Sanktionen gegen Nordkorea Es bleibt nur die Hoffnung auf einen Kollaps

Der UN-Sicherheitsrat hat die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea drastisch verschärft – ein diplomatischer Erfolg für US-Präsident Donald Trump. Kim Jong-Un ist auf diese Weise aber nicht zu stoppen. Ein Kommentar.

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Demonstration der Macht: Nordkoreanische Soldaten marschieren bei einer Militärparade in Pjöngjang. Quelle: dpa

Tokio US-Präsident Donald Trump kann einen Erfolg feiern, der umso beachtlicher ist, wenn man den Gegner kennt: das widerspenstige Nordkorea und dessen Atomraketenprogramm. Nachdem das Land im Juli mit zwei Langstreckentest bewiesen hat, theoretisch die USA mit Atombomben beschießen zu können, stimmte der UN-Sicherheitsrat inklusive Nordkoreas Freunden China und Russland geschlossen für neue Strafmaßnahmen. Diese seien „das größte einzelne Paket an Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea“, feierte Trump den Erfolg via Twitter.

Nach der Papierform ist dies nicht einmal übertrieben. Der Exportstopp von Kohle, Maßnahmen gegen den Export nordkoreanischer Leiharbeiter und andere Maßnahmen würden Nordkorea auch nach unabhängigen Schätzungen Einnahmen von rund einer Milliarde US-Dollar kosten, rund ein Drittel seiner jährlichen Exporterlöse.

Noch härter ist aus Sicht Nordkoreas, dass dank der früheren Sanktionen der Außenhandel bereits zurückgeht und die Ernte von einer Dürre beeinträchtigt wird. Der Volkswirt Rajiv Biswas des Beraters IHS Markit geht daher davon aus, dass Nordkoreas marode Wirtschaft nach einem kurzen Spurt im Jahr 2016 dieses Jahr wieder schrumpfen wird. Die Sanktionen schmerzen in dieser Situation besonders.

Außerdem kann sich Trump auf die Fahnen schreiben, dass sein riskanter Poker wenigstens auf Nordkoreas Schutzmacht China ein bisschen gewirkt hat. Die immer offenere Drohung mit einem Krieg gegen Nordkorea brachte Peking womöglich dazu, verschärften Sanktionen zuzustimmen und damit eine weitere Eskalation aufzuschieben.

Das Problem liegt in einem Netz vielschichtiger Details, das kaum einfache Lösungen mit klaren Siegern erlaubt. Das optimale Ergebnis wäre für Trump daher vorerst eine Politik, die der seines Vorgängers Barack Obama ähnelt und langfristig zu einem Kollaps des nordkoreanischen System führen könnte.

Der erste Grund für eine Fortsetzung der Politik der kleinen Schritte und großen Enttäuschungen sind die wirklichen Auswirkungen der Sanktionen. Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, dankte zwar China und Russland, warnte aber, dass die beschlossenen Maßnahmen allein bei weitem noch nicht reichen würden, um Nordkorea zur Aufgabe seines Atomprogramms zu zwingen.

Die größte Hürde bleibt wie bisher die Umsetzung der Handelsverbote – besonders durch China. Nicht zu unrecht weist Trump immer wieder darauf hin, dass Nordkorea theoretisch Chinas Wirtschaftsgeisel ist. Denn dank der Sanktionspolitik der vergangenen Jahrzehnte ist China nahezu der einzige verbleibende Handelspartner der Familiendynastie.

Peking könnte Pjöngjang also ruinieren, wenn die Machthaber dies wollten. Doch praktisch gesehen war es bisher nicht in Chinas Interesse, seine Pufferzone mit Südkorea und den dort stationierten US-Truppen zum Einsturz zu bringen. Selbst immer neue Raketen- und Atombombentests sowie Beschimpfungen aus Pjöngjang, nach der Pfeife der USA zu tanzen, veranlassten China nicht zu einem Crash-Kurs mit Nordkoreas Führer Kim Jong Un.

Und bisher gibt es keine Anzeichen, dass sich dies ändert. Da kann Trump noch so sehr mit Handelskrieg und unilateralen Sanktionen der USA gegen chinesische Firmen und Banken drohen, die mit Nordkorea Geschäfte machen. Schließlich ist das kleine aufmüpfige Land im mehrdimensionalen geopolitischen Stratego nur eine von vielen Konfliktzonen der aufstrebenden ostasiatischen Macht mit den USA – und eine sehr nützliche dazu.

Nordkorea weiß das und kann diese Narrenfreiheit wie in der Vergangenheit dazu nutzen, weiter aufzurüsten, obwohl es wirtschaftlich schmerzt. Denn Leiden ist der Normalzustand für die meisten Nordkoreaner. Es wird geschätzt, dass 40 Prozent der Bevölkerung unterernährt sind. Außerdem gibt es inzwischen einen florierenden Graumarkt, der Engpässe mildert. Und der Preis für das Leid, der Status einer Atommacht, ist extrem wertvoll für das Regime.


