Sondergipfel zur Flüchtlingskrise EU will Türkei 400.000 Flüchtlinge abnehmen

Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Juncker haben Ankara umfangreiche EU-Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt. Einige Länder sind bereit, die Türkei zu entlasten. Auch der EU-Beitritt ist Thema.

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„Illegalität durch ein Maximum an Legalität ersetzen.“ Quelle: AFP

Brüssel Eine kleine Runde von acht EU-Ländern, die bislang schon verhältnismäßig viele Flüchtlinge aufnehmen, hat unmittelbar vor dem Gipfeltreffen mit der Türkei über legale Einreisemöglichkeiten für dort befindliche Flüchtlinge beraten. „Das ist ein Treffen derjenigen Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge in großer Zahl aus der Türkei auf legalem Wege nach Europa zu bringen“, erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu den Beratungen, an denen auch Kanzlerin Angela Merkel teilnahm. Die Türkei solle im Gegenzug „maximale Grenzsicherung“ garantieren.

Es gehe darum, die Last für die Türkei zu reduzieren und „Illegalität durch ein Maximum an Legalität“ zu ersetzen, erklärte Juncker. Der Weg dorthin sei „ein Stück (...) legale Einwanderung“.

Juncker wies darauf hin, dass die Türkei derzeit 2,5 Millionen Flüchtlinge beherberge. Dass davon 400.000 legal in die EU kommen könnten, wollte er jedoch nicht bestätigen. Diese Zahl war zuvor im Gespräch gewesen. An dem Vortreffen zum Gipfel am Sonntag nahmen neben Kanzlerin Merkel Staats- und Regierungschefs aus Österreich, Schweden Finnland, Griechenland sowie den Benelux-Ländern teil. Merkel betonte, die Runde stehe auch anderen Ländern offen. Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ist die Gruppe zur Aufnahme eines Gesamtkontingents von 400.000 Flüchtlingen bereit.

Vor Beginn eines EU-Sondergipfels mit der Türkei sagte Merkel am Sonntag in Brüssel weiter, das Land habe bislang wenig internationale Unterstützung bekommen. „Die Türkei erwartet mit Recht, dass die EU sie entlastet.“ In diesem Zusammenhang ist die EU dem Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels zufolge gewillt, der Türkei zunächst drei Milliarden Euro für eine bessere Versorgung der Flüchtlinge vor Ort zuzusagen. Über weitere Hilfen solle abhängig von der Entwicklung der Flüchtlingskrise beraten werden, heißt es in dem Dokument, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitiert.

Bei dem Gipfel von Staats- und Regierungschefs aus allen 28 EU-Ländern mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu soll ein Aktionsplan verabschiedet werden. Dazu gehört, dass die Türkei Hilfen von drei Milliarden Euro bekommt. Merkel sagte: „Ein wesentlicher Punkt dieses Aktionsplans wird auch sein, wie wir illegale Migration durch legale Migration ersetzen.“ Schleusern und Schleppern müsse das Handwerk gelegt werden.

Zudem sollen die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei vorangetrieben werden. Merkel betonte jedoch, dass dies ein „offen angelegter Beitrittsprozess“ sei. Die Verhandlungen laufen bereits seit mehr als zehn Jahren, ohne dass es bislang entscheidende Fortschritte gibt. Auch EU-Ratspräsident sprach davon, man wolle in der Flüchtlingskrise die Beziehungen zum Kandidatenland Türkei wiederbeleben. Das schließe die Beitrittsverhandlungen mit ein, erklärte Tusk am Sontag in Brüssel vor dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu.

Der Gipfel drehe sich in erster Linie um die Flüchtlingskrise, fügte Tusk hinzu: „Unser Hauptziel ist, den Zustrom von Migranten nach Europa einzudämmen.“ Dazu soll beim Gipfel ein Aktionsplan verabschiedet werden.

Tusk sagte, die Europäer müssten ihre Außengrenzen schützen. Diese Verantwortung könne nicht auf ein Nicht-EU-Land abgewälzt werden. „Ich wiederhole es erneut: Ohne Kontrolle unserer Außengrenzen wird Schengen Geschichte sein“, warnte Tusk. Andere europäische Spitzenpolitiker sehen das Schengen-System für den passfreien Reiseverkehr wegen der Flüchtlingskrise ebenfalls in Gefahr.

Im Gegenzug für die Hilfe der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise stellt die EU dem Land einem Entwurf zufolge zudem die Visafreiheit für seine Bürger in Aussicht. Die EU strebe eine Aufhebung der Visapflicht für Türken im Oktober 2016 an, falls das Land bis dahin bestimmte Anforderungen erfülle, heißt es in dem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Türkei-Gipfels.

Die Abschlusserklärung kann sich noch verändern, da das Gipfeltreffen in Brüssel erst um 16 Uhr beginnt.

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