Russlandexperte Fjodor Lukjanow "Der Kreml kann nicht gewinnen"

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Kein neuer Kalter Krieg

Wie ließe sich der Konflikt denn lösen?

Wir brauchen ein Paket an Abkommen zwischen der Ukraine, Russland und Europa. Erstens muss eine politische Lösung her, wie die Menschen im Osten innerhalb der Ukraine zivilisiert zusammenleben können. Das dürfte gewisse Autonomierechte erfordern. Zweitens muss ein Gas-Vertrag her – mit vernünftigen Preisen, realistischen Mengen und Transitvereinbarungen für Europa. Drittens muss die Blockfreiheit der Ukraine auf den Tisch. Viertens benötigt die Ukraine ein Programm, wie das Land ökonomisch zwischen Russland und Europa überleben kann. Alles, was in diesem Paket drin ist, wäre einzeln nur schwer zu erreichen. Aber zusammen könnte das gelingen.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

EU-Länder wie Polen und die Balten fürchten sich vor einer Einigung Berlins mit Moskau gegen den Willen der Ukrainer. Glauben Sie, eine zerstrittene EU wäre zum Kompromiss mit Russland fähig?

Dann wird sich die EU eben zusammenreißen müssen! Eine einheitliche Einstellung wird es in Europa kaum geben. Die Menschen im Baltikum werden in Russland immer den schrecklichen Aggressor sehen. Darum müssen Länder wie Deutschland vorangehen und vermitteln. Die Alternative ist, dass der Krieg in der Ostukraine bis zur völligen Selbstzerstörung weitergeht.

Was könnte Washington beitragen – oder sollten die USA sich heraushalten und auf den Irak konzentrieren?

In Russland wird der Einfluss der Amerikaner auf die Ukraine systematisch überschätzt. Die USA sind weit weg, die Folgen des Konflikts treffen die Europäer. Für die USA geht es nicht um die Ukraine, sondern um Russland. Der Kreml ist aus Sicht der Amerikaner wieder zu einem Problem geworden, das man mit aller Härte anpacken will. In diesem Sinn versucht man, auf Europa und die Ukraine Einfluss zu nehmen. Dass das im großen Stil funktioniert und die USA den Krieg vorantreiben, sehe ich im Moment noch nicht.

Wird Russland jetzt immer wieder Regeln der internationalen Politik ignorieren?

Nein, das glaube ich nicht. Die Russen sind einfach selbstbewusster. Im Kreml weiß man aber sehr genau, was die Weltgemeinschaft von Russland erwartet. Und die Kosten infolge der Krim- und Ukraine-Politik sind überaus groß, weshalb der Kreml künftig vorm Kräftemessen zurückschreckt. Sollten die Ukraine-Krise und die Sanktionspolitik aber zu einer neuen Block-Konfrontation wie zu Zeiten des Kalten Kriegs führen, bliebe der russischen Führung nichts anderes übrig als die Suche nach neuen Partnern. Es gibt in der Welt mehr als genug Staaten, die die Weltordnung für ungerecht halten. Nur will keiner einen Widerstand gegen die Dominanz der Amerikaner in der Weltpolitik anführen. Diese Rolle könnte Russland übernehmen.

Mit China will Putin die wirtschaftliche Zusammenarbeit massiv ausbauen. Entsteht da ein politischer Block gegen den Westen?

Das ist kein Automatismus, aber eine Option. In Peking wird die politische Kooperation mit Moskau derzeit intensiv geprüft. Umgekehrt birgt dies für Russland aber enorme Risiken, da China größer und wirtschaftlich stärker ist.

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