Steuern Welcher Steuersatz ist fair?

François Hollande will eine 75-Prozent-Steuer für reiche Franzosen durchsetzen, SPD-Chef Sigmar Gabriel ist begeistert. In den USA hingegen punktet der Republikaner Paul Ryan mit dem Versprechen, die Steuern drastisch zu senken. Welches ist der richtige Weg?

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SPD-Chef Sigmar Gabriel ist begeistert von dem Vorstoß des französischen Präsidenten François Hollande, den Spitzensteuersatz anzuheben. Der republikanischen Kandidat für das Amt des US-Vizepräsidenten, Paul Ryan, wählt einen anderen Weg. Quelle: dpa, Montage

Wer Paul Ryan einen "Sozialdarwinisten" nennt, erntet ein triumphales Lächeln. Der republikanische Hardliner, den Präsidentschaftskandidat Mitt Romney bei einem Wahlerfolg zu seinem Stellvertreter machen will, ist überzeugt von seinem Steuer- und Sparplan. Er will die Axt an zahlreichen Sozialprogrammen ansetzen, etwa bei Wohnungszuschüssen und Essensmarken sowie der Krankenversicherung für Ältere und Bedürftige. Gleichzeitig will er eine Steuerreform auf den Weg bringen, die die Bürger um fünf Billionen US-Dollar erleichtert. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika die 15-Billionen-Dollar-Grenze längst überschritten haben.

"Wer die Steuern erhöht, würgt die Wirtschaft ab", sagt Ryan, der sich vor einbrechenden Staatseinnahmen nicht fürchtet. Schließlich hält er die Regierung ohnehin für zu spendabel. "Wenn hemmungsloses Geldausgeben zu mehr Jobs führen würde, hätten wir heute in den USA Vollbeschäftigung." Bei den Konservativen erntet der 42-Jährige für seine Aussagen Applaus. Beim Nominierungsparteitag der Republikaner in Tampa (Florida), der von Dienstag bis Donnerstag stattfindet, wird Ryan erneut für eine radikale Reduzierung der Abgabequote kämpfen.

Die größten Infrastruktur-Mängel in den USA

Das Problem: Die Nutznießer seiner Steuerpläne sind die Besserverdienenden. Ryan will sämtliche Steuern auf Mieteinnahmen, Zinsen und Dividenden – eine Einkommensquelle, über die hauptsächlich Wohlhabende verfügen – schlicht abschaffen. Ist es gerecht, die Reichen zu entlasten? Ist es legitim, dass die Sekretärin von Warren Buffett schon heute mehr Steuern zahlt als ihr milliardenschwerer Boss?

Die US-Demokraten, aber auch die europäische Linke haben auf diese Fragen eine klare Antwort: nein. Ab dem Herbst will der französische Präsident François Hollande eine Reichensteuer einführen. Einkünfte, die eine Million Euro übersteigen, sollen dann zu 75 Prozent an den Fiskus gehen. Die SPD klatscht Applaus. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten Sigmar Gabriel will auch in Deutschland einen deutlich höheren Spitzensteuersatz installieren. Bis zu 50 Prozent ihres Einkommens sollen die Topverdiener abtreten.

"Das ist nicht mehr als symbolische Politik" 

"Die Erhöhung der Einkommensteuer auf 75 Prozent wie in Frankreich ist leistungsfeindlich. Solange nicht alle Einkommen erfasst werden, schafft das auch keinen sozialen Ausgleich, sondern vermittelt lediglich den Anschein von Gerechtigkeit und ist nicht mehr als symbolische Politik", entgegnet Wolfgang Scherf, Professor für Öffentliche Finanzen an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Doch wie sieht dann ein Steuersatz aus, der sozial gerecht und leistungsfördernd ist? Welche Punkte müssen beachtet werden?

