SPD für harte Finanzsanktionen Angriff auf Russlands Staatsfinanzierung

Kanzlerin Angela Merkel dringt auf substanzielle Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Der SPD geht das nicht weit genug. Finanzexperte Poß schlägt eine Abkopplung des Landes von den europäischen Kapitalmärkten vor.

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Ein erschwerter Zugang zu den Kapitalmärkten wäre nicht nur für Russland eine schmerzhafte Maßnahme. Quelle: AFP

Berlin Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, hat sich dafür ausgesprochen, die Strafmaßnahmen gegen Russland erheblich auszuweiten und nun auch die russische Staatsfinanzierung in den Blick zu nehmen. Die Haltung der russischen Regierung trage unverändert zur Eskalation der Lage in der Ostukraine bei. Daher wären Finanzmarktsanktionen „ein deutliches Zeichen an die Regierung Wladimir Putins“, schreibt das SPD-Bundesvorstandsmitglied auf seiner Facebook-Seite.

„Sie begrenzen den Zugang zu den europäischen Kapitalmärkten und treffen damit direkt die eigenen wirtschaftliche Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten Russlands, indirekt aber auch die Finanzierung des russischen Staates über Devisengeschäfte der eng mit ihm verflochtenen Unternehmen.“

Poß hält ein solches Vorgehen in Anbetracht der fortdauernden finanziellen, personellen und materiellen Unterstützung aus Russland für die bewaffneten Separatisten in der Ostukraine für „gerechtfertigt und geboten“ – auch wenn das für europäische Unternehmen und Staaten „schmerzhafte wirtschaftliche Folgen“ haben könne. „Es müssen dabei aber alle europäischen Partner mitziehen“, forderte Poß. „Insbesondere die britische Regierung unter Premier Cameron muss dabei ihren großen Worten auch einmal Taten folgen lassen und Maßnahmen gegen die Interessen russischer Oligarchen am wichtigen Finanzplatz der City of London ergreifen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel dringt hingegen darauf, möglichst schnell substanzielle EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Da Russland kein Interesse an einer Aufklärung des Flugzeugabsturzes gezeigt habe, halte die Kanzlerin rasche Beschlüsse für nötig, sagte der stellvertretenden Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin. Auch eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes kritisierte, Russland tue nicht genug. „Jetzt reicht es“, sagte sie.

Merkel begrüßte, dass die EU-Kommission am Donnerstag Vorschläge zur Beschränkung des Kapitalmarktzugangs und in den Bereichen Rüstung, Dual-Use-Güter und sensitive Technologien einschließlich des Energiesektors vorlegen soll. Die EU-Botschafter sollten diese Liste nicht nur diskutieren, sondern am Donnerstag Sanktionen gegen erste russische Firmen verhängen, hieß es in Regierungskreisen. Merkel sei auch bereit zu einem EU-Sondergipfel, falls das nötig sei, sagte der Regierungssprecher.


Auch Unions-Politiker sind Sanktionen zu lasch

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) teilte am Mittwoch mit, dass sie einen EU-Gipfelbeschluss von letzter Woche umsetze und keine neuen Kredite mehr in Russland vergebe. Sowohl die Bundesregierung als auch der deutsche Vertreter im Weltfußballverband Fifa, Theo Zwanziger, wiesen zudem Forderungen aus der Politik zurück, die WM 2018 in Russland zu boykottieren.

Die EU-Außenminister hatten am Dienstag auch beschlossen, dass auch solche Personen mit Sanktionen belegt werden können, die russische Entscheidungsträger unterstützen, die für die Eingliederung der ukrainischen Krim oder die Destabilisierung der Krim Verantwortung tragen. Zudem sollen Personen mit Sanktionen belegt werden können, die durch solche Entscheidungsträger begünstigt werden. Damit könnten nach Angaben eines EU-Diplomaten erstmals Personen im direkten Umfeld von Russlands Präsident Putin getroffen werden. Die EU nähere sich damit dem Vorgehen der USA an.

Der schwedische Außenminister Carl Bildt hatte nach dem Ministertreffen begrüßt, dass erstmals über konkrete Sektoren wie Finanzen, Rüstung oder Energie gesprochen worden sei. Mehrere CDU-Außenpolitiker kritisierten dagegen, dass die Außenminister noch keine neuen Sanktionen verhängten. „Die Beschlüsse sind unzureichend“, sagte Karl-Georg Wellmann, der auch Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag ist. Der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, sagte, die Lage in der Ostukraine lasse gar keinen politischen Spielraum mehr, als die Sanktionen zu verschärfen.

Die Bundesregierung wies die Kritik an mangelnder Entschlossenheit zurück. Merkel begrüße, dass die Außenminister die Sanktionsvorbereitung erheblich beschleunigt hätten, sagte Streiter. Für Verärgerung sorgte im Kreis der EU-Außenminister nach Angaben eines Teilnehmers allerdings, dass sich Frankreich weigert, die Lieferung eines Hubschrauberträgers an die russische Marine zu stoppen.

Am Dienstagabend stellte sich heraus, dass auch Großbritannien noch Rüstungsgeschäfte mit Russland in zweistelliger Millionenhöhe abwickelt. Deutschland hatte dagegen die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums an das russische Heer gestoppt. Der größte Teil der Ausrüstung sei noch nicht ausgeliefert worden, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. 

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