Russland will aus eigener Kraft wachsen Putin setzt auf Veränderungen – im Westen

Wladimir Putin will sich mehr auf das eigene Land konzentrieren. Russland soll zum Wachstum zurückfinden. Doch ganz kann der Kreml-Chef die Attacken nicht lassen – er fordert vom Westen eine Anpassung an russische Werte.

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Russlands Präsident Wladimir Putin sieht sein Land auf einem guten Weg – aber die Eliten im Westen müssten ihre Wege überdenken. Quelle: AFP

Moskau Die Außenpolitik war in der alljährlichen Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Lage der Nation nur ein Randthema. Die erste Stunde seines Monologs widmete der Staatschef vor den über 1.000 Zuhörern im prunkvollen Georgssaal des Kremlpalastes vor allem wirtschaftlichen und sozialen Problemen im Innern Russlands. Die vergangenen zwei Jahre seien schwer gewesen, räumte Putin ein. Inzwischen sei der Abwärtstrend aber gestoppt und in einzelnen Bereichen gehe es wieder aufwärts, zeigte er sich optimistisch.

Wie üblich nahm der Kremlchef Zuflucht zu ausgewählten Statistiken, um seine Thesen zu untermauern, verwies auf steigende Industrieproduktion, einen Rekord beim Wohnungsbau, sinkende Inflation oder den Anstieg der Goldreserven bei der Zentralbank, während weniger positive Zahlen – ein weiterer BIP-Rückgang und das prozentual deutliche Schrumpfen des Reservefonds (um 43 Prozent) – unter den Tisch fallen.

Trotzdem fiel Putins Warnung am Ende deutlich aus: „Stabilisierung bedeutet nicht automatisch den Übergang zu nachhaltigem Wachstum. Wenn wir die Grundprobleme der Wirtschaft nicht lösen und das Wachstum nicht mit voller Kraft zur Entfaltung kommen lassen, werden wir auf Jahre beim Nullpunkt herumhängen“, sagte er.

Das vorgeschlagene Rezept klingt zumindest rhetorisch liberal – womöglich wird hier bereits der wieder steigende Einfluss von Ex-Finanzminister Alexej Kudrin deutlich, der auch Putins Wahlprogramm formulieren soll. Jedenfalls will Putin das Investitionsklima weiter verbessern. Das soll durch steigende Transparenz der Kontrollen und eine weitere Differenzierung der Wirtschaft und Steuervorteile für den boomenden IT-Sektor gelingen. Die Steuergesetze sollen sich allerdings 2019 wohl komplett verändern.

Wer genau hinhörte, konnte auch im zivilgesellschaftlichen Sektor neue Töne hören. So widmete Putin den NGOs und ihrer Bedeutung erstaunlich viel Raum in seinen Ausführungen. Putin fordert regelrecht mehr Mitbestimmung und Eigeninitiative für und von den Russen – allerdings begrenzt auf den sozialen Bereich oder in der Lokalpolitik.

Außenpolitisch übte der Kremlchef Kritik am Westen – selbst der Dopingskandal russischer Athleten ist demnach eine reine Erfindung – erneuerte aber zugleich das Angebot zum Dialog. Putin setzt dabei vor allem auf eine Veränderung der westlichen Elite. Von US-Präsident Donald Trump verspricht sich Putin eine Wiederannäherung. „Wir sind zu einer Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Führung zum gegenseitigen Nutzen bereit“, versicherte er. Die harte militärische Gangart in Syrien wird Russland allerdings nicht einstellen. Im Gegenteil: Putin bezeichnete den Einsatz als reinen Anti-Terror-Einsatz und forderte die USA auf, sich an diesem Terrorkampf „und nicht an einem fiktiven“ zu beteiligen.

Zugleich spekuliert Putin offenbar auf einen Bruch innerhalb der westlichen Welt. In der EU wachse der „Wille zu mehr Unabhängigkeit, wie die Wahlen zeigen“, sagte der Kremlchef. Als Gegenentwurf zur transatlantischen Partnerschaft bot er den EU-Ländern zumindest ein „großes eurasisches Integrationsprojekt“ an.

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