Was der Staat leisten soll – und was nicht

Welche Promis schon verurteilt wurden
900.000 Euro hinterzogene Steuern: Der Sänger Freddy Quinn hatte seinen Hauptwohnsitz jahrelang in der Schweiz, lebte aber überwiegend bei seiner Hamburger Lebensgefährtin Lilly Blessmann. Die deshalb in Deutschland fälligen Steuern, zwischen 1998 und 2002 immerhin rund 900.000 Euro, hat der Österreicher nach eigenem Eingeständnis aber nie bezahlt. Er habe sich nie mit finanziellen Dingen beschäftigt, rechtfertigte sich der Musiker vor Gericht. Außerdem beglich er sofort seine Steuerschuld, so dass im Prozess 2004 die verhängte Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinzu kam ein Bußgeld über 150.000 Euro. Quelle: ap
970.000 Euro hinterzogene Steuern: Klaus Zumwinkel verlor wegen einer Steueraffäre seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Post. Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft durchsuchten vor laufenden Fernsehkameras im Februar 2008 das Privathaus des Topmanagers. Die Staatsanwaltschaft warf Zumwinkel vor, über die LGT Bank Geld in eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht geschleust und so den deutschen Fiskus um fast eine Million Euro betrogen zu haben. Mitte Februar 2008 trat der Post-Chef zurück und wurde knapp ein Jahr später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus Zahlung einer Geldstrafe von einer Millionen Euro verurteilt. Quelle: dpa
1,96 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Verfassungsschutzchef und Ex-Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls war eine Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Er räumte ein, vom Geschäftsmann Karlheinz Schreiber 3,8 Millionen Mark erhalten zu haben. Schreiber habe das Geld für ihn in der Schweiz verwaltet. Ausgehändigt worden seien ihm 873.000 Mark. Das Landgericht Augsburg erklärte ihn 2005 der Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung für schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Pfahls kam nach gut 13 Monaten frei, musste aber Ende 2011 erneut wegen Bankrotts und Betrugs in Haft. Quelle: dapd
1,7 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Um weniger Steuern zu zahlen, verlegte Tennis-Star Boris Becker Anfang der 90er-Jahre seinen Wohnsitz von München nach Monaco. Tatsächlich aber lebte er weiter überwiegend in Bayerns Metropole und nicht im Fürstentum. Das Landgericht München verurteilte ihn deshalb 2002 wegen Steuerhinterziehung von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe. Becker räumte eigene Fehler ein – was das Gericht ebenso strafmildernd berücksichtigte wie die Tatsache, dass Becker vor Prozessbeginn rund 3,1 Millionen Euro Steuern nachgezahlt hatte. Quelle: dapd
22,6 Millionen DM hinterzogene Steuern: Der frühere Springreiter Paul Schockemöhle hatte große Summen über Stiftungen in Liechtenstein am deutschen Fiskus vorbeigeschleust. 1996 wurde er deshalb zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt und musste 22,6 Millionen Mark Steuern nachzahlen. Schockemöhle wurde zum Verhängnis, dass dem Liechtensteiner Treuhänder Herbert Batliner Teile seiner Kundendatei gestohlen und den deutschen Steuerbehörden zugespielt wurden. Der Ex-Sportler, dem für eine erfolgreiche Selbstanzeige keine Zeit mehr blieb, verklagte Batliner später wegen der Datenpanne – ohne Erfolg. Quelle: dpa
203 Millionen Euro hinterzogene Steuern: Das Landgericht München verurteilte den Geschäftsführer des VIP Medienfonds 3, Andreas Schmid, 2007 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Schmid hatte versucht, den Fiskus um 203 Millionen Euro zu prellen, indem er beim Finanzamt zu Unrecht „gewinnmindernde Aufwendungen“ geltend machte. Der Angeklagte wusste, dass nur 20 Prozent der Aufwendungen für die Filmproduktion verwendet, aber 80 Prozent zugunsten des Fonds angelegt wurden. Kurioserweise war nicht Schmid selbst Nutznießer der Steuerersparnis. Profitiert haben vielmehr zum größten Teil die Anleger des Medienfonds. Quelle: obs

 

"Aus dem Nichts heraus ein perfektes Steuersystem zu designen, wird nicht funktionieren. Politik funktioniert anders. Es gibt zu viele Einzelinteressen. Um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, muss man schrittweise vorgehen", sagt Thomas Rixen, Politikwissenschaftler und Ökonom an der Universität Bamberg. Zuvorderst stehe die Frage, was ein Staat überhaupt leisten soll.

Soll sich der Staat aus dem Leben der Bürger größtmöglich heraushalten, lediglich für die Sicherheit seiner Bürger sorgen und Polizei und Streitkräfte stellen? Oder ist es Aufgabe des Staates, Kindergärten, Universitäten, Krankenhäuser und Autobahnen zu unterhalten?

"Nur in einem gefestigten System können Märkte funktionieren"

"Wer wie Paul Ryan in den USA vor dem Hintergrund der enormen Schuldenlast weitere Steuersenkungen befürwortet, muss glauben, dass ein Staat vollkommen verzichtbar ist. Empirisch spricht nichts dafür, dass die Ryan-Pläne zu einer besseren Haushaltslage führen werden", sagt Rixen. "Das scheint mir reine Ideologie zu sein."

Der 37-Jährige beteuert, er sei kein Staatsfreund. In vielen Bereichen könnte etwa die Bundesregierung deutlich besser mit dem Steuergeld umgehen. "Aber ich glaube, dass man einen funktionstüchtigen und starken Staat braucht. Nur in einem gefestigten System können Märkte funktionieren und sind hohe Einkommen möglich", so Rixen, dessen Forschungsfeld die Vergleichende und Internationale Politische Ökonomie ist.

