Stephans Spitzen

Erdogan unterwirft sich nicht nur die Türkei

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Politische Verantwortungslosigkeit

Es ist immer wieder verblüffend: hierzulande, in der Öffentlichkeit aber auch vor dem einen oder anderen Richterstuhl, scheint man der Meinung zu sein, Rechtsstaat und Demokratie stünden selbst dann im Weg, wenn es darum geht, gegen undemokratische Bestrebungen und fremde Einmischung in deutsche Belange vorzugehen. Offenbar glaubt man, Politik bestehe darin, stets ein freundliches Gesicht zu zeigen und unschöne Bilder zu vermeiden. Das ist jedoch nichts anderes als politische Verantwortungslosigkeit.

Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis

Wer Verschwörungstheorien liebt, könnte noch auf ganz andere Ideen kommen. Öffentlich kritisiert man noch den türkischen Wahlkampf in Deutschland. Intern aber werden längst andere Spiele gespielt.

Wer sich das unter der Ägide von Migrationsstaatsministerin Aydan Özoguz bei der Friedrich-Ebert-Stiftung entstandene „Impulspapier“ zur „Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft“ näher anschaut, wird feststellen, dass noch ganz andere Bastionen geschleift werden sollen. Man wünscht dort eine Grundgesetzänderung, nämlich das Einfügen eines Staatsziels, in dem es heißt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland.“ Kommt das nicht allen entgegen, die statt „deutsches Volk“ lieber von jenen, „die schon länger hier leben“ sprechen? Um diesen Wunsch möglichst schnell in Erfüllung gehen zu lassen, wird zugleich die Änderung des Wahlrechts angestrebt – von Abgeordneten der SPD, der Grünen, und der Piraten als Antrag jüngst in den Düsseldorfer Landtag eingebracht.  Danach sollen auch Migranten aus Ländern, die nicht der EU angehören, nach 5 Jahren Ansässigkeit  an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen zu müssen. Ob man damit auf das Wählerpotential unter den Türken schielt, die in Deutschland mehrheitlich links wählen?

Türkische Schüler werden demnächst nichts mehr über die Evolution lernen. Die Islamisierung der Lehrpläne besiegelt das Ende der säkularen Türkei und zerstört die langfristigen wirtschaftlichen Perspektiven.
von Ferdinand Knauß

Der Vorschlag ist nicht nur verfassungswidrig - „das Wahlrecht, mit dem das Volk die Staatsgewalt ausübt, setzt nach der Konzeption des Grundgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit voraus“ –, er bedeutet auch eine weitere Entwertung der deutschen Staatsangehörigkeit, begonnen  2000  mit der Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft. Für Türken hat sich der Doppelpass als Falle erweisen. Zwar ist über die Hintergründe der Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel in der Türkei noch nichts öffentlich bekannt, aber sie gibt der Vermutung Nahrung, dass im Zweifelsfall der deutsche Pass ein Lappen ohne Wert ist.

Es war immer schon ein Fehler, mit muslimisch-türkischen Organisationen zusammenzuarbeiten, die durch nichts zur Vertretung aller Türken in Deutschland legitimiert sind, wie die Ditib und andere offiziösen Vereine. Den eher säkular eingestellten Türken oder Deutschen mit entsprechendem „Hintergrund“ rückt nun in der neuen Heimat nahe, wovor sie womöglich einst das Weite gesucht haben. Damit werden nicht nur deutsche und demokratische Werte verraten, sondern auch die Interessen vieler anderer, die sich mit Erdogans autoritärem Regime nicht identifizieren. Selbst die nicht unbedingt staatsferne türkische Gemeinde in Deutschland plant mittlerweile den Aufstand.

Die deutsche Politik aber schiebt die Verantwortung mal hierhin, mal dorthin. Lässt man sich tatsächlich von Erdogan erpressen? Dann sollte man endlich beginnen, sich dagegen zu wehren, statt an der Unterwerfung mitzuarbeiten.

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