Serdar Somuncu

Ein wütender Brief an den IS

Der islamische Terrorismus führt einen Krieg gegen Unsichtbare. Das muss enden. Ein Wutausbruch.

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Quelle: Laif

Findet ihr nicht, dass es langsam reicht. Warum tötet ihr uns? Warum greift ihr uns an? Was haben wir euch getan? Seid ihr wütend auf unsere Ignoranz? Seid ihr eifersüchtig auf unser Leben, haltet ihr euch für klüger oder erhaben? Sind wir für euch die Schuldigen?

Dann macht es richtig und nicht Schritt für Schritt. Macht es mutig, erklärt uns den Krieg und vernichtet uns. Aber nicht so feige. Aus dem Hinterhalt. Gegen hilflose Menschen, Frauen und Kinder. Ist das eure Religion? Sind das eure Gegner? Unschuldige Menschen zu ermorden ist kein Auftrag von Gott.

Bereitet es euch Lust, eure Taten nachher zu feiern? Was muss das für ein elender Gott sein, an den ihr glaubt. Es ist kein Gott der Weisheit, der Barmherzigkeit und der Menschlichkeit. Es ist ein stummer und blinder Krüppel, den ihr in eurem Wahn aus ihm gemacht habt.

Zum Autor

Das, was euch treibt, ist die Lüge, an die ihr glaubt. Und diejenigen, die euch diese Lüge erzählen, haben sich verschworen gegen etwas, das sie selbst nicht mehr kennen und sehen. Sie führen Krieg gegen das Unsichtbare. Sie halten sich selbst für Opfer, und sie wollen euch zu Tätern machen.

Warum geht ihr diesen Blendern in die Falle? Habt ihr nichts anderes, an das ihr glauben könnt? An die Schönheit des Lebens und der Liebe. An die Freiheit und den Frieden. Ich glaube daran, und ich werde nicht aufhören, daran zu glauben.

Ich kämpfe für meine Meinung nicht mit Waffen, sondern mit Argumenten, und ich lasse mir von niemandem verbieten, sie zu sagen. Aber ich töte nicht für meine Meinung. Ich gehe nicht über Leichen für meinen Glauben. Ich versuche zu überzeugen. Eure Überzeugung ist der Hass. Ihr seid verblendet, auf einen Abweg geraten, und ihr findet kein Zurück mehr.

Die Gegner des Islamischen Staates

Was ihr wollt, ist nur Rache. Aber ihr rächt euch an den Falschen.

Als der Krieg in eurem Land begann, sind viele von uns auf die Straße gegangen, auch Menschen, die ihr jetzt umbringt. Viele haben Widerstand geleistet und demonstriert, sie waren wütend und haben protestiert. Viele haben auch weggeschaut und ignoriert.

Aber sind wir deshalb so schuldig, dass ihr uns jetzt dafür richten müsst?

Lasst euch sagen, dass nicht alle Menschen, gegen die ihr in eurem Wahn seid, weggeschaut haben, und nicht jeder, den ihr für euren Feind haltet, hat eure Verachtung verdient.

Die gefährlichsten Krisengebiete der Welt
Syrien und IrakIn den Konflikten in Syrien und im Irak gehört die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu den stärksten Kriegsparteien. Sie beherrscht in beiden Ländern große Gebiete, in denen sie ein „Kalifat“ errichtet hat. Im syrischen Bürgerkrieg bekämpfen sich zudem das Regime und seine Gegner. Die Armee ist mit starker Hilfe von Kämpfern aus dem Iran, von der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah sowie von der russischen Luftwaffe auf dem Vormarsch. Die moderate Opposition wird vom Westen unterstützt. Quelle: AP
Ukraine Quelle: dpa
Nigeria Quelle: dpa
Libyen Quelle: dpa
Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer Quelle: dpa
Nordkorea Quelle: dpa
Afghanistan Quelle: dpa

Die Ungerechtigkeit, gegen die ihr kämpft, ist zur Selbstgerechtigkeit geworden, von der ihr nicht mehr lassen könnt.

Ist dies der Weg, den euch euer Gott vorschreibt, oder ist es der Teufel, der in euch wütet? Warum wollt ihr uns in diesen grausamen Kreislauf aus Hass und Verachtung mit hineinziehen?

Dass all dies passiert während des heiligen Fastenmonats, zeigt, wie wenig ihr euch um eure eigene Glaubwürdigkeit kümmert. Euer Glaube ist nichts als ein Vorwand für euren ziellosen Hass. Am meisten aber hasst ihr euch selbst.

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