Säbelrasseln in Asien Japans Angst vor einem Koreakrieg

Die japanische Regierung nutzt das Säbelrasseln in Washington und Pjöngjang für ihre eigenen Zwecke: Premier Abe schürt Kriegsängste, um die pazifistische Verfassung abzuschaffen und die Geschäfte der Rüstungsindustrie anzukurbeln.

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Säbelrassen in Asien: Japans Angst vor einem Koreakrieg

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg bereitet Japans Regierung die Bevölkerung auf einen feindlichen Raketenangriff vor. Am Freitag wurden Verhaltensregeln für den Ernstfall veröffentlicht. Man werde die Japaner über Sirenen und Notfall-Mails von einer bevorstehenden Raketenattacke alarmieren, teilte der Katastrophen- und Zivilschutz auf seiner Webseite mit. Dann sollten die Bürger wegen der „extrem kurzen“ Flugzeiten der Raketen sofort in Gebäude und Keller flüchten oder sich hinter größeren Objekten mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen. Wer sich schon in Gebäuden aufhalte, solle die Fenster meiden.

Eine Woche zuvor hatte Japans konservativer Regierungschef Abe im Parlament überraschend vor einem nordkoreanischen Giftgasangriff gewarnt. „Die Sicherheitslage um unser Land herum spitzt sich zu“, sagte Abe vor dem Außen- und Verteidigungsausschuss des Oberhauses. „Wir haben gerade über Syrien gesprochen. Womöglich ist Nordkorea bereits in der Lage, Raketen mit Sarin abzuschießen“, deutete Abe an. Mit diesem extrem tödlichen Giftgas wurde Kim Jong-nam, der Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, im Februar auf dem Flughafen von Kuala Lumpur (Malaysia), von zwei Attentäterinnen getötet.

Damit verschärfte Abe das Bedrohungsszenario durch nordkoreanische Raketen. Schon Ende Januar hatte der Zivilschutz vor der Gefahr eines Angriffs gewarnt. Bei nordkoreanischen Probeschüssen in diesem Jahr waren mehrere Raketen nahe der japanischen Hoheitszone im Japanischen Meer niedergegangen. Im März und April wurden an mehreren Orten auf der Nordkorea zugewandten Westküste von Japan Zivilschutzübungen abgehalten.

Die Grundschüler in der Küstenstadt Oga zum Beispiel wurden im März über Lautsprecher aus ihren Pausenspielen gerissen. „Dies ist eine Übung. Eine Rakete wurde abgeschossen“, schallte es über den Schulhof. Kinder und Lehrer warfen sich auf den Boden, dann sprangen alle auf und rannten in die Sporthalle. Dort setzten sich die Kinder in Reihen hintereinander auf den Boden. Schließlich kam die Entwarnung: „Die Rakete ist 20 Kilometer vor der Küste in unsere Gewässer gefallen.“ Bisher hatten die Kinder nur das Verhalten bei einem Erdbeben geübt.

Diese Entwicklungen haben viele Japaner nervös gemacht. Im April verzeichnete die Webseite des Zivilschutzes an einzelnen Tagen so viele Aufrufe wie sonst in einem ganzen Monat. Die Zahl der Auslandsjapaner, die sich beim Außenministerium registriert haben, verdoppelte sich schlagartig, nachdem ungenannte Beamte für den Fall eines Kriegsausbruches auf der koreanischen Halbinsel die Evakuierung aller Japaner in Südkorea angekündigt hatten. Dafür würden sowohl japanische als auch US-amerikanische Schiffe und Flugzeuge eingesetzt.

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