Schießerei in Texas Massaker ohne Folgen

Ein Mann schießt 26 Menschen in einer Kirche in Texas nieder. Er hatte persönliche Motive. Trotz solcher Tragödien – in den USA keine Seltenheit - will die Regierung von verschärfter Waffenkontrolle nichts wissen.

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Eine Frau wendet sich nach ihrem Besuch von dem Mahnmal für die Opfer der Massenschießerei ab. Quelle: AP

New York Es ist eines jener Dörfer, in denen die Menschen ihre Haus- und Autotüren nicht abschließen. In dem Ort befinden sich eine Postbehörde, eine Tankstelle und die Kirche. Sutherland Springs zählt 360 Einwohner. Bis an diesem Sonntag der ehemalige Soldat Devin K. mit einem Gewehr bewaffnet im Mittelgang der First-Baptist-Kirche das Feuer eröffnete und 26 Menschen tötete. Eins der Opfer war die Mutter seiner Schwiegermutter.

Es ist die größte Massenschießerei in Texas und sie kommt nur fünf Wochen nach dem Massaker von Las Vegas, bei dem 58 Menschen ihre Leben verloren. Doch von einer stärkeren Waffenkontrolle will US-Präsident Donald Trump bislang nichts wissen. Er spricht lieber von nationaler Einheit: „In dunklen Zeiten wie diesen machen Amerikaner das, worin wir am besten sind: Wir halten zusammen. Wir reichen uns die Hände, kreuzen die Arme, und durch Tränen und Trauer stehen wir aufrecht und stark“, sagte er in einer Ansprache in Japan, wo er derzeit zu Besuch ist.

Auf die Nachfrage nach härteren Waffengesetzen während einer Pressekonferenz tut er den Grund für das Massaker in Texas als „psychisches Problem auf höchstem Niveau“ ab. „Wir haben ein Problem mit psychischer Gesundheit, nicht mit Waffen“, sagte er. „Es ist ein sehr, sehr trauriges Ereignis.“ Psychische Probleme seien in den USA verbreitet, wie auch in anderen Ländern. „Zum Glück hatte jemand anderes eine Waffe, die in die entgegengesetzte Richtung schoss. Sonst hätte es viel schlimmer kommen können.“

Damit vertritt Trump die Position der National Rifle Association (NRA) – der starken US-Waffenlobby, die auch seinen Wahlkampf unterstützt hat: Wenn es böse Menschen mit Waffen gibt, braucht es gute, die die bösen erschießen können.
Tatsächlich hatte ein Nachbar auf den Attentäter geschossen, nachdem er bereits die Kirche verlassen hatte und dabei war, in sein Auto zu steigen. Die Nachbarn folgten dem Täter, bis der sein Auto zu Schrott fuhr und später tot aus dem Fahrzeug geborgen wurde. Unklar war zunächst, ob ihn der Schuss oder der Aufprall tötete.

Devin K. zeigte schon vor dem mörderischen Akt gewaltsame Züge: Er wurde unehrenhaft aus dem Militär entlassen, wo er bei der Air Force arbeitete. Dort war er vor fünf Jahren verurteilt worden, weil er seine Frau und seinen Stiefsohn angegriffen und dem Kleinkind sogar den Schädel gebrochen hatte. Eigentlich hätte er nach seiner Verurteilung und Entlassung aus der Armee keine Waffen mehr kaufen dürfen. Doch die Air Force hatte das FBI laut ersten Erkenntnissen nicht über die gewalttätige Vergangenheit des 26-Jährigen informiert.

Richtlinien im US-Verteidigungsministerium sehen vor, dass gegen Militärangehörige verhängte Urteile an das FBI weitergeleitet werden, wenn es um Straftaten wie beispielsweise Körperverletzung geht. Die Polizei nimmt diese Informationen dann in ihre nationale Datenbank auf.

Devin K. hatte es wohl auf die Familie seiner Frau abgesehen, wie am Montag bekannt wurde. Die Familie gehört der Kirchengemeinde an. Die Mutter seiner Schwiegermutter befand sich unter den 26 Personen, die bei dem Anschlag getötet wurden. Im Vorfeld hatte Devin K. laut der Polizei seiner Schwiegermutter drohende Kurznachrichten geschickt.

Orlando, Las Vegas, Texas. Jedes Mal werden nach Massenschießereien Rufe nach härteren Waffenkontrollen laut. Und jedes Mal ist die Antwort vor allem der Republikaner: Warme Gedanken und Gebete. Trump machte in seiner zehnmonatigen Amtszeit sogar ein Obama-Gesetz rückgängig, das Menschen mit geistiger Behinderung den Zugang zu Waffen erschweren sollte.

Die mangelnden Reaktionen nach solchen Ereignissen stehen im krassen Gegensatz zu dem, wie sich die Regierung nach dem Terroranschlag am Halloweenabend in New York verhielt: Trump wollte umgehend die Diversity-Visa-Lotterie beenden, ein Programm, das Ausländern die Chance auf eine dauerhafte Arbeitserlaubnis in den USA ermöglicht. Er ließ zudem die Öffentlichkeit wissen, dass er den Täter in das umstrittene Guantanamo-Gefängnis schicken wolle und er forderte sogar die Todesstrafe.

Ex-Präsident Barack Obama seinerseits forderte am Montag per Twitter Konsequenzen: Zunächst äußerte er sein Beileid für die betroffenen Familien. Dann fügte er hinzu: „Möge Gott uns auch die Weisheit geben, zu fragen, welche konkreten Schritte wir unternehmen können, um die Waffengewalt in unserer Mitte zu reduzieren“, schrieb er.

Auch sein damaliger Vizepräsident Joe Biden twitterte zu Texas: „Diese Tragödien sind nicht unausweichlich. Lasst heute nicht die Hoffnungslosigkeit gewinnen. Wir müssen uns weiter bemühen, der Waffengewalt vorzubeugen.“

Die Regierung will davon aber nichts wissen. Die Beraterin des Weißen Hauses, Kellyanne Conway, kritisierte sogar die Demokraten für ihre Forderung nach mehr Waffenkontrollen. Die schnelle Reaktion sei „respektlos gegenüber den Toten“.

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