Schuldenstaat Der italienische Patient

Italien entwickelt sich zum größten Problem der Euro-Zone: Der Schuldenberg ist riesig, die Bereitschaft für Reformen winzig. Der Regierungschef ist schwer angeschlagen, Rücktrittsgerüchte machen die Runde.

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Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Quelle: handelsblatt.com

Vor dem Euro-Gipfel, der heute Abend beginnt, liegen in vielen europäischen Hauptstädten die Nerven blank. Nirgendwo aber ist die Lage dramatischer als in Rom, wo die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Abgrund steht.

Italienische Medien berichten, dass Berlusconi angeblich zum Rücktritt bereit sein soll. Der angeschlagene Regierungschef habe mit Umberto Bossi vom Koalitionspartner „Lega Nord“ einen geheimen Pakt vereinbart, der Neuwahlen im März 2012 vorsehe, schreibt die römische Zeitung „La Repubblica“, ohne Quellen für diese Information zu nennen. Auch die Turiner „La Stampa“ berichtete von einer Vereinbarung in der Mitte-Rechts-Koalition, im Frühjahr nächsten Jahres vorgezogene Wahlen abzuhalten. Die Legislaturperiode läuft regulär im Frühjahr 2013 aus.

Streit ums Renteneintrittsalter

Bossi habe diese Vereinbarung mit Berlusconi in einem nächtlichen Gespräch vor dem EU-Gipfel geschmiedet, auf dem Brüssel von dem hoch verschuldeten Italien schriftliche Zusagen über Sanierungen erhalten wollte. Der Chef der populistischen Lega Nord habe als Gegenleistung in dem Pakt widerstrebend einer Anhebung des Rentenalters zugestimmt. Man erspare ihm die „Blamage“, in Brüssel mit leeren Händen anzukommen, soll Berlusconi gesagt haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.

Trotz der Einigung über einige Reformvorhaben hatte Bossi öffentlich Zweifel am Fortbestand der Regierung geäußert. Er sei pessimistisch, ob die Regierungskoalition überleben werde, sagte er wörtlich. Die Europäische Union müsse entscheiden, ob die beschlossenen Reformschritte ausreichten. 

Besonders umstritten ist die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 von bislang 65 Jahren – und hier wird Brüssel ganz genau hinsehen. Denn die Lega Nord hat zwar das neue Eintrittsalter akzeptiert, eine Änderung bei der Zahl der nötigen Dienstaltersjahre bis zur Pensionierung allerdings abgelehnt. Bislang können Italiener ab 60 Jahren in den Ruhestand gehen, wenn sie mindestens 36 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben - ab 40 Arbeitsjahren kann jeder in Rente gehen.

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