Senatswahlen mit Sensationsergebnis Trump verliert Sweet Home Alabama

Die Demokraten in den USA haben ein neues Lieblingslied. Sie haben in „Sweet Home Alabama“ den Republikanern erstmals seit 1992 einen Senatssitz abgenommen. Eine Wahl mit vielen Gewinnern und mächtigen Verlierern.

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San Francisco Er hielt nicht einmal die einfachsten Regeln des politischen Anstands ein. Roy Moore, unterlegener republikanischer Kandidat für den Senatorensitz in Alabama, verzichtete am späten Dienstagabend darauf, den Wahlsieger anzurufen. Anstatt dem Überraschungswinner Doug Jones von den Demokraten zu gratulieren, konstatierte nur trotzig: „Es ist noch nicht vorbei“. Dann verließ Moore vorzeitig seine eigene Wahlparty.

Als Starredner war der frühere Chefstratege von Donald Trump, Steven Bannon, angekündigt. Aber auch er zog es vor, kommentarlos den Hinterausgang zu nehmen. Wahlwahnsinn in Alabama, dem konservativsten aller konservativen Staaten der USA, republikanisch durchgefärbt bis ins Mark. Seit 25 Jahren konnten die Demokraten nicht mal Anstandserfolge bei Senatswahlen erzielen.

Das ist nun vorbei. Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen hatte Jones 49,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. 1,7 Prozent der Stimmen gingen an Kandidaten von Splitterparteien, der Sieg war für Moore nicht mehr zu erreichen. Obwohl Alabama nur ein sehr kleiner Staat ist, erschüttert das Ergebnis auch Washington. Die Mehrheit von Donald Trumps Republikanern im Senat schwindet auf 51 zu 49. Das macht das Regieren für Trump noch schwerer als ohnehin schon.

Die Gewinner:

Doug Jones: Dem vor einem Monat noch als chancenloser Außenseiter gehandelte Kandidat gelang eine fulminante Aufholjagd, nachdem sich sein 70-jähriger Gegner und Favorit immer tiefer in Vorwürfe verstrickte, er habe sich im Alter von über 30 Jahren Teenagern unsittlich genähert. Das jüngste Opfer soll 14 Jahre gewesen sein. Jones vermied es im Wahlkampf auf die Vorwürfe einzugehen und ließ sie alleine wirken.

Hillary Clinton: „Wenn wir in Alabama gewinnen können, können wir überall um den Sieg kämpfen“, rief Clinton einer applaudierenden Menge zu, nachdem das Ergebnis bekannt war. Clinton will in den kommenden „Midterm-Elections“ 2018 eine starke Rolle in der Partei spielen und helfen, mindestens zwei Senatssitze für die Partei zu gewinnen und keinen zu verlieren, um eine Mehrheit im Senat zu erlangen. Trump wäre zur „Lame Duck“ degradiert, der keine Gesetze mehr ohne die Demokraten durchbringen kann.

#MeToo-Bewegung: Die anschwellende #MeToo-Bewegung von Frauen gegen sexuelle Belästigung feierte in Alabama ihren wohl größten Erfolg. Bislang mussten Männer aus bestehenden Positionen zurücktreten, wenn ihnen Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte. Nun wurde erstmals ein Kandidat aus dem Wahlkampf für eines der wichtigsten Ämter des Landes gedrängt.

Die konservativen Republikaner: Die Partei war zutiefst zerrissen, wie sie mit dem ungeliebten Kandidaten, der alle Forderungen nach einem Ausstieg aus dem Wahlkampf ignorierte, umgehen sollte. Nach einem Wahlsieg hätte es direkt eine Untersuchung der Ethikkommission zu den Vorwürfen gegeben. Am Ende hätte die Partei den siegreichen Moore hochnotpeinlich selbst aus dem Senat werfen müssen. Das bleibt ihnen jetzt erspart und sie haben einen moralischen Bonus zurückerobert. Die konservative Wählerschaft hat das Stigma abgeschüttelt, sie würden alles machen, nur um an der Macht zu bleiben. Dafür spricht auch die relativ geringe Wahlbeteiligung von geschätzten 35 Prozent. Viele Republikaner sind offenbar lieber zuhause geblieben.


Die Verlierer

Roy Moore: Obwohl er alle Vorwürfe als haltlos zurückwies, die Frauen, ihre Zeugen und Unterstützer als Lügner diskreditierte, mit einem Revolver auf der Bühne erschien und auf seinem Pferd mit Cowboyhut zur Wahl ritt, konnte er die konservative Mehrheit nicht mobilisieren. Zwar stimmten 74 Prozent der weißen Männer und 65 Prozent der weißen Frauen für ihn, aber 97 Prozent der farbigen Wähler wandten sich von ihm ab. Das ist ein Weckruf für die Demokraten. Wenn sie endlich wieder hart um die Stimmen der farbigen Wähler kämpfen, können sie auch gewinnen.

Donald Trump: Nachdem er sich lange zurückgehalten hatte, gab der US-Präsident doch eine klare Wahlempfehlung für Moore ab. Trump hatte 2016 Alabama mit großem Vorsprung vor Hillary Clinton gewonnen und gehofft, seine Popularität würde weiter angebremst anhalten. Das war ein Trugschluss, seine Unbesiegbarkeit hat einen Knacks erhalten, und das ausgerechnet in einem Super-Trump-Bundesstaat. Das wird Auswirkungen auf die kommenden Wahlen haben.

Steven Bannon: Der frühere Chefstratege von Donald Trump hat Moore massive Wahlkampfhilfe geleistet und die Wahl als Endkampf der aufrechten Bürger gegen das Establishment aus Washington beschworen. Washingtoner Republikaner in Zusammenarbeit mit gottlosen Liberalen wollten seiner Meinung nach einen aufrechten Konservativen mit Lügenkampagnen vernichten. Die Wähler haben es ihm nicht abgenommen. Seine Kampagne gegen das „Establishment“ hat einen Rückschlag erlitten.

Mitch McConnell: Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat hat nach Aufkommen der Anschuldigungen zwar intuitiv richtig gehandelt, sich von Moore losgesagt und seinen Ausstieg aus dem Wahlkampf gefordert. Aber letztlich hat seine Autorität nicht gereicht, einen neuen Kandidaten durchzudrücken. Am Ende musste er hilflos mitansehen, wie Moore Alabama an die Demokraten übergeben hat. Auch die Schmutzkampagne von Bannon wird an McConnell hängenbleiben.

Der Sieg in der Schlacht um „Sweet Home Alabama“ wird direkte Auswirkungen auf die Politik der USA haben. Es wäre extrem wichtig, dass Trumps großes Steuersenkungspaket vor dem Amtsantritt von Jones in trockene Tücher gebracht wird. Ist Jones vereidigt, würde schon eine Neinstimme aus dem eigenen Lager das Projekt zu Fall bringen. Dann würde sich die Liste der Verlierer noch einmal verlängern.

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