Deutschland hat im ersten Halbjahr 2012 Staatseinnahmen in Höhe von 588 Milliarden Euro verbucht. Wichtigste Einnahmequelle waren die Lohn-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Sie spülten alleine 309 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes.

Wie das deutsche Steuersystem aufgebaut ist

Wie hoch der Beitrag des einzelnen Bundesbürgers ist, liegt an der Höhe seines Einkommens. Bei der Festlegung der Lohn- oder auch Einkommenssteuer gilt seit über 120 Jahren: Je mehr Geld ein Mensch verdient, desto größer ist der Anteil, den er davon an den Staat abtreten muss. Das gilt allerdings nur für die Einkommenssteuer. Zusätzliche Einkünfte, etwa Dividenden-Erlöse und Zinsen werden über die Abgeltungssteuer abgerechnet. Sie liegt bei 25 Prozent.

"Eine Abgeltungssteuer auf Zinsen von 25 Prozent – eine Einkommensquelle, über die hauptsächlich Besserverdienende verfügen – ist eine krasse Bevorzugung der Wohlhabenden. Die rot-grüne Bundesregierung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit der Steuerreform 2000 das Tor aufgemacht zu einer unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Einkommen. Damit verletzt man die horizontale Steuergerechtigkeit, die Gleichbehandlung gleicher Einkommen erfordert", sagt Scherf.

Reiche zahlen weniger

Das weltweite Netz der Steuerhinterziehung
Two women walk past a beggar sitting on the steps of an underground pedestrian crossing in downtown Moscow, Quelle: AP
Fishermen navigate their boats past an area of old buildings, which are under demolition work in front of hotel buildings that are under construction on the man-made Fenghuang (Phoenix) island Quelle: REUTERS
Two Russian women, who did not want to be identified, try on mink coats in Moscow Quelle: AP
Symbolische Schuldscheine Quelle: dpa
A girl hawks local snacks in the Dal neighbourhood before the break of fast on the second day of the holy month of Ramadan in Nigeria Quelle: REUTERS
Currency traders talk in front of the screens showing the Korea Composite Stock Price Index Quelle: dapd
Ein Mitarbeiter nimmt einen 1000 Gramm schweren Goldbarren Quelle: dpa

Um Missverständnisse vorzubeugen: Derzeit entfallen rund drei Viertel des Einkommenssteueraufkommens auf das reichste Viertel der Deutschen. Sie sind der Rückgrat des deutschen Staatshaushaltes.

Allerdings wurden die Superreichen durch die Steuerreform vor mittlerweile zwölf Jahren überproportional stark entlastet. Sie treten im Schnitt 34 Prozent ihres Einkommens an den Fiskus ab. Vor der Reform waren es noch 48 Prozent, schreiben die Wissenschaftler Stefan Bach, Giacomo Corneo und Viktor Steiner in einer Studie für das "German Economic Review". Zudem gebe es einen "Werkzeugkasten an legalen Steuertricks", mit dem sie ihr zu versteuerndes Einkommen drücken konnten.

Die internationalen Spitzensteuersätze

Die Folge: Immer mehr Deutsche empfinden das Steuersystem als ungerecht. In einer Allensbach-Umfrage äußerten 78 Prozent der Befragten ihre Zweifel, dass die Abgabenlast in Deutschland fair verteilt ist. "Was die Bürger umtreibt, ist der berechtigte Verdacht, dass es in unserem Steuersystem eine Vielzahl von Sondervergünstigungen für unterschiedlichste Gruppen gibt – zum Beispiel für Hoteliers, Landwirte oder Aktionäre. Es schleicht sich das Gefühl ein, dass der einfache Lohn- und Mehrwertsteuerzahler der Dumme ist", sagt Scherf.

"Ich glaube, dass niemand gerne Steuern bezahlt", fügt Rixen hinzu. "Deswegen gibt es einen Impuls, das System aus der eigenen Perspektive zunächst einmal als ungerecht zu empfinden – auch wenn das vielleicht gar nicht so ist. Das ist ein nachvollziehbarer Reflex."

Kalte Progression wird billigend in Kauf genommen

Objektiv ungerecht und leistungshemmend – darüber herrscht in Politik und Gesellschaft Einigkeit – ist die kalte Progression. Sie beschreibt das Phänomen, dass Lohnerhöhungen zu einer höheren Abgabenquote führen. Lohnerhöhungen kommen so beim Arbeitnehmer kaum an. Eine Indexierung könnte das Problem beheben. So könnte der Steuertarif automatisch dem jährlichen Wirtschaftswachstum angepasst werden. Andere Länder machen es vor, doch die deutsche Politik verharrt im Stillstand.

