Steinmeier in Kolumbien Ein bisschen Frieden zum Abschied

Es ist wahrscheinlich die letzte Fernreise Steinmeiers als Außenminister. Zum Abschluss hat er sich ein Ziel ausgesucht, das Hoffnung in Zeiten festgefahrener Krisen gibt: Kolumbien.

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Der deutsche Außenminister trifft auf die kolumbianische Außenministerin María Ángela Holguín. Im Bezug zur Entführung vieler deutscher Touristen durch eine kolumbianische Guerilla-Gruppe haben sie einiges zu besprechen. Quelle: dpa

Viel Zeit bleibt Frank-Walter Steinmeier nicht mehr in seinem derzeitigen Job. Als der Außenminister in der Nacht zu Freitag auf dem Flughafen El Dorado von Bogotá landet, sind es noch 30 Tage bis zur Bundesversammlung, auf der er sich zum Bundespräsidenten wählen lassen will. Vorher will er noch weiter durch die Bundesländer touren, um sich bei den Wahlleuten vorzustellen. Da muss man sich genau überlegen, welche außenpolitischen Akzente man in der verbleibenden Zeit noch setzen will.

Der Akzent seines nur 19-stündigen Besuchs in Kolumbien heißt: Hoffnung. Steinmeiers zweite Amtszeit seit 2013 war von schlimmen Krisen geprägt. In Syrien wurde der Krieg immer brutaler, in der Ost-Ukraine kam der Friedensprozess nicht voran und an Fortschritte im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist gar nicht erst zu denken.

Aber es gibt sie noch, die Erfolge der Krisendiplomatie. Mit dem Iran verhandelte der Westen zwölf Jahre, um zu einer Einigung über das Atomprogramm zu kommen. In Kolumbien liegen die ersten Friedensbemühungen zwischen Regierung und der linken Guerilla-Gruppe Farc sogar mehr als 30 Jahre zurück. Nach mehr als 220 000 Toten stand Ende November ein Friedensplan, den der Kongress wenig später verabschiedete.

Jetzt muss er „nur noch“ umgesetzt werden. Um dabei mitzuhelfen, ist Steinmeier nach Kolumbien gekommen. Schon vor seiner Abreise lobt er die Zähigkeit, den Mut und die Kompromissbereitschaft, die zum Friedensabkommen geführt haben. „Ich hoffe, dass dieses positive Beispiel auch Schule macht in anderen Regionen der Welt“, sagt er.

Steinmeier kennt Kolumbien ziemlich gut. Als für die Geheimdienste zuständiger Kanzleramtschef trudelten bei ihm Ende der 90er Jahre regelmäßig Meldungen über Entführungen deutscher Touristen in Kolumbien ein. Ziel der Rebellen war es, mit dem Lösegeld ihren Bürgerkrieg zu finanzieren.

Die kleinere Guerilla-Gruppe ELN verfährt bis heute so. Mit ihr hat die Regierung vor allem deswegen noch keine Friedensverhandlung aufgenommen. Parallel zum Steinmeier-Besuch sollte dafür am Freitag im ecuadorianischen Quito ein Starttermin gefunden werden.

Die noch rund 5.800 Farc-Kämpfer verlassen dagegen seit Dezember nach und nach ihre Gebiete, um an landesweit 26 Orten ihre Waffen abzugeben. Sie sollen eingeschmolzen werden und zu Friedensmahnmalen in New York, Kuba und Kolumbien werden. Ziel ist es, die Waffenabgabe bis Ende Mai abzuschließen.


Frieden ist umstritten in der Gesellschaft

Als einer der ersten hochrangigen Politiker aus dem Ausland wollte sich Steinmeier am Freitag in einer Entwaffnungszone südlich von Bogotá selbst ein Bild von der Lage machen - und mit Ex-Rebellen sprechen.

Damit macht er sich nicht überall in Kolumbien beliebt. Die Opposition ist strikt dagegen, die früheren Guerilleros zu „hofieren“. Ex-Präsident Álvaro Uribe - der prominenteste Kritiker des Friedensabkommens - wandte sich kürzlich gegen einen für Ende Januar geplanten Besuch des französischen Präsidenten François Hollande bei den Farc-Rebellen. „Hollande, der französische Präsident, der nicht weiß, wie er den dschihadistischen Terrorismus bekämpfen soll, besucht in Kolumbien die Farc“, sagte er. Es sei kein Signal der Freundschaft mit dem kolumbianischen Volk, dass er die Einladung einer verbrecherischen und noch immer bewaffneten Organisation akzeptiere.

Die Äußerungen zeigen, wie umstritten der Frieden mit der Farc in der kolumbianischen Gesellschaft ist. Die Mehrheit der Kolumbianer hatte ein erstes Friedensabkommen im vergangenen Jahr in einem Referendum abgelehnt, weil die Rebellen ihnen zu glimpflich dabei wegkamen.

Probleme bereiten auch kriminelle Gruppen, die nun mit der ELN um frühere Farc-Gebiete konkurrieren. Schätzungen zufolge haben kriminelle Banden in Kolumbien heute über 30 000 Mitglieder - gerade der Kokainhandel gilt als lukrativ und könnte in früheren Farc-Gebieten von anderen Gruppen übernommen werden.

Für Steinmeier überwiegt trotzdem die Hoffnung. Zur Unterstützung des Friedensprozesses wird nun mit deutschen Steuermitteln ein Friedensinstitut gegründet, zu dessen Aufgaben die Beratung von Politikern und die Konfliktforschung gehören werden. In der Außenpolitik sei Penetranz eine Tugend, sagt der Außenminister gerne. Seinen Glauben an die Kraft der Diplomatie hat er trotz aller Rückschläge bei der Krisenbewältigung in zwei Amtszeiten nicht verloren.

Steinmeier hat jetzt noch vier Wochen Zeit, als Außenminister zu agieren. In den nächsten Tagen sind zwei weitere Reisen terminiert: Am Sonntag geht es zu einem Nahost-Treffen nach Paris, danach zu einem EU-Außenministertreffen nach Brüssel.

Im Februar, vier Tage vor der Bundesversammlung, ist Steinmeier außerdem zu einer internationalen Konferenz in Kenia eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt will die SPD schon entschieden haben, wen sie zum Kanzlerkandidaten und wen sie zum neuen Außenminister machen will. Nach Afrika wird Steinmeier deswegen wohl erst wieder als Bundespräsident reisen - wenn er am 12. Februar gewählt wird.

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