Saudi-Arabien Langjähriger Ölminister muss seinen Posten räumen

Der Ölpreisverfall reißt tiefe Löcher in Saudi-Arabiens Haushalt. Nun will das Land unabhängiger von dem Geschäft mit dem Schwarzen Gold werden. Das kostet einen mächtigen Minister seinen Job.

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REFILE - ADDING USAGE RESTRICTIONS Saudi Arabia's Oil Minister Ali al-Naimi attends a news conference with Morocco's Energy Minister Abdelkader Amara in Rabat, April 7, 2016. REUTERS/Stringer EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE Quelle: Reuters

Riad/Dubai Saudi-Arabiens langjähriger Ölminister Ali al-Naimi ist entlassen worden. Das zum Energieministerium umbenannte Ressort übernehme der bisherige Gesundheitsminister Chaled al-Falih, der auch Chef der Erdöl-Fördergesellschaft Saudi Aramco ist, hieß es in einem am Samstag veröffentlichten königlichen Dekret. Al-Naimi hatte die saudi-arabische Ölpolitik mehr als 20 Jahre lang bestimmt. Bevor er 1995 Ölminister wurde, war er Präsident von Saudi Aramco. Er galt als einflussreiche Figur im Ölkartell Opec. Unter seiner Führung hielt Saudi-Arabien bisher daran fest, die Ölproduktion trotz des weltweiten Preisverfalls nicht zu drosseln.

Seit der Thronbesteigung König Salmans Anfang 2015 bestimmt Kornprinz Mohammed bin Salman mit einer Handvoll neuer Minister die Wirtschaftspolitik Saudi-Arabiens. Die Regierungsumbildung kommt rund zwei Wochen, nachdem Saudi-Arabien einen Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt hat, der die Abhängigkeit des Landes vom Öl vorantreiben soll. Mit einer Fördermenge von mehr als zehn Millionen Barrel am Tag ist Saudi-Arabien der derzeit größte Erdöl-Exporteur unter den Opec-Staaten.

Dass die Saudis unabhängiger von dem Rohstoff werden wollen, wundert nicht: Seit 2014 hat der Ölpreisverfall die saudi-arabischen Finanzreserven stark angegriffen. Kostete ein Barrel der richtungsweisenden Sorte Brent im Sommer 2014 noch 110 Dollar, rutschte der Preis im Januar dieses Jahres auf ein Tief von 30 US-Dollar je Barrel.

Für den saudischen Staatshaushalt ist das eine enorme Belastung: 120 Milliarden US-Dollar an Reserven sind bereits weggeschmolzen. Für 2015 verzeichnete das Königreich ein Rekorddefizit von 98 Milliarden Dollar (87 Milliarden Euro). 2016 soll es laut Prognosen auf 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anwachsen. Und eine Stabilisierung des Ölpreises ist nicht in Sicht. Lediglich eine Reduzierung der weltweiten Erdölfördermenge würde den Preis – zumindest auf kurze Sicht – wieder nach oben treiben. Doch weil Erzrivale Iran sich quer stellt, ist das für das Königreich keine Option.

Ein zentraler Schritt, um die Abhängigkeit vom Energiesektor zu verringern, ist der geplante Börsengang des staatlichen Energiekonzerns Aramco. Das Unternehmen überragt die Konkurrenz bei weitem. Der Konzern verfügt über Rohölreserven von 265 Milliarden Barrel, das sind mehr als 15 Prozent der globalen Vorkommen. Seine Tagesproduktion von über zehn Millionen Barrel entspricht der dreifachen Fördermenge der weltweit größten börsennotierten Ölgesellschaft Exxon Mobil. Aramco ist damit der weltgrößte Ölproduzent, gilt als eines der wertvollsten Unternehmen der Welt und soll mit mehr als zwei Billionen Dollar bewertet werden, was ein Rekord wäre.


Weltgrößter Staatsfonds in Planung

Neue Börsenreformen sollen die Privatisierung von Aramco erleichtern. Die Kapitalmarktbehörde CMA hatte am Dienstag angekündigt, einige Begrenzungen für ausländischen Besitz zu lockern und andere ganz zu streichen. So sollen nicht-saudische Investoren bis zu zehn Prozent statt bislang bis zu fünf Prozent an Unternehmen halten dürfen.

Auch Universitätsstiftungen erhalten Zugang. Saudi-Arabien hatte im Juni die Börse in Riad für Ausländer geöffnet. Das Interesse blieb jedoch überschaubar: Weniger als ein Prozent des Marktes von 408 Milliarden Dollar ist bislang in ausländischen Händen.

Experten zeigten sich erfreut über die Ankündigung der Kapitalmarktbehörde: „Das wird die Börse in Gleichklang mit den internationalen Märkten bringen und ausländische Investoren bewegen, ihr Geld in saudische Aktien zu investieren“, sagte Sebastien Henin von der Beratungsgesellschaft „The National Investor“ in Abu Dhabi. Der Zeitrahmen für die Reformen dämpft die Euphorie allerdings etwas: Der CMA zufolge soll erst Mitte 2017 angekündigt werden, wann die Neuerungen in Kraft treten.

Bei dem Börsengang von Aramco gehe es aber nicht allein ums Geld, unterstrich Prinz Salman in einem Interview mit dem TV-Kanal „Al Arabiya“. Vielmehr solle Saudi Aramco zu einer gigantischen Industrieholding umstrukturiert werden, zum Vorreiter für Transparenz in der neuen saudischen Wirtschaftswelt werden und die Verkaufserlöse zum Teil des weltweit größten Staatsfonds werden.

Durch Aramco-Aktienverkäufe, die 600 Milliarden Dollar Währungsreserven und weitere Privatisierungen bisher staatlicher Firmen und Immobilien soll das Vermögen des „Public Investment Fonds“ auf umgerechnet 2000 Milliarden von 160 Milliarden Dollar ausgebaut werden. Microsoft und Google/Alphabet sind zusammen „nur“ 1,4 Billionen Dollar wert. Auch Gesundheitsfirmen, die nationale Fluggesellschaft, Telekom- und andere Staats-Unternehmen sollen ebenfalls zu diesem Zweck veräußert werden.

Wichtiger als die Größe ist aber die Anlagestrategie des saudischen Staatsfonds. Künftig will man stärker in ausländische Firmen investieren – und der mächtige Staatsfonds soll dabei zum Dreh- und Angelpunkt werden. „Erste Daten zeigen, dass der Fonds mehr als zehn Prozent der weltweiten Anlagekapazitäten kontrollieren wird“, erläuterte Prinz Mohammed, Saudi-Arabien solle mit seiner Hilfe zu einem Global Player und zu einer durch Investments getriebenen Wirtschaft gemacht werden.

Bereits früher angekündigt wurden Pläne, die ausufernden Staatsausgaben zu zügeln, durch die Einführung einer Mehrwertsteuer und Privatisierungen neue Einnahmequellen zu erschließen sowie den Bildungssektor zu reformieren. Der Anteil des Privatsektors an der Wirtschaftsleistung soll auf 60 von 40 Prozent gesteigert werden. Die Arbeitslosenquote soll auf 7,6 von elf Prozent sinken. Details dazu wurden von Prinz Mohammed nicht präsentiert. Ebenso blieb unklar, ob es Änderungen im politischen System der absoluten Monarchie geben soll.

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