Stephans Spitzen

Nur noch schnell die Welt retten

Seite 2/2

Muss die deutsche Regierung wirklich die Welt retten?

Das tut man hierzulande gewohnheitsmäßig und gern. Klaglos nehmen die Bürger eine Energie“wende“ hin, die dank einer raffinierten Subventionspolitik zugunsten des ökologisch-industriellen Komplexes unfassbar teuer wird, aber kaum etwas bringt. Der Jubel über den „Ökostrom“ übersieht den Primärenergieverbrauch eines Landes, zu dem sämtliche (fossilen) Treibstoffe gehören. Alles in allem decken die deutschen Windkraftanlagen gerade mal 1,5 Prozent des gesamten Energieverbrauchs ab.

Ist die Rettung des Klimas also womöglich doch ein wenig komplizierter als eine vernünftige Steuerreform? Und ist es überhaupt Aufgabe einer demokratisch gewählten deutschen Regierung, die Welt zu retten?

Nein, wir wollen der Kanzlerin nicht unterstellen, dass es ihr allein um einen wohlwollenden Eintrag ins Geschichtsbuch geht: „Klimakanzlerin“. Denn Retten ist die Lieblingsbeschäftigung fast aller Politiker. Die Rettung der Menschheit hat ein paar unschätzbare Vorteile: Gattungsfragen sind nicht verhandelbar, unterliegen also nicht der Konkurrenz unterschiedlicher Interessen. Wer auf der Seite der Umwelt/Natur/Frauen/Menschheit steht, muss sich der Parteienkonkurrenz nicht stellen und macht sich unangreifbar. Auch winkt bei Gefahr der übergesetzliche Notstand – nur einer „ethischen Elite“, postulierte Klimapapst Schellnhuber einst, könne man Menschheitsfragen anvertrauen, denn bei „Kernfragen“ müsse man eben auch mal gegen die Mehrheit entscheiden.

In Paris, verkündet Francois Hollande, wird das „Schicksal der Menschheit“ verhandelt. Darüber sind sich alle Anwesenden offenbar einig, ganz egal, ob sie einer Diktatur oder einer anderen Regierungsform vorstehen. Es handelt sich also recht eigentlich nicht um eine Klimakonferenz, sondern um ein systemübergreifendes Versöhnungsprojekt. Denn wenn es um die Rettung der Menschheit geht, muss man auch mal gegen die Menschen entscheiden.

Ironie off.

Ich plädiere für ein wenig mehr Demut. Politiker sollten sich nicht über- und ihr Volk nicht unterschätzen. Darf man ganz sanft daran erinnern, wozu gewählte Volksvertreter und demokratische Regierungen da sind? Nicht für die ganz großen Dinge, sondern für das Wohl derjenigen, die sie repräsentieren. Und nicht für die Welt- und Klimarettung, sondern für den freien und redlichen Austausch von Gedanken und Positionen.  Genau daran mangelt es hierzulande seit einigen Jahren, man denke an die ausgebliebene Diskussion über die Euro“rettung“. Manch einer scheint das Parlament mit einer Versammlung von Gläubigen zu verwechseln, die jedem Abweichler das Wort und den Segen entziehen.

Und deshalb, als Sofortmaßnahme, die hoffentlich niemanden überfordert: Rettet das politische Klima!

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%