Der Verdacht liegt nahe, dass das Gerechtigkeitsproblem durch die kalte Progression von der Politik billigend in Kauf genommen wird. Schließlich führt die kalte Progression automatisch zu Mehreinnahmen. Rixen erklärt: "Den so genannten Mittelstandsbauch wegzunehmen, würde zu massiven Einnahmeausfällen des Staates führen. Das wird wahnsinnig teuer."

Wie ist Steuerflucht zu verhindern?

Typische Irrtümer und häufige Fragen zur Steuererklärung
Wenn die Steuererklärung einmal abgegeben ist, kann ich nichts mehr ändern.Das stimmt nicht. Solange noch kein Steuerbescheid ergangen ist, können alle Unterlagen und Belege beim Finanzamt nachgereicht werden. Auch, wer den Steuerbescheid bereits erhalten hat, kann grundsätzlich innerhalb eines Monats noch etwas nachreichen, erst nach dieser Frist wird der Bescheid bestandskräftig. „Danach wird es sehr kompliziert“, sagt Anita Käding, Steuerexpertin beim Bund der Steuerzahler. „Es gibt aber Fälle, in denen auch später noch etwas an der Steuererklärung geändert werden kann.“ Quelle: dpa
Wenn ich die Steuererklärung freiwillig abgegeben habe, kann ich mich vor einer Nachzahlung drücken.Das stimmt. „Steuerzahler können durch die freiwillige Abgabe einer Einkommensteuererklärung nur gewinnen“, sagt Anita Käding. Denn wer wider Erwarten keine Steuern zurückbekommt, sondern um Nachzahlung gebeten wird, kann den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung wieder zurücknehmen. „Das funktioniert solange der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, also innerhalb eines Monats, nachdem der Bescheid zugegangen ist“, so die Steuerexpertin. Einen Zwang zur Nachzahlung gebe es in der Regel nur dann, wenn der Arbeitgeber vorschriftswidrig zu wenig Lohnsteuer abgeführt hat. Wenn der Steuerzahler jedoch zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet ist, kann er einer etwaigen Nachzahlung nicht entkommen. Quelle: dpa
Wenn ich morgens zehn Kilometer ins Büro fahre und abends zehn Kilometer nach Hause, bekomme ich eine Entfernungspauschale für 20 Kilometer.Das stimmt nicht. Im Rahmen der Entfernungspauschale kann für den Arbeitsweg nur die einfache Entfernung berücksichtigt werden. Ein Entfernungskilometer entspricht also zwei Fahrtkilometern. Wenn die Arbeitsstelle zehn Kilometer von der Wohnung entfernt liegt, kann der Steuerzahler also pro Arbeitstag 10 x 0,30 Euro = 3 Euro als Werbungskosten bei der Einkommensteuererklärung geltend machen. Quelle: dpa
Wenn meine studierende Tochter Kosten für Fachbücher selbst nicht bei der Steuererklärung geltend machen kann, kann ich das tun.Das stimmt nicht. Grundsätzlich gilt: Das Finanzamt kann höchstens so viele Steuern erstatten, wie vorher gezahlt wurden. Wer also nur ein geringes Einkommen mit entsprechend niedrigen Abgaben hat, dem nutzen auch die höchsten Werbungskosten nichts. Eltern, deren Kinder hohe Ausgaben für das Studium haben, glauben deshalb häufig, sie könnten diese Ausgaben selbst geltend machen. Das funktioniert jedoch nicht. Quelle: dpa
Solange mein Kind noch nicht arbeitet, bekomme ich Kindergeld. Das stimmt nicht. Kindergeld wird maximal bis zum 25. Lebensjahr gezahlt. Bedingung dafür ist, dass sich das erwachsene Kind noch in der Ausbildung befindet. Anders herum gilt dies aber nicht. Besonderheiten gelten für erwachsene behinderte Kinder. Bei Kindern, die schon 25 Jahre alt sind, sich aber noch in der Ausbildung befinden, können gegebenenfalls Unterhaltszahlungen geltend gemacht werden. Quelle: dpa
Wenn Handwerker in meinem Haus Arbeiten verrichtet haben, kann ich das immer als Handwerkerleistung geltend machen.Das stimmt nur bedingt. Denn die erste Voraussetzung ist, dass die Arbeit wirklich vor Ort verrichtet wird. Nimmt ein Techniker die Waschmaschine zur Reparatur mit in seine Werkstatt, ist das keine typische Handwerkerleistung mehr. Außerdem darf die Rechnung nicht bar bezahlt werden, ansonsten erkennt das Finanzamt sie nicht an. Pro Jahr können 20 Prozent solcher Kosten, höchstens jedoch 1.200 Euro im Jahr als Steuerbonus anerkannt werden. Quelle: dpa
Wenn ich Studiengebühