Spanien – ein Land mit Terror-Tradition Erst die ETA und jetzt die Islamisten

Spanien hat eine lange Terror-Vergangenheit: Zuerst drangsalierte die baskische Terrororganisation ETA das Land. Im Jahr 2004 folgte der bislang schlimmste islamistische Anschlag in Madrid. Und jetzt Barcelona.

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Die Schutzmaßnahmen in Barcelona wurden hochgefahren. Quelle: dpa

Barcelona Der jüngste Terroranschlag in Barcelona war bei weitem nicht der erste in Spanien. Das Land blickt auf eine lange und traurige Geschichte zahlreicher Terrorattentate zurück. Der erste islamistische war der vom März 2004, als Terroristen Bomben in vier Nahverkehrszügen rund um die Hauptstadt Madrid zündeten. 191 Menschen kamen dabei ums Leben, 1500 wurden verletzt – es war der größte von Dschihadisten verübte Anschlag in Europa.

Weit mehr Menschenleben haben allerdings die Attentate gefordert, die Spanien von der Terrororganisation aus dem eigenen Land zugefügt wurden, der ETA. Die Organisation, die für die Unabhängigkeit des Baskenlandes in Spanien und Frankreich kämpfte, tötete von Ende der 60er Jahre bis Ende 2006 insgesamt 873 Menschen. Sie ermordete vor allem bestimmte Personengruppen wie Politiker, Polizisten, Unternehmer oder Journalisten. 1987 aber starben bei einem Angriff auf das Einkaufszentrum Hipercor in Barcelona 21 Menschen. Die ETA erklärte später, sie habe vor den dort deponierten Bomben gewarnt, aber die Polizei habe das Gebäude nicht schnell genug geräumt.

Terrorismusexperten erklären, dass die Anschläge von Terror-Organisationen wie der ETA oder der IRA in der Tat besser kalkulierbar gewesen seien. Sie hätten ein klar umrissenes Ziel mit entsprechenden Risikogruppen und Gefahrenzonen gehabt, während die islamistischen Terroristen wahllos vorgingen und es daher für den Einzelnen unmöglich sei, der Gefahr aus dem Weg zu gehen. Das Gefühl der Bedrohung sei deshalb momentan deutlich höher.

Die ETA verübt seit 2006 keine Attentate mehr, hat 2011 einen Waffenstillstand verkündet und im Frühjahr dieses Jahres ihre Waffen- und Sprengstofflager offengelegt und abgegeben. Doch die Bedrohung durch Islamisten in Spanien ist in den vergangenen Jahren in Spanien wieder gestiegen.

Nach den Attentaten von Madrid 2004 hatte die spanische Regierung ihre Investitionen in die Terrorabwehr deutlich verstärkt. Die Zahl der Antiterroragenten stieg von 150 auf 3000, das Strafrecht wurde erweitert und Spanien galt bald als Vorbild in der Terrorabwehr. 220 Antiterror-Operationen führte das Land seit 2004 aus und verhaftete 723 Verdächtige. Tatsächlich hat es Spanien 13 Jahre lang geschafft, einen erneuten islamistischen Anschlag zu vermeiden.

Mitte vergangenen Jahres jedoch nahmen die Sorgen der Terrorschützer zu. Spanien wurde immer häufiger in Drohungen genannt. Terrororganisationen wie der Islamische Staat riefen dazu auf, Spanien für den Islam zurück zu erobern und erinnerten an die maurisch-islamische Herrschaft in Teilen des Landes im Mittelalter.

Die Bedrohung ist aber nicht überall gleich hoch, es gibt innerhalb Spaniens klare Brennpunkte. Besonders viele potentielle Terroristen finden sich in den beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, zwei Städte, die sich an der nordafrikanischen Küste befinden und beide von Marokko beansprucht werden. In Ceuta, wo rund die Hälfte der Einwohner Muslime sind, und in Melilla verhaften spanische Sicherheitsbehörden immer wieder Terroristen-Anwerber.

Aber auch Katalonien und vor allem Barcelona gehören zu den Hotspots der Terror-Rekrutierer. Dort haben sich in der großen Einwanderungswelle, die Spanien bis zur Krise im Jahr 2008 erlebt hat, mehr Islamisten niedergelassen als in jeder anderen Region des Landes. Diese Konzentration hat Terror-Organisationen auf den Plan gerufen, die dort auf die Suche nach Kämpfern gegangen sind. Die Sicherheitsbehörden sind in den vergangenen Jahren auf mehrere Imame aufmerksam geworden, die radikale Thesen predigten.

Dieses Jahr nahm die Polizei in Katalonien bislang elf Terrorverdächtige fest – mehr als in jeder anderen Region Spaniens. Womöglich hat sie damit Schlimmeres oder früher geplante Attentate verhindert. Einen wirklichen Schutz konnte sie Anwohnern und Touristen in Barcelona und auch dem Opfer und den Verletzten im zweiten versuchten Anschlag im Küstenort Cambrils damit jedoch nicht bieten.

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