Staatsbesuch unmöglich Gaucks schwieriges Verhältnis zu Russland

In seinen Reden warnt Bundespräsident Gauck vor russischer Aggression, beklagt einen Bruch des Völkerrechts. Ein Staatsbesuch kommt für ihn deshalb nicht infrage. Und Gauck macht Moskau noch mehr Vorwürfe.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Joachim Gauck stellt klar: Seine Russland-Kritik richte sich nicht gegen das Land, sondern dessen Regierung. Quelle: dpa

Berlin Bundespräsident Joachim Gauck hat der russischen Führung erneut einen Bruch des Völkerrechts und der Menschenrechte vorgeworfen. Dies mache zurzeit einen Staatsbesuch in Russland unmöglich, sagte Gauck der „Rheinischen Post“. Zugleich warf er der Führung in Moskau vor, mit Schutzbehauptungen eine angebliche Bedrohung durch den Westen als Vorwand dafür zu nehmen, das Selbstbestimmungsrecht anderer Völker einzuschränken.

Er kritisiere nicht Russland als Land, sondern dessen Regierung. „Mir geht es um die Missachtung von Bürgerrechten, von Menschenrechten und um den Bruch des Völkerrechts“, betonte Gauck. „Wenn ich nach Russland blicke, dann sehe ich nicht nur die Regierung, sondern auch die Regierten. Ihr Schicksal ist der Grund für meine Kritik am Kreml.“

Der Bundespräsident äußerte harsche Kritik an der Position, man könne Russland etwa die Westorientierung der Ukraine nicht zumuten. „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat Vorrang.“ Er könne nicht nachvollziehen, „dass wir in vorauseilendem Gehorsam die Empfindsamkeiten Russlands ernster nehmen sollten als das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung“.

Bereits beim Gedenken an den deutschen Überfall auf Polen am 1. September auf der Westerplatte hatte Gauck vor Russland gewarnt und eine entschlossene Reaktion des Westens gefordert. Gauck sagte damals, nach dem Fall der Mauer hätten die Europäische Union, die Nato und die Gruppe der großen Industrienationen Russland auf verschiedene Weise integriert. „Diese Partnerschaft ist von Russland de facto aufgekündigt worden.“

Doch der Westen stelle sich „jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Abspaltung in fremden Ländern militärisch unterstützen“, sagte Gauck. Die Geschichte lehre, „dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern“.

Für seine Rede wurde Gauck anschließend von einigen Historikern kritisiert. Der Parteichef der Linkspartei, Bernd Riexinger, warf dem Bundespräsidenten vor, mit seiner Russland-Kritik „Öl ins Feuer eines europäischen Konflikts“ zu gießen.


„Wir sollten früher hinsehen“

Trotz seiner neuerlichen Kritik an der russischen Führung, setzt Gauck weiter auf das diplomatische Geschick der Verhandlungsführer im Ukraine-Konflikt. „Ich glaube nicht, dass von der Ukraine- Krise eine kriegerische Bedrohung für Mitteleuropa ausgeht“, sagte Gauck in dem Interview mit der „Rheinischen Post“. Allerdings sei die Lage weiter besorgniserregend. Auf die Frage, ob es mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine diplomatische Lösung werde geben können, sagte Gauck: „Ja, das wird es.“

Er würdigte, dass sich die Bundesregierung seit Beginn der Krise „außerordentlich verantwortungsvoll“ um eine diplomatische Lösung bemühe. Deutschland sei durch seine politische und ökonomische Stabilität eine Position zugewachsen, aus der eine besondere Verantwortung auch für die Lösung von Konflikten außerhalb der Grenzen erwachse.

„Wir können uns nicht überall gleich intensiv einbringen. Aber wir sollten uns nach Kräften mühen, frühzeitig dazu beizutragen, dass Krisen verhindert oder gewaltfrei beigelegt werden.“ Dazu gehöre neben diplomatischer Vermittlung und wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch die Unterstützung von Demokratiebewegungen bei ihrem Engagement für Freiheit und Frieden.

Überhaupt forderte Gauck auch ein frühzeitiges Engagement bei internationalen Konflikten. „Wir sollten nicht immer nur über die letzte denkbare Möglichkeit, also die Frage, ob man Militär einsetzt, diskutieren“, sagte er. „Wir sollten in den Blick nehmen, was wir tun können, bevor ein blutiger Konflikt ausbricht. Anders ausgedrückt: Wir sollten früher hinsehen“, betonte er.

„Militärische Einsätze im Rahmen militärischer Allianzen und mit einem Mandat der Uno ausgestattet können und dürfen nur das letzte Mittel sein, das erst dann in Betracht gezogen werden darf, wenn friedliche Lösungen keine Chance mehr haben“, sagte Gauck. Vor 20 Jahren habe die Welt „mehr oder weniger dabei zugesehen“, wie in Ruanda fast eine Million Menschen regelrecht abgeschlachtet worden seien. Das frühzeitige Eingreifen einer begrenzten Zahl von Soldaten hätte nach Ansicht von Experten diesen Völkermord verhindern können.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%