Goldene Zeiten für Demagogen und Apologeten. US-Präsident Donald Trump poltert „America first!“, der AfD-Rechtsaußen Bernd Höcke holpert vom deutschen Stolz zur „nationalen Schande“, Frauke Petry, Marine Le Pen und Geert Wilders stolpern an den Rand des immer einfacher zu entfachenden Simplizissimus rechtextremen Furors. Und was macht der Rest der vornehmen und aufgeklärten Gesellschaft? Abwarten, mahnen und ignorieren.
Dabei wäre jetzt die beste Zeit für eine Revolution der klügeren und besseren Gedanken und ein Umdenken aus der Mitte der rationalen Abwägung heraus. Stattdessen: kein Aufstand der Anständigen, wie er seinerzeit mehr oder weniger erfolglos vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder gefordert wurde.
Keine Kirche, die ihre moralischen Werte gegen den Angriff der Plumpheit in Schutz nimmt. Und kein Zusammenschluss von Intellektuellen und Industriellen, um die Grundfesten unserer aufgeschlossenen und diversifizierten Gemeinschaft zu verteidigen.
Wo bleibt jetzt der Aufschrei?
Donald Trump und seine „große, schöne Mauer“
Trump will auf dem gesamten Verlauf der 3200 Kilometer langen Grenze eine massive Mauer errichten. „Es wird kein Zaun, sondern eine Mauer“, bekräftigte er bei der Pressekonferenz am Mittwoch in New York. Sie soll bis zu 15 Meter hoch sein und aus Stahl und Beton errichtet werden. Nach einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) wären dafür 9,7 Millionen Kubikmeter Beton und 2,3 Millionen Tonnen Stahl nötig.
Experten rechnen mit Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe. Die bisherigen Grenzanlagen auf rund einem Drittel des Grenzverlaufs haben damals 2,5 Milliarden Dollar gekostet. Dabei handelt es sich überwiegend um Zäune an leichter zugänglichen Stellen. Das MIT rechnet mit Kosten von bis zu 40 Milliarden US-Dollar.
Zahlen muss zumindest zunächst einmal der US-Steuerzahler. Die Republikaner-Mehrheit im US-Kongress hat vermutlich die Möglichkeit, den Bau auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2006 zu genehmigen und auch die Finanzierung freizugeben, ohne dass die Demokraten dies blockieren können. Trump hat allerdings immer wieder versprochen, er werde Mexiko dazu zwingen, für die Mauer zu bezahlen.
Bei der Pressekonferenz in New York sagte Trump, es gebe verschiedene Möglichkeiten, wie Mexiko die USA für die Baukosten entschädigen könnte. „Es könnte eine Steuer oder eine Zahlung sein.“ Denkbar wäre, dass die US-Regierung die Überweisungen von in den Vereinigten Staaten arbeitenden Mexikanern an ihre Familien in Mexiko mit hohen Abgaben belegt. Rund 25 Milliarden Dollar fließen pro Jahr über die sogenannten Remesas nach Mexiko - mehr als die Erdöleinnahmen.
Die mexikanische Regierung will nicht für die Kosten der Mauer aufkommen. „Natürlich wird Mexiko nicht für die Mauer zahlen“, sagte Präsident Enrique Peña Nieto nach Trumps Pressekonferenz. Auch Finanzminister José Antonio Meade betonte bereits: „Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass sie nicht im Budget steht.“
Zumindest in einigen Abschnitten lauern juristische Fallstricke. Teile des Grenzgebiets stehen unter Naturschutz, andere sind in Privatbesitz. Ein 75 Meilen langer Abschnitt zwischen dem US-Bundesstaat Arizona und Mexiko wird von dem Indianerstamm Tohono O'odham verwaltet. Nur der Kongress könnte das Gebiet aus dem Trust herauslösen - das gilt als so gut wie unmöglich.
Auf rund 1000 Kilometern wird die Grenze bereits mit einem Grenzzaun geschützt. Zudem gibt es Kameras, Drohnen und Tausende Grenzschutzbeamte, die an der Grenze patrouillieren. Hinzu kommen natürliche Barrieren wie große Wüstengebiete, der Rio Grande oder der Nationalpark Big Bend in Texas.
Sie soll die illegale Einwanderung in die USA verhindern. „Mexiko schickt uns nicht seine Besten. Es sind Drogenhändler und Vergewaltiger“, sagte Trump im Wahlkampf. Tatsächlich ist die Netto-Einwanderung aus Mexiko in die USA wegen der sinkenden Geburtenquote, besserer Chancen in Mexiko und der schleppenden US-Wirtschaft bereits seit 2012 negativ.
Experten bezweifeln das. „Eine stärkere Grenzsicherung erhöht die Kosten eines illegalen Grenzübertritts, was dazu führt, dass die Menschen länger in den USA bleiben müssen, um die Reise profitabel zu machen“, sagt der Soziologe Douglas Massey von der Universität Princeton. Während Saisonarbeiter früher nur für die Ernte in die USA kamen und danach wieder nach Mexiko zurückkehrten, bleiben sie heute meist in den Vereinigten Staaten, weil sie befürchten müssen, es in der nächsten Saison nicht wieder in die USA zu schaffen.
So wie ihr es vorhabt, liebe Populisten und Wortverdreher, wird es nicht laufen! Auch, wenn ihr euch im Aufwind eurer absurden Theorien und Forderungen glaubt und behauptet, damit die schweigende Mehrheit zu repräsentieren, habt ihr die Rechnung ohne diejenigen gemacht, die eurer xenophoben Angstmache vor Terror und Islamismus nicht auf den Leim gehen und mit einem besonnenen Auge auf die sich verändernden Gegebenheiten unserer Zeit blicken können.
Denn wer eine Mauer zwischen Mexiko und den USA bauen will, der spricht nur den Einfältigen nach dem Mund. Der verschweigt vor allem aber auch, dass die Zahl der auswandernden Mexikaner aus den USA seit Jahren schon höher ist als die der einwandernden. Wer behauptet, Terror sei eine Spezialität aus fremden Kulturkreisen, der verschweigt, dass die Mehrzahl der Anschläge der letzten Jahre von hier aufgewachsenen und fanatisierten Migranten begangen wurden und vielmehr das Resultat einer fehlgeleiteten Integrationspolitik darstellen als das eines unkalkulierbaren Risikos eines immer aggressiver werdenden Islams.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Zumal der Zahl der Opfer von islamistischen Gewalttaten immer noch eine beträchtlich höhere Anzahl rechtsradikaler Anschläge entgegensteht. Wer von Lügenpresse und Fake News spricht, der vertuscht seine eigenen Ideen von nationalstaatlichem Alleinherrschaftsanspruch und chauvinistischer Arroganz. Und wer schließlich die Vorteile der Globalisierung für sich nutzt, der kann ihre Auswirkungen nicht ignorieren und verteufeln.
In diese nahtlos ineinander übergehenden Schnittstellen zwischen den Argumenten müsste man jetzt eigentlich einsteigen, um den Diskurs über eine Welt der Zukunft anzukurbeln, die wir uns besser und gerechter vorstellen.
Eine Welt, in der nicht die Verschärfung der Verhältnisse zur ultimativen Antwort auf unsere diffusen Ängste wird, sondern eine Welt, in der wieder humanistische Ethik zur zentralen Kraft im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung wird.