SPD kritisiert Merkel Koalitionsstreit nach der Böhmermann-Entscheidung

Merkel macht den Weg frei für Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann. In Berlin zeichnet sich Koalitionskrach ab. Die SPD kritisiert die Kanzlerin. Auch die Netzgemeinde solidarisiert sich mit dem Satiriker

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Merkels Entscheidung zu Böhmermann bringt Unruhe in die Koalition. Quelle: Reuters

Berlin Am Ende hat im politischen Berlin nahezu jeder damit gerechnet: Die Bundesregierung lässt Strafermittlungen gegen den Satiriker Jan Böhmermann zu. Das teile Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittag in Berlin mit. Zugleicht betonte sie den Wert der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit. „Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen“, sagte Merkel. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung.

Die türkische Regierung hatte nach einem „Schmähgedicht“ des ZDF-Moderators Böhmermann über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Strafverfolgung verlangt. Dem Gesetz zufolge muss die Bundesregierung zunächst eine Ermächtigung erteilen, damit die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleiten kann. Grundlage hierfür ist der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Bei Verstoß drohen bis zu drei Jahre Haft. Merkel teilte bei der Verkündung ihrer Entscheidung nun mit, dass sie diesen Paragrafen „für die Zukunft entbehrlich“ hält. Er solle bis 2018 abgeschafft werden.

Innerhalb Bundesregierung dürfte es im Vorfeld der Entscheidung zum Fall Böhmermann heftig geknirscht haben. Merkel machte deutlich, dass sie sich mit ihren Überlegungen über Bedenken in der SPD hinwegsetzte. Es habe „unterschiedliche Auffassungen" zwischen Union und SPD" zu dem Verlangen der türkischen Regierung gegeben, sagte Merkel.

Entsprechend scharf fielen anschließend die Reaktionen vieler SPD-Politiker aus. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann twitterte im Anschluss: „Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wg „Majestätsbeleidigung“ passt nicht in moderne Demokratie.“

Auch die Opposition hält wenig von dem Beschluss der Kanzlerin: Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht kritisierte die Bundesregierung. Merkel kusche vor dem türkischem Despoten Erdogan und opfere die Pressefreiheit in Deutschland, schreibt sie auf Twitter. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, Merkel sei vor dem türkischen Staatspräsidenten „eingeknickt". Unterstützung für Böhmermann kommt auch von FDP-Chef Christian Lindner. Merkel hätte politisch anders entscheiden müssen, denn die Symbolwirkung des Falls sei groß, schreibt der Chef der Liberalen.

Ganz andere Töne wählt die CDU. Generalsekretär Peter Tauber stellt sich hinter die Entscheidung der Kanzlerin: „Die Bundesregierung nimmt den Rechtsstaat ernst“, schreibt er auf Twitter, „auch wenn es manchmal weh tut.“ Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder verteidigt die Reaktion der Kanzlerin. Die Entscheidung der Bundesregierung im Fall Böhmermann sei richtig, erklärte er im Anschluss. Satire dürfe alles, aber nicht jede Beleidigung sei Satire. „Wo die Grenze liegt, entscheiden in unserem Rechtsstaat die Gerichte", sagte Kauder.

Im Netz überschlugen sich nach Verkündung der Entscheidung die Reaktionen. Unter den Twitter-Hashtags #nichtmeineKanzlerin und #freeboehmi zeigten sich viele bestürzt über die Entscheidung der Bundesregierung. Einer bricht nach wie vor nicht sein Schweigen: Böhmermann hat sich seit Beginn der Affäre noch nicht öffentlich zu den Vorgängen geäußert.

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