Schwarze Zahlen Deutschland glänzt als Haushaltsprimus in Europa

Die deutsche Konjunktur brummt. Das wirkt sich positiv auf den Haushalt aus: Trotz Flüchtlingskrise und steigender Sozialkosten hat der Bund einen Überschuss erzielt. Die Länder dagegen schreiben eine „rote Null“.

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Mit Deutschland seien im vergangenen Jahr vermutlich nur Estland und Luxemburg in der EU ohne weitere Schulden ausgekommen, schätzt die Kommission. Quelle: dpa

Berlin Rekordbeschäftigung, steigende Löhne, geringe Zinskosten: Die gute Konjunktur hat dem deutschen Staat 2015 mit 16,4 Milliarden Euro den zweithöchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung beschert. In der mit den Nachwehen der Finanz- und Schuldenkrise kämpfenden Euro-Zone steht Deutschland damit allein auf weiter Flur. Nach Schätzung der EU-Kommission konnten bestenfalls Estland und Luxemburg ohne Defizit auskommen, während die anderen 16 Staaten neue Schulden anhäuften. Experten gehen davon aus, dass Deutschland ungeachtet steigender Kosten für Flüchtlinge weiter schwarze Zahlen schreibt.

Der Überschuss von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung entspricht 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). „Insgesamt hatte es seit der deutschen Vereinigung nur im Jahr 2000 einen etwas höheren Überschuss gegeben“, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Dieter Sarreither, am Donnerstag in Berlin. „Damals jedoch aufgrund einmaliger Erlöse aus dem Verkauf von UMTS-Mobilfunklizenzen.“ Bereits 2014 gab es ein Plus von 8,9 Milliarden Euro, 2013 dagegen noch ein Defizit von 3,1 Milliarden. Deutschland besitze durch das erneute Plus „ein Alleinstellungsmerkmal“, sagte Sarreither.

Nachbar Frankreich etwa – nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion – rechnet für das abgelaufene Jahr mit einem Defizit von 70 Milliarden Euro. Erst 2017 soll die EU-Obergrenze für die Neuverschuldung von drei Prozent des BIP wieder eingehalten werden, sagte Finanzminister Michel Sapin in Paris.

Der zweite Überschuss in Folge weckt in Deutschland Begehrlichkeiten. „Die für 2016 angekündigte Investitionsoffensive für die öffentliche Infrastruktur ist überfällig“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. Experten gehen davon aus, dass der Staat sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr weiter schwarze Zahlen schreibt. „Wir haben nach wie vor eine gute wirtschaftliche Entwicklung“, sagte Steuerschätzerin Kristina van Deuverden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent, nachdem es 2015 noch 1,7 waren.


Bundesländer schreiben „rote Null“

Eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist allerdings die Flüchtlingskrise. „Wenn die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland im Jahr 2016 um eine Million Menschen höher liegt, steigen die Kosten auf 30 Milliarden Euro“, sagte der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemems Fuest. Bereits 2015 kamen 1,1 Millionen Flüchtlinge in die Bundesrepublik – mehr als doppelt so viel wie erwartet. Viele Experten rechnen mit einer ähnlich hohen Zuwanderung in diesem Jahr. Trotzdem wird sich die Regierung nach Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel „bemühen“, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu erreichen.

Für volle Staatssäckel sorgte 2015 vor allem die gute Konjunktur. Die Steuer- und Beitragseinnahmen nahmen mit 3,6 Prozent stärker zu als die Ausgaben, die um 3,0 Prozent anzogen. „Dabei erhöhten sich die monetären Sozialleistungen kräftig“, sagte Sarreither. Das lag zum einen an spürbaren Rentenerhöhungen, zum anderen am starken Zustrom von Flüchtlingen und den damit verbundenen Kosten für deren Verpflegung und Unterbringung. Dagegen konnten viele Milliarden an Kosten gespart werden, weil die Zinsen so niedrig liegen wie nie zuvor.

Der größte Überschuss gelang Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit gut zwölf Milliarden Euro. Sondereffekte spielten hierbei auch eine Rolle: So spülte der Verkauf von Mobilfunklizenzen rund drei Milliarden Euro in die Kasse. Die Bundesländer schlossen dagegen mit einer "roten Null" ab: Sie meldeten ein minimales Defizit von 60 Millionen Euro. Die Kommunen sowie die Sozialversicherung - von den gesetzlichen Krankenkassen bis zur Bundesagentur für Arbeit - kamen auf ein Plus von jeweils rund zwei Milliarden Euro.

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