Russlands Notenbank Putin führt Zentralbank an der langen Leine

Putin ohne Einfluss? Die russische Notenbank ist nicht das „Schoßhündchen“ des Präsidenten. Auch Kritiker bezeichnen das Institut als von der Politik unabhängig. Die Notenbankchefin Nabiullina sei „stärker als erwartet“.

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Der russische Präsident Wladimir Putin: Sein Einfluss auf die Notenbank ist begrenzt. Quelle: dpa

Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin lässt der Notenbank in Moskau eine lange Leine. So haben die Währungshüter den Leitzins in die Höhe geschraubt, obwohl teures Zentralbankgeld als Gift für die unter Sanktionen des Westens ächzende Wirtschaft gilt. Zudem setzen sie mit der Freigabe des Rubel-Wechselkurses auf das Kräftespiel des Marktes, statt die Landeswährung mit täglichen Interventionen in ein Korsett zu pressen.

Mit dieser Doppelstrategie blieb Russland ein finanzieller Kollaps wie in den 90er Jahren erspart, was in der Fachwelt für Anerkennung sorgt. „Die Notenbank handelt getreu der Maxime Putins: 'Stabilität hat absolute Priorität'“, sagt Russland-Kenner Christopher Granville vom Londoner Beratungshaus Trusted Sources.

Die Notenbank sei dabei nicht Putins „Schoßhündchen und zudem wesentlich eigenständiger als allgemein angenommen“, sagt ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben will. Diese Einschätzung teilt selbst ein Kritiker des Staatschefs - der frühere Vize-Gouverneur der Notenbank, Sergej Alexaschenko: „Die Zentralbank ist die unabhängigste Institution im Russland unserer Zeit.“

Als Beleg dafür mag die Tatsache gelten, dass die Zentralbank den Leitzins Ende Oktober überraschend deutlich auf 9,5 Prozent anheben konnte, obwohl die Konjunkturaussichten düster sind. Notenbankchefin Elwira Nabiullina begründete ihren Schritt mit den stark steigenden Preisen und profilierte sich damit als entschlossene Inflationsbekämpferin. Aus ihrer Sicht wird die Teuerung auch Anfang 2015 nicht unter die Acht-Prozent-Marke sinken.

Mit ihrer aggressiven Zinspolitik nehme die Zentralbank billigend in Kauf, dass das Wachstum leide, sagt Experte Granville. Selbst eine Rezession sei eher zu verkraften als eine Panik an den Märkten, galoppierende Inflation und eine Kernschmelze der Währung, wie sie Russland unter Putins Vorgänger Boris Jelzin erleben musste. Dieses Trauma hat Putin durchaus im Hinterkopf - und auch Notenbankchefin Nabiullina.


Putin scheut sich vor der Einmischung

Die Zinserhöhung stellte sich im Nachhinein auch als geschickter Schachzug heraus, um die Sparer bei der Stange zu halten. Denn wenige Tage später kündigte die Notenbankchefin an, den Wechselkurs des Rubel freizugeben. Wie erhofft, hielten die Sparer danach an ihren Rubel-Guthaben fest, die mit höheren Zinsen nun besser gegen Inflation geschützt sind. Eine Panik wie in den Zeiten der Rubel-Krise 1998 blieb aus. Im Gegenteil: Die Landeswährung erholte sich jüngst sogar ein wenig.

In der vergangenen Woche stieg sie zum Dollar um fünf Prozent. In den Monaten zuvor hatten der Ölpreis-Verfall und die Belastungen durch die westlichen Sanktionen der russischen Währung stark zugesetzt. Anfang November markierten Dollar und Euro mit 48,6495 beziehungsweise 60,2725 Rubel jeweils ein Rekordhoch.

Nabiullina kassierte dann überraschend die Praxis, Rubel-Ankäufe zur Stützung der Währung auf täglich 350 Millionen Dollar zu begrenzen. Stattdessen kündigte sie an, bei Bedarf jederzeit und in ausreichendem Umfang mit Interventionen am Devisenmarkt auf spekulative Kursbewegungen reagieren zu wollen. Putin begrüßte den Schritt als wirksames Abwehrmittel gegen Spekulanten.

Obwohl die 51-jährige Chefin der Notenbank lange Jahre Putin als Wirtschaftsberaterin diente, ist sie nach Ansicht von Experten nicht dessen verlängerter Arm: „Sie hat sich auf dem Posten der Zentralbankchefin als stärker entpuppt als erwartet“, sagt Ökonom Anders Aslund vom Peterson Institute for International Economics in Washington. Anders als im politischen Dunstkreis des Präsidenten üblich, regierten in der Zentralbank nicht die einflussreichen „guten alten Freunde“ Putins, wie ein Regierungsvertreter hinter vorgehaltener Hand erläutert.

„Es sind Fachleute, mehr oder weniger kompetent, aber sie sind vom Fach.“ Nach Ansicht von Putin-Kritiker Alexaschenko genießen die Notenbanker relativ große Freiheiten: Der Präsident wisse um die Macht der Geldpolitiker, doch er wisse nicht genau, wie sie arbeiteten: „Er scheut davor zurück, sich groß einzumischen.“

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