Die größte Gefahr: Ein Krieg aus Versehen

Daher ist anderer Vorschlag, der immer wieder aufgebracht wird, noch weniger erfolgversprechend: Gespräche zwischen den USA und Nordkorea. Worüber sollten beide Seiten sprechen? Den Tausch der Atombomben gegen Sicherheitsgarantien? Der Sturz von Saddam Hussein im Irak und Muammar al-Gaddafi in Libyen durch westliche Mächte haben Kim gezeigt, dass nur Atombomben den Machterhalt sichern.

Eine Anerkennung Nordkoreas als Atommacht wäre wiederum aus Sicht des Westens fatal, der ein Interesse am Bestand des Atomwaffensperrvertrags hat. Denn wie soll man anderen Ländern wie dem Iran noch den Griff nach der Bombe verbieten, wenn man Nordkorea dieses Privileg gestattet? Außerdem hätten die USA damit keine Sicherheit gewonnen.

Zudem reden beide Seiten ohnehin aneinander vorbei. Nordkorea fordert für eine Beendigung des Krieges ein Abzug der US-Truppen von der Halbinsel. Die Aussicht, Nordkorea allein gegenüberzustehen, kommt allerdings in Südkorea nicht gut an. Und auch Japan als zweiter US-Verbündeter in der Region wäre dagegen.

Sowohl der Norden wie auch der Süden beschwören das Ziel einer Vereinigung beider Staaten. Doch auch hierbei gibt es keine Gesprächsgrundlage. Denn der Norden sieht sich als Bewahrer der reinen koreanischen Rasse und will eine Vereinigung unter seiner Führung. Auch das wäre kaum für Südkorea und damit auch die USA inakzeptabel.

Die eklatanten Menschenrechtsverstöße Nordkoreas legen etwaigen Avancen zudem hohe moralische Hürden in den Weg. Sinn macht daher der Vorschlag von Südkoreas Präsident Moon Jae In, direkte Gespräche zwischen den beiden wichtigsten Beteiligten im Konflikt zu führen, zwischen dem Süden und dem Norden. Eine Lösung des Grundkonflikts wird auch dies nicht bringen. Aber sie können Fronten aufweichen, gegenseitiges Verständnis und vielleicht einzelne Kooperationen schaffen und damit die Lage entspannen.

Trumps kriegerische Rhetorik erhöht das Risiko eines Krieges aus Versehen. Gleichzeitig führt sie nicht zu einer politischen Alternative. Denn der Versuch eines vorbeugenden Erstschlags gegen Atomanlagen und Raketenrampen würde wohl in einen großen Krieg mit enormen Opfern auf beiden Seiten und sogar in Japan führen. Nordkorea verfügt über genügend konventionelle Artillerie sowie Kurz- und Mittelstreckenraketen, um womöglich sogar atomar, bakteriologisch und chemisch im 1000-Kilometer-Umkreis Unheil zu streuen. Selbst Tokyo wird als wahrscheinliches Ziel angesehen.

An dieser Bedrohungslage haben Nordkoreas Langstreckenraketen keinen Deut geändert. Daher werden Südkorea und Japan, in denen die notwendigen US-Basen für einen Angriff liegen, einem Erstschlag nicht zustimmen, nur weil neuerdings auch die USA vor nordkoreanischen Atomraketen zittern müssen. Und ein einsamer Entschluss der USA wäre wahrscheinlich das Ende der amerikanischen Präsenz in Asien.

Angesichts dieser Gemengelage drängen sich zwei Lösungen auf, die möglicherweise dicht beieinanderliegen: So könnten Hardliner in den USA darauf hoffen, dass das nordkoreanische Regime so sehr in die Enge getrieben wird, dass es den Süden angreift. In diesem Fall hätten die USA das Recht und die Alliierten für einen Gegenschlag auf ihrer Seite.

Die Alternative ist die Fortführung des Status Quo, also das Management der Gefährdung, auch durch immer schärfere Sanktionen. Damit wird die Hoffnung wachgehalten, dass ein Krieg verhindert, aber der Kollaps des nordkoreanischen Systems ein wenig beschleunigt wird und sich das Problem durch eine irgendwie geartete Vereinigung auflöst. Denn eines sollte Befürwortern von Menschenrechten klar sein: Die Drohungen der USA, Nordkorea anzugreifen, mögen empörend sein. Aber ein derart unterdrückerisches Regime, das viele Bürger in Arbeitslagern zu Tode kommen lässt und die Massen zum Wohle einer kleinen Elite am Hungertuch nagen lässt, hat keine Bestandsgarantie verdient.

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