Sicherheitsdienste Hilfspolizei? Ja bitte!

Unsere Polizei ist unterfinanziert und überfordert. Auch deshalb wenden sich immer mehr Bürger von den traditionellen Parteien ab und laufen Volks(ver)führern nach. Deshalb brauchen wir die Hilfspolizei. Ein Gastbeitrag.

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Jeder Bürger sieht seit Jahren: Unsere Polizei ist (wie die Bundeswehr) unterfinanziert und überfordert. Quelle: dpa

Hilfspolizisten? Ja bitte! Von Bundesinnenminister Thomas de Maizière stammt der Vorschlag, reguläre Polizeikräfte durch Hilfskräfte zu ergänzen. Wie dieser Vorschlag durchgeführt und woher das Personal, bezahlt oder ehrenamtlich, kommen würde, ist einstweilen zweitrangig. Entscheidend ist, dass der Staat tut, was des Staates ist: Für die Sicherheit seiner Bürger nach innen und außen zu sorgen.

Jeder Bürger sieht seit Jahren: Unsere Polizei ist (wie die Bundeswehr) unterfinanziert und überfordert, und es kommen noch viel mehr Aufgaben auf sie zu. Bislang hat die Politik – Ausnahme Bayern – hierauf ungenügend reagiert. Auch deshalb wenden sich immer mehr Bürger von den traditionellen Parteien ab und laufen Volks(ver)führern nach.
Kritisiert wird de Maizières Vorschlag ausgerechnet von denen, die gerne die Bürger auffordern, „Zivilcourage“ zu zeigen oder endlich den „Aufstand der Anständigen“ zu wagen. Das klingt hochmoralisch, endet aber leider oft tödlich. Lang ist die Liste der Opfer von Zivilcourage wie sie von Politik, Medien und Pseudomoralisten predigen.

Das ist wenig erstaunlich, denn die meisten verstehen diese Aufforderung wie die feine 85jährige Dame, die mir kürzlich feurig erklärte: „Wenn ich in der U-Bahn sehe, dass eine junge Frau von Männern belästigt wird, dann gehe ich dazwischen.“ Um Himmels willen. Wie soll, wie kann die alte, schwache Frau jungen, starken Männern Paroli bieten? Das kann sie natürlich nicht. Weil sie aber ein anständiger Mensch ist, sagt ihr Gewissen: Du musst handeln. Ähnlich erging es deutlich jüngeren Menschen, Männern und Frauen, die dabei schwer verletzt oder gar getötet wurden.

Wie gesagt, der Schutz seiner Bürger ist die zentrale Aufgabe eines jeden Staates, sein Seinsgrund. Allein deshalb verfügt er über das Gewaltmonopol. Selbstschutz und Bürgerschutz durch Bürger ist – auch wenn gut gemeint - ein Systembruch, der letztlich zu Faustrecht und Selbstjustiz zurückführt. Ins Mittelalter und in die Frühe Neuzeit, bevor es das staatliche Gewaltmonopol gab und die diversen Gruppen im Staat einander ungehemmt bekämpften. Teilweise mit Privatarmeen.

Natürlich kann die Polizei nicht allgegenwärtig sein, und ein Polizeistaat wäre unser aller Albtraum. Ebenso inakzeptabel ist der weitere Ausbau privater Sicherheitsdienste. Warum? Dann kämen nur Wohlhabende in den Genuss von Sicherheit. Für Arme und weniger Wohlhabende würde dann gelten: „Weil du arm bist, lebst du gefährlich.“ In gewisser Weise ist dieser Zustand schon jetzt erreicht.

Gleiches gilt mehr oder weniger für Sicherheitsdienste einzelner Firmen. Sie werden von der Firma A bezahlt. Was aber macht der Firmenschutz von A, wenn die Firma B überfallen oder ausgeraubt wird? Und wer kontrolliert private Sicherheitsdienste? Der kontrollfreie Chef des Sicherheitsdienstes oder staatliche Akteure, die ihrerseits kontrolliert werden?
Man kann es drehen und wenden wie man will: Für die Sicherheit im Staat hat allein der Staat zu sorgen. Erst recht im demokratischen Staat. Der Staat verkörpert das Allgemeine und hat das Gewaltmonopol, um allen Sicherheit zu bieten, nicht nur Wohlhabenden oder einzelnen Firmen.

Doch der Staat, unsere Polizei, ist einstweilen überfordert. Warum sollte sie also nicht durch Hilfspolizisten ergänzt werden? Durch Hilfspolizisten, die eben staatlich kontrolliert werden. Es, versteht sich von selbst, dass diese staatlichen Kontrolleure ihrerseits demokratisch kontrolliert werden: Von der jeweiligen Landesregierung. Diese wiederum wird vom Parlament kontrolliert und das Parlament vom Wahl-Volk. So funktioniert Demokratie, und so kann der Staat mehr Sicherheit bieten. Deshalb: Hilfspolizei ja bitte.
Von Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist, erschien zuletzt „Zivilcourage, Wie der Staat seine Bürger im Stich lässt“ (dtv 2016) und „Zum Weltfrieden“ (dtv 2015)

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