Start der Gespräche Nord- und Südkorea reden wieder miteinander

Erstmals seit fast zwei Jahren treffen sich Vertreter beider Seiten zu offiziellen Gesprächen. Der Einsatz ist hoch: Es geht um Nordkoreas Teilnahme an den Olympischen Winterspielen und verbesserte Beziehungen.

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Nordkorea und Südkorea reden wieder miteinander Quelle: AP

Tokio Nirgendwo stehen sich Nord- und Südkorea so direkt gegenüber wie im Grenzort Panmunjom. Mitten in der so genannten entmilitarisierten Zone stehen dort einige blaue Baracken direkt auf der Grenzlinie. Hier trafen sich früher die Militärs des Nordens und der Schutzmächte Südkoreas seit dem Waffenstillstandsabkommen 1953.

An normalen Tagen schaffen auf beiden Seiten Busse scharenweise Touristen an diesen Ort, die fotografieren, wie sich Soldaten beider Seiten wenige Meter entfernt voneinander anstarren. Doch am Dienstag war das Gebiet für Ausflüge gesperrt. Denn ab 10 Uhr morgens Ortszeit begannen Südkoreas Vereinigungsminister Cho Myoung-gyon und Nordkoreas Chefunterhändler Ri Son-gwon mit freundlichem Lächeln und Handschütteln die ersten offiziellen Gespräche beider Seiten seit zwei Jahren.

Auf den ersten Blick geht es um Nordkoreas Teilnahme an den Olympischen Winterspielen, die vom 9. bis 25. Februar in Südkorea stattfinden wird. Das Land kündigte während der Gespräche an, eine hochrangige Delegation mit staatlichen Vertretern und Sportlern dorthin zu schicken.

Doch nach einem Jahr von Atomtests des Nordens, Kriegsrhetorik aus den USA und gegenseitigen Beleidigungen von Führer Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump geht es um nicht weniger als Krieg und Frieden auf der koreanischen Halbinsel, wie beiden Seiten klarmachten.

Nordkoreas Gesandter Ri forderte seinen Gegenüber auf, den Koreanern ein „Neujahrsgeschenk“ zu geben. „Ich bin mit der Hoffnung hierhergekommen, dass beide Koreas die Gespräche in ernsthafter und gewissenhafter Weise führen werden, um dem koreanischen Volk, das hohe Erwartungen hegt, wertvolle Ergebnisse zu liefern“, sagte Ri.

Auch Südkoreas Vereinigungsminister übte sich in Optimismus. „Gut begonnen ist halb gewonnen“, sagte Cho Myoung-gyon. „Ich hoffe, dass beide Seiten die Gespräche entschlossen und beharrlich führen.“

Wie gut es beiden Seiten gelingen wird, wird dabei international mit großer Spannung verfolgt. Denn tatsächlich findet das Treffen im Schatten der Großmächte statt. US-Präsident Donald Trump hat die Gespräche am Wochenende in Worten und Tweets gutgeheißen. Er gestand Südkoreas Präsident Moon Jae-in sogar zu, zwei von Nordkoreas als Provokation kritisierte, regelmäßige Militärmanöver auf den Sommer zu verschieben.


Offene Diskussion über vorbeugende Angriffe gegen Nordkorea

China schickte bereits vorige Woche einen hochrangigen Diplomaten nach Seoul, um Chinas Position zu erklären. Denn mit den Gesprächen wird Seoul auf einmal zu dem, was Südkoreas Staatschef Moon immer angestrebt hatte: es wird zu einem Mitspieler im geopolitischen Schach in Ostasien.

Seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 hat Moon Nordkorea zu direkten Verhandlungen aufgefordert und zu den Winterspielen eingeladen. Damit versucht er, die angespannte Lage auf der koreanischen Halbinsel durch Diplomatie zu entspannen. Denn die atomare Aufrüstung Nordkoreas hat den schwelenden Konflikt mit den USA zur offenen Krise entfacht.

Nordkoreas Führer Kim Jong Un hat in den vergangenen Jahren das Atomwaffen- und Raketenprogramm beschleunigt. Die schnellen Fortschritte haben dabei Freund und Feind überrascht. Die neuesten Raketen können technisch gesehen die gesamten USA erreichen.

Nordkorea begründet seine Eile und seinen Eifer damit, auf diese Weise die USA von einem Angriff auf das Land oder einen Sturz Kims selbst abschrecken zu wollen. In seiner Neujahrsansprache versprach Kim seinen Untertanen ausdrücklich, dass Nordkorea nach den Tests einer Wasserstoffbombe und von Langstreckenraketen nun unangreifbar sei. „Unser Land hat den Status einer Atommacht, eines militärischen Giganten im Osten erreicht, den kein Feind, so beeindruckend er auch ist, zu provozieren wagt.“

Tatsächlich stachelte er mit der direkten Bedrohung allerdings die USA unter Präsident Trump dazu an, immer härter auf Nordkorea einzuschlagen. Trump verschärfte nicht nur die Sanktionen gegen Nordkorea massiv, sondern ließ sich auch militärische Optionen gegen die Atom- und Raketenanlagen des Landes auf den Tisch legen.

Offiziell sollen sie als Druckmittel dienen, um Nordkorea an den Verhandlungstisch zu bewegen und letztlich sein Atomprogramm aufzugeben. Doch Trumps schritt war eine massive Eskalation. Denn bisher galten Waffengänge als tabu, weil ein Gegenschlag Nordkoreas oder gar ein großer Korea-Krieg Millionen von Opfern in Südkorea und Japan fordern könnte.

Inzwischen diskutieren Sicherheitsexperten in den USA allerdings offen über vorbeugende Angriffe. Das deutlichste Beispiel lieferte am Montag der bekannte amerikanische Militärstratege Edward Luttwak im Magazin „Foreign Policy“. Es sei an der Zeit, Nordkorea zu bombardieren, titelte er da.


Erwartungen sind nicht sehr hoch gesteckt

Als erfolgreiche Beispiele dienen ihm Israels gezielte Angriffe auf den Irak im Jahr 1981 und Syrien 2007. „Glücklicherweise ist noch Zeit für Washington, solche Angriffe zu starten, um Nordkoreas Atomwaffenarsenal zu zerstören“, meint der konservative Stratege. Dies sollte ernsthaft erwogen werden.

Ein Grund für seine Forderung ist, dass er nicht an eine große Gegenoffensive Nordkoreas glaubt. Außerdem gibt er Südkorea Mitschuld daran, durch die grenznahe Lage seiner Hauptstadt Seoul so verwundbar für Gegenschläge Nordkoreas durch konventionelle Artillerie zu sein.

„Diese Verwundbarkeit sollte die US-Politik aus einem einfachen Grund nicht lähmen: Sie ist zum allergrößten Teil selbst verschuldet“, verrät er die Sicht vieler Befürworter direkter militärischer Aktionen. Entgegen amerikanischen Ratschlägen hätte Seoul weder Ministerien und Firmen aus der Gefahrenzone verlegt, noch genügend Bunker und Antiraketenbatterien angeschafft.

Vor diesem Hintergrund ist die wachsende Angst vieler Militärexperten vor einem Waffengang verständlich. Noch halten die Strategen zwar eine neue Art der Abschreckungspolitik inklusive Eindämmung Nordkoreas für wahrscheinlicher. Aber das Kriegsrisiko wird teilweise auf 20 bis 40 Prozent geschätzt. Selbst der ehemalige US-Präsident Joe Biden warnte vorige Woche, dass das Risiko eines Atomkriegs zwischen den USA und Nordkorea so hoch wie nie sei.

Doch auch die Gespräche zwischen den Koreas werden kritisch beäugt. Viele Experten sehen in ihnen erstens den Versuch des Nordens, einen Keil zwischen Südkorea und dessen Schutzmacht USA zu treiben. Außerdem wird Moon davor gewarnt, die Teilnahme des Nordens an der Olympiade wie im Jahr 2000 mit Geld zu erkaufen. Wegen der Sanktionen der Vereinten Nationen wäre dies extrem schwierig.

Die Erwartungen sind daher nicht sehr hoch gesteckt. Eine Teilnahme Nordkoreas an den Winterspielen und eine Fortsetzung der Gespräche wäre schon ein Erfolg. Eine endgültige Entspannung ist aber noch immer Zukunftsmusik.

US-Präsident Trump kündigte bereits an, den Druck auf Nordkorea nicht senken zu wollen. Und auch US-Außenminister Rex Tillerson bleibt skeptisch.

Der Minister glaube, dass es noch zu früh für ein Urteil sei, ob dies der Beginn einer neuen Entwicklung darstelle, sagte am Dienstag asiatischer Zeit Tillerson-Berater Brian Hook in einer Pressekonferenz. „Wir wissen nicht, was Nordkorea zu den Verhandlungen mitbringt.“

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