Skandal-Unternehmer Tapie Lagarde-Prozess bringt etwas Licht in Staatsaffäre

IWF-Chefin Christine Lagarde muss sich vor Gericht verantworten. Der Prozess bringt Licht in undurchsichtige Staatsgeschäfte. Im Mittelpunkt steht ein bekannter Geschäftsmann, der nicht mal vorgeladen ist.

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Christine Lagarde muss sich aufgrund der Tapie-Affäre vor Gericht verantworten. Quelle: dpa

Paris „Er ist ziemlich zäh“ - mit diesen Worten beschreibt der frühere französische Präsidentenberater François Pérol den schillernden Geschäftsmann, Ex-Minister und Schauspieler Bernard Tapie. Über den Ex-Präsidenten des Fußball-Clubs Olympique Marseille wird beim Pariser Prozess gegen IWF-Chefin Christine Lagarde unaufhörlich geredet. Beim Sondergericht vorgeladen ist der inzwischen 73-Jährige aber nicht.

Ohne Tapie hätte es die nach ihm benannte Affäre nicht gegeben, die mit dem undurchsichtigen Verkauf von Anteilen des deutschen Sportartikelherstellers Adidas ihren Anfang genommen hatte. Und ohne Tapie-Affäre wäre die 60-jährige Lagarde, die als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu den mächtigsten Frauen der Welt gehört, nicht wegen Fahrlässigkeit im Amt angeklagt worden.

Die Zuhörer im riesigen Pariser Justizpalast bekommen ein erstaunlich genaues Bild von Macht, Einfluss und Rivalitäten auf der politischen Spitzenebene geboten. Tapie, so berichten Zeugen, ging nach dem Einzug von Nicolas Sarkozy in den Élyséepalast 2007 dort ein und aus. Tapie galt in der Öffentlichkeit als Freund des Präsidenten.

Hat er Tapie empfangen?, wird der frühere Generalsekretär des Präsidentenpalastes, Claude Guéant, gefragt. „Das kam vor“, entgegnet der Ex-Spitzenbeamte trocken und fügt hinzu: „Herr Tapie hat an alle geschrieben.“ Sarkozys früherer Topberater Pérol ergänzt, Tapie gelegentlich für jeweils 20 Minuten empfangen zu haben, um eine „Belagerung“ zu verhindern.

Wer Guéant, Sarkozys früherer rechter Hand, folgt, versteht, dass das höchst umstrittene Schiedsverfahren, von dem Tapie vor acht Jahren mit mehr als 400 Millionen Euro Entschädigung profitierte, im Élyséepalast zumindest vorgezeichnet wurde. Bei einem Treffen ohne Lagarde gab es dort Konsens, die Möglichkeit dieses Verfahrens zu prüfen. Lagarde gab dann später grünes Licht dafür - eine Anweisung aus dem Élyséepalast bestreitet sie.


Noch lange nicht abgeschlossen

Jahre später bietet sich ein katastrophales Bild - vor allem für Tapie. Der Unternehmer wurde inzwischen verurteilt, die 400 Millionen Euro Entschädigung zurückzuzahlen. Die Justiz ermittelt zudem gegen ihn, Lagardes früheren Büroleiter Stéphane Richard und andere Beteiligte wegen Betrugsverdachts. Es soll Verbindungen zwischen Tapie und einem der Schiedsmänner gegeben haben.

Gibt es dazu einen Prozess? Das ist offen. Aber eins ist sicher: Die Tapie-Affäre ist noch lange nicht abgeschlossen. Dabei liegt der Anfang lange zurück: Tapie sah sich in den 1990-er Jahren von der damals staatlichen Großbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Adidas-Anteile geprellt. Es begann ein langer Rechtsstreit, dessen Folgen die Politik bis heute belasten. Denn immer wieder war darüber spekuliert worden, dass Tapie vor allem wegen seiner Nähe zur Politik so viel Staatsgeld erhalten habe

Auch die Staatsanwaltschaft räumt in diesem ungewöhnlichen Prozess ein, dass Lagarde in der Tapie-Affäre kein strafrechtliches Delikt vorzuwerfen sei - allenfalls eine schlechte politische Entscheidung. Ermittlungsrichter sahen das allerdings anders und pochten auf den Prozess wegen Fahrlässigkeit im Amt, die die Hinterziehung öffentlicher Mittel durch andere ermöglicht habe.

Die Angeklagte, die vorsichtig in Stöckelschuhen über den glatten Parkettboden schritt, resümiert mit Blick auf das Schiedsverfahren: „Das Risiko eines Betrugs ist mir völlig entgangen.“ Das Schicksal der mächtigen Finanzmanagerin ist der französischen Staatsspitze alles andere als gleichgültig. Sarkozys Nachfolger François Hollande unterstützt laut einem Enthüllungsbuch von zwei Journalisten der Zeitung „Le Monde“ Lagarde. Denn es geht auch um Frankreichs Prestige. Mit Blick auf den IWF-Chefsessel bemerkt der Staatschef: „Das ist der einzige Posten, der uns auf internationaler Ebene bleibt.“

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