Schäuble in Washington Endlich mal nicht der Buhmann der Welt

Stress wegen Griechenland, Überschüssen und teutonischer Haushaltsdisziplin - der Finanzminister ist Kritik gewohnt. Doch beim traditionellen IWF/Weltbanktreffen lenkt diesmal ein anderer die kritische Aufmerksamkeit auf sich.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am 20. April in Washington. Quelle: dpa

Die Zahl hätte nicht passender eintreffen können. 3,9 Prozent betrug der Primärüberschuss Griechenlands zuletzt. Vereinbart waren 3,5 Prozent, und darauf hatten die Deutschen stur beharrt und ließen sich nicht auf 1,5 Prozent herunterhandeln. Die deutsche Delegation, die wieder in der US-Hauptstadt beim Frühjahrstreffen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank aufschlägt, ist zufrieden. Was hatten sich Minister Wolfgang Schäuble und seine Leute immer anhören müssen, rücksichtslos, gefühllos, auf Prinzipien beharrend sei man. Und nun diese (zwischenzeitliche) Erfolgsmeldung aus Griechenland, die Deutschlands Beharren auf eigene Anstrengungen der Griechen zu bestätigen scheint.

Auch der ständige Vorwurf von IWF-Chefin Christine Lagarde, den wechselnden US-Finanzministern und vielen anderen Teilnehmern, die Deutschen müssten mal wieder neue Schulden machen und so ihre Wirtschaft und die der Welt ankurbeln, ist diesmal nicht laut zu hören.

Warum? Die globale Wirtschaft gewinnt an Schwung, der IWF hat gerade seine Prognose für das globale Wirtschaftswachstum auf 3,5 Prozent in diesem Jahr erhöht und für das kommende Jahr auf 3,6 Prozent gesetzt. Dabei hatte Schäuble immer wieder gesagt, dass Deficit Spending angesichts der ohnehin hohen öffentlichen Schulden bestenfalls ein Strohfeuer zu entfachen imstande sei. Statt dessen hatte Schäuble immer wieder die anderen gemahnt, Strukturreformen durchzuführen und so für langfristige Wachstumschancen zu sorgen. Selbst der Unmut über die deutschen Exportüberschüsse hält sich diesmal in Grenzen.

Und worüber sprechen die angereisten Finanzminister und Notenbankchefs in diesem Frühjahr 2017? Dass die Staaten endlich ihre Strukturreformen anpacken müssen, sagt Schäuble am Rande der Tagung zufrieden. Von einer "breiten Grundstimmung" spricht der Minister entspannt. Man müsse "mehr Gewicht auf Reformen als auf Geldpolitik legen". Und dann fällt sein Lieblingswort "Resilience" - die Widerstandskräfte gegen neue Krisen zu stärken. Zuhörer können das als Kritik an der amerikanischen Regierung aufnehmen, die gerade darüber berät, wie man die Regulierung für den US-Bankensektor nach der bald zehn Jahre zurückliegenden Bankenkrise wieder zurückdrehen könne.

Tatsächlich konzentrieren sich die Gespräche und Sorgen diesmal auf US-Finanzminister Steven Mnuchin. Die Angst vor einem rücksichtslos egoistischen Amerika unter Präsident Donald Trump ist groß. Man hat Angst vor Handelsprotektionismus. Lagarde, Schäuble, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Weltbankpräsident Kim und viele andere warnen vor den schädlichen Folgen einer abschottenden, merkantilistischen Handelspolitik.

Das würde alle treffen, auch die Amerikaner, sagt Bundesbankchef Weidmann. Und dann geistert die Sorge vor einer US-Steuerreform durch die Frühjahrstagung, bei der die Amerikaner Grenzsteuern auf Importe erheben und Steuererstattungen für ihre Exporte gewähren. In allen Gesprächen wird Mnuchin vor solch protektionistischen Maßnahmen gewarnt, die Verwerfungen für die Weltwirtschaft wären riesig.

Dabei hat Schäuble durchaus Verständnis für eine US-Steuerreform. "Die Unternehmenssteuersätze der Amerikaner sind mit die höchsten in der Welt", sagt der deutsche Minister und fügt hinzu, da sei "eine Menge Spielraum". Und wird noch deutlicher: "Wenn die USA ihre Unternehmensteuern senken auf europäisches oder internationales Niveau, das juckt mich überhaupt nicht. Im Gegenteil." Allerdings, so Schäuble auch deutlich, hält er nichts von einem Systemwechsel hin zu einer Besteuerung von Unternehmen nach dem Bestimmungslandprinzip und der heftig (auch in den USA) umstrittenen Grenzausgleichsteuer, die einige Republikaner um den US-Kongressabgeordneten Paul Ryan propagieren.

Mnuchin selbst will zunächst alle Optionen für eine Steuerreform prüfen, die Einführung einer Border Adjustment Tax scheint aber beim neuen US-Finanzminister nach all den Gesprächen mit amerikanischen Unternehmen, aber auch anlässlich der IWF/Weltbanktagung weniger wahrscheinlich geworden zu sein.

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