Seidenstraße Chinas Jahrhundertprojekt brüskiert Europa

Die „Neue Seidenstraße“ soll Chinas Handel beleben. Doch das Milliardenprojekt erlebt einen holprigen Start. Europa fühlt sich düpiert und Indien will die Handelsroute sogar boykottieren.

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Der chinesische Außenhandel soll durch eine neue Seidenstraße weiter florieren. Quelle: dpa

Peking Mit mehr als 100 Milliarden Euro will Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping seine ehrgeizige Initiative einer „Neuen Seidenstraße“ in Schwung bringen. Zum Auftakt des zweitägigen Gipfels in Peking über die Entwicklung neuer Wirtschaftskorridore zwischen Asien, Afrika und Europa zeigten besonders ärmere Staaten Interesse an Infrastrukturprojekten. Das Treffen war aber überschattet von einem Eklat zwischen Gastgeber China und den EU-Mitgliedern, einem Anschlag gegen ein „Seidenstraßen“-Projekt in Pakistan, dem Boykott des Rivalen Indien und dem neuen Raketentest Nordkoreas.

Vor Vertretern aus mehr als 100 Ländern, darunter 29 Staats- und Regierungschefs, warb Xi Jinping für sein „Jahrhundertprojekt“. Er stellte insgesamt 840 Milliarden Yuan, umgerechnet 111 Milliarden Euro, an Kapital aus verschiedenen Quellen in Aussicht. Er knüpfte an den Mythos der antiken „Seidenstraße“ als Brücke für Austausch und Zusammenarbeit an. „Nie zuvor haben wir eine solche gegenseitige Abhängigkeit zwischen Ländern gesehen wie heute.“

Er plädierte für Kooperation und versicherte, China habe mit der Initiative nicht die Absicht, „anderen seinen Willen aufzuzwingen“. Doch kam es zum Eklat mit den EU-Staaten, als China deren Anliegen nicht in ein geplantes gemeinsames Papier zum Handelsdialog aufnehmen wollte. Daraufhin lehnten es die EU-Mitglieder nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geschlossen ab, den Text mitzutragen.

„Was mit der gemeinsamen Erklärung wird, das sehen wir morgen“, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Bislang fehlten in dem Papier etwa Hinweise auf freien Handel oder gerechte Wettbewerbsbedingungen. Den Forderungen der Europäer sei nicht nachgekommen worden. „Deswegen sagen wir im Moment, wenn das nicht geschieht, dann können wir nicht unterschreiben“, sagte Zypries.

Die Ministerin setzte sich für freien Handel und mehr Marktzugang in China ein. Es gebe „zahlreiche Beschwerden“. „Wir möchten gerne, dass deutsche Unternehmen genau so auf dem chinesischen Markt tätig sein können wie chinesische Unternehmen in Deutschland kaufen und als Investoren zu 100 Prozent tätig seien können“, sagte Zypries. „Das ist nach wie vor ein Problem zwischen unseren Staaten.“

Der neue nordkoreanische Raketentest kurz vor Beginn des Treffens sorgte für Verärgerung. Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin äußerten bei einem Treffen ihre Sorge, „wie sich die Lage entwickelt und die Spannungen steigen“. China hatte auch eine Delegation aus Nordkorea zu dem Gipfel eingeladen, was wegen des Streits um das Atom- und Raketenprogramm und der Sanktionen auf Kritik der USA gestoßen war.


Heftiger Widerspruch aus Indien

Auf dem Gipfel geht es um Chinas Pläne für die Entwicklung eines modernen Verbindungsnetzes mit Korridoren entlang der antiken Handelsrouten der „Seidenstraße“. Für die Investitionen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken und andere Infrastrukturprojekte stellt China Milliardenhilfen bereit. In einer Rede begrüßte Putin die Initiative. Frühere Entwicklungsmodelle seien gescheitert. „Wir brauchen frische Ideen, die frei von Klischees sind.“ Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte großes Interesse.

UN-Generalsekretär António Guterres sprach sich für eine gerechtere Entwicklung in der Welt aus. Die „Seidenstraßen“-Initiative habe „großes Potenzial“, sollte aber auch mit den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen verbunden werden. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, sagte, um alle Finanzquellen zu mobilisieren, bedürfe es eines Finanzsystems, das auch für alle funktioniere - unter anderem für Entwicklungsländer oder auch kleinere Unternehmen.

Die Risiken der Vorhaben in instabilen Ländern zeigte ein tödlicher Angriff auf Arbeiter eines „Seidenstraßen“-Projekts in Pakistan am Vortag in der Nähe des strategisch wichtigen Hafens Gwadar. Zehn Menschen wurden getötet. Hinter dem Anschlag werden Rebellen vermutet, die gegen die chinesische Präsenz sind. Das Projekt ist Teil des China-Pakistan-Korridors, der Xinjiang im Nordwesten Chinas mit der pakistanischen Küste verbindet.

Indien stört sich an dem Korridor, da er durch das von Indien beanspruchte Kaschmir läuft. Neu Delhi boykottierte deswegen den „Seidenstraßen“-Gipfel. „Kein Land kann akzeptieren, dass ein Projekt seine Kerninteressen bezüglich Souveränität und territoriale Integrität ignoriert“, sagte ein Außenamtssprecher in Neu Delhi.

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