talkmaster Dmitri Kisseljow hetzt im Fernsehen gegen den Westen, der Politologe Alexander Dugin propagiert einen „heiligen Krieg“ gegen den Liberalismus im verweichlichten Westen.

Sergej Glasjew, der Putin in Wirtschaftsfragen berät, forciert die Zuwendung Russlands hin zu China und träumt den Traum der Eurasischen Union. Das nationalistische Getrommel ist freilich auch Ausdruck einer tiefen Enttäuschung über den Westen. Auf Putins Idee der Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon ging in der EU niemand ein, in der EU-Nachbarschaftspolitik gegenüber der Ukraine fühlt sich Russland übergangen.

Ökonomisch besonders fatal ist die Monostrukturierung der Wirtschaft. Eigentlich wollte Putin sein Land unabhängiger machen von Öl- und Gasexporten. Man müsse sich auf High Tech konzentrieren, um künftig Wohlstand zu garantieren, schrieb er im Januar 2012. Seither aber ist der Anteil der Rohstoffeinnahmen am Staatshaushalt und an den Exporten weiter gestiegen. Und die jüngst mit China geschlossenen Öl- und Gaslieferverträge dürften Russland weiter in Richtung Petrostaat treiben.

Nur auf Öl-Export zu setzen wird bald nicht mehr reichen

Obwohl die Ölförderung in den weithin ausgebeuteten Feldern aus den Siebzigerjahren weiter hochgefahren wird und der Barrelpreis stabil um die 110 Dollar liegt, trägt der Rohstoffreichtum nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Im Gegenteil. Der Reichtum an Rohöl hemmt die Entwicklung von Wertschöpfungstiefe, die Russland schon wegen der Beschäftigungseffekte dringend nötig hat. Die Gas- und vor allem Ölexporte nach Europa sind für den russischen Fiskus so lukrativ, dass die Rohstoffe kaum verarbeitet werden.

G7 erhöhen Druck auf Russland

Mangels Raffineriekapazität muss das Land daher Benzin und Diesel importieren. Sogar Plastik-Mülltonnen führt Russland aus Deutschland ein, weil es an petrochemischen Betrieben fehlt. „Sie haben aus der Rohstoffwirtschaft herausgeholt was möglich war, aber nun müssen neue Wachstumsquellen her“, sagt Christopher Hartwell, Konjunkturforscher an der Skolkovo School of Management. Dazu sei es nötig, das „grauenvolle Investitionsklima“ zu verbessern.

Hier war Russland schon mal weiter. Als Dmitri Medwedew 2008 Präsident wurde, ließ er Beamte in Bussen in eine Kleinstadt kutschieren, wo er mittelständische Betriebe besuchte und sich von Erfahrungen mit Behörden berichten ließ. Danach stauchte er die Beamtenschar vor laufenden Kameras zusammen, nannte sie einen „Albtraum für Unternehmer“. Medwedew, heute macht- und wirkungsloser Regierungschef unter Putin, wollte den Aufbau eines innovativen Mittelstands fördern und das Land aus der Ölabhängigkeit befreien.

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Aus der Zeit des Aufbruchs ist nur ein futuristisches Gebäude übrig geblieben. Es besteht aus einem Plateau mit vier Hochhausquadern und schaut aus wie ein Raumschiff, das keine Landegenehmigung für Moskau erhalten hat: Die Skolkovo School of Management liegt in einem Dorf am westlichen Stadtrand, wurde von Russlands liberaler Wirtschaftselite finanziert und 2010 eröffnet. Die Eliteschule ist eine Oase von Innovation und Internationalität, Symbol eines modernen Russlands, von dem die neue Generation träumt.

Im hellen Foyer begrüßt Maxim Karpow seine Besucher. Der Jurist kümmert sich um Start-ups, ein angeschlossenes Gründerzentrum hilft bei der Registrierung von Patenten und der Arbeit am Businessplan. „Innovationen scheitern in Russland nicht an den Leuten. Kluge Kreative haben wir reichlich“, sagt Karpow. Es hapere an der Kommerzialisierung von Ideen und am Investitionsklima. „Bei uns haben zu viele postsowjetische Entscheider keynesianischer Prägung das Kommando, die wollen die Wirtschaft steuern und kontrollieren“, so Karpow. „Echte Veränderungen, ein Klima für Innovationen, müssen sich in Russland von unten entwickeln.“

Das kann allerdings dauern. Sogar Absolventen von Wirtschaftsuniversitäten arbeiten derzeit lieber für Gazprom, als sich selbstständig zu machen. Viele hoch qualifizierte Russen verlassen ihr Land gleich ganz. Zurück bleiben die Alten und gering Produktiven, die dem Staat zumal in Krisenzeiten auf der Tasche liegen.

Wie lange kann Putin seinen Kurs noch durchhalten? Der Ökonom Jewgeni Gontmacher, der damals an Medwedews Modernisierungspolitik mittüftelte, sieht Russland mit seinen hohen Währungsreserven für eine längere Stagflation gewappnet. „Die Teuerung dürfte zwar zu sozialen Spannungen gerade unter Rentnern und Staatsbediensteten führen“, so Gontmacher. Aber der Mix aus Propaganda und Patriotismus werde vorerst helfen, dass soziale Unzufriedenheit nicht in politische Proteste umschlägt – selbst wenn die Preise fürs Brot schneller steigen als die Renten.

Im Falle sinkender Ölpreise aber wird sich die ökonomische Schieflage nicht mehr kaschieren lassen. Fehlen die Petro-dollars, wird es eng für Russland – und am Ende auch für Putin selbst.

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