Was macht Donald Trump? Noch immer rätseln Journalisten, Unternehmen und Politiker, wie der neue US-Präsident tickt und was er noch alles vorhat. Orientierung geben sollen dabei auch private US-Denkfabriken, die derzeit Anfragen aus aller Welt erhalten. Über 1800 Thinktanks gibt es in den USA; gut ein Fünftel ist in der Hauptstadt Washington angesiedelt. Im Mittelpunkt des Interesses: die 1916 gegründete Brookings Institution.
In deren Namen erklärt in diesen Tagen zum Beispiel der Jurist Norman Eisen, wo sich Trump in Interessenkonflikte begibt. Außenexperte Thomas Wright ergründet, warum der neue Mann im Weißen Haus eine Außenpolitik des 19. Jahrhunderts betreibt. Und der ehemalige Obama-Mitarbeiter Bruce Katz schildert, wie Städte von der Trump-Ära profitieren können.
Thematische Breite, namhafte Washington-Insider und fundierte Analysen machen Brookings seit jeher zur ersten Anlaufstelle für die ratsuchende Öffentlichkeit. „Diese Denkfabrik hat sich als dominante Marke etabliert“, sagt James McGann von der University of Pennsylvania. Seit 2008 erstellt der Politikdozent ein Ranking über die führenden Thinktanks der Welt. Bisher stets die Nummer eins: Brookings. Die Denkfabrik ist aber mehr als ein reiner Politik-Erklärer. Sie vernetzt die Mächtigen und gibt Volksvertretern wissenschaftliche Argumente für ihre Politik mit auf den Weg.
Konstrukteure des Marshall-Plans
Schon Präsident Roosevelt bat Brookings um Rat, als er Anfang der Dreißigerjahre nach Wegen aus der Großen Depression suchte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs diskutierte Washington eine Idee von Außenminister George Marshall, das zerstörte Europa wiederaufzubauen. „Es wäre hilfreich, eine objektive Studie von einer unabhängigen Denkfabrik höchsten Standards zu bekommen“, wandte sich Senator Arthur Vandenberg damals an Brookings. In weniger als vier Wochen erarbeiteten die Experten eine 20-seitige Studie. Die Vorschläge wurden fast komplett umgesetzt, der Marshallplan war geboren. Bis Ende 1951 transferierten die USA zwölf Milliarden Dollar nach Europa – und zwei Jahre nach Inkrafttreten des Marshallplans produzierten Europas Volkswirtschaften 25 Prozent mehr Güter als vor dem Krieg. Historiker kürten den Plan Jahrzehnte später zum erfolgreichsten US-Bundesprogramm der Nachkriegsgeschichte.
Serie ThinkTanks
In einer neuen Serie stellt die WirtschaftsWoche die führenden internationalen Denkfabriken vor. Wer hinter ihnen steht. Wie ihre wirtschaftspolitische Agenda aussieht. Und wer auf ihren Rat hört.
Teil I: Brookings Institution (USA)
Heute arbeiten über 300 Experten für Brookings, darunter ehemalige Generäle und Präsidentenberater, Exbotschafter und der ehemalige Notenbankchef Ben Bernanke. Chef der Denkfabrik ist Strobe Talbott, früher Vizeaußenminister und ein enger Freund der Clintons. Er ist hoch angesehen, gilt aber als wenig visionär. Nicht nur aufgrund des Parteibuchs von Talbott – er ist Mitglied der Demokraten – wird Brookings oft dem linken Spektrum zugeordnet. Doch so eindeutig ist das nicht: Außenpolitisch gilt die Organisation als konservativ, hat etwa den harten Kurs von George W. Bush des Öfteren unterstützt. Dennoch dürfte die Trump-Regierung die Dienste von Brookings weniger in Anspruch nehmen als ihre Vorgänger; konservative Hardliner wie die Heritage Foundation könnten nun Marktanteile im Vordenkerbusiness gewinnen.
Diskussion um die Unabhängigkeit
Brookings ist – wie die meisten Thinktanks – nach eigener Definition eine Non-Profit-Organisation. Der Aufwand für Forschung und Expertensalärs ist allerdings hoch. Über 100 Millionen US-Dollar an Ausgaben stehen für das vergangene Geschäftsjahr in den Büchern. Das Geld fließt vor allem in fünf Schwerpunktbereiche: Außenpolitik, Wirtschaftswissenschaften, Weltkonjunktur/Entwicklung, Regierungsführung und Stadtentwicklung. Im letzten Geschäftsjahr warb Brookings 110,2 Millionen Dollar an Spenden ein. Zu den größten Unterstützern zählen die Bill & Melinda Gates Foundation, die Bank JP Morgan Chase, Microsoft – und die Regierungen der Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Auch die US-Regierung – etwa das Verkehrs- und Gesundheitsministerium – öffnet für Brookings die Taschen, wenn auch zurückhaltender als die ausländischen Gönner.
Die wichtigsten Denkfabriken der Welt 2016
Seit 2008 wird der "Global Go To Think Tank Index Report" jährlich vom unabhängigen "Think Tanks and Civil Societies Program (TTCSP)" der University of Pennsylvania erstellt.
Im Jahr 2016 wurden weltweit knapp 7000 ThinkTanks von über 2.500 Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten in einem mehrstufigen Verfahren analysiert. Die Befragten legten dem Ranking vor allem qualitative Kriterien, wie Reputation der Beschäftigten des ThinksTanks, Qualität und Reichweite ihrer Forschungsergebnisse oder den Einfluss auf Politik und Zugang zu Schlüsselinstitutionen zu Grunde.
Denkfabrik: Council on Foreign Relations (CFR)
Land: USA
Denkfabrik: Fundação Getulio Vargas (FGV)
Land: Brasilien
Denkfabrik: Woodrow Wilson International Center for Scholars
Land: USA
Denkfabrik: RAND Corporation
Land: USA
Denkfabrik: Bruegel
Land: Belgien
Denkfabrik: Carnegie Endowment for International Peace
Land: USA
Denkfabrik: Center for Strategic and International Studies (CSIS)
Land: USA
Denkfabrik: French Institute of International Relations (IFRI)
Land: Frankreich
Denkfabrik: Chatham House
Land: UK
Denkfabrik: Brookings Institution
Land: USA
Und das Finanzgebaren gefällt auch nicht jedem. Die „New York Times“ berichtete im Sommer, dass sich Unternehmen und Regierungen mit Spenden Zugang zur Polit-Elite in Washington verschaffen und obendrein Werbung in Form von freundlichen Studien bekommen. Falsch, sagt Brookings-Chef Talbott. Das Institut habe klare Regeln, Berichte unterlägen niemals Konzerninteressen. Zu den mehreren Hundert Veranstaltungen im Jahr, die Brookings ausrichtet, kommen allerdings gern auch Spender zu Besuch. „Unsere Regeln untersagen aber, dass ein Spender die Veranstaltungen nutzt, um seine Marke oder seine Produkte zu bewerben“, betont Talbott. Ohnehin ebbte die Diskussion um die Unabhängigkeit der Denkfabrik während des US-Wahlkampfs ab. Seitdem dreht sich alles nur noch um: Donald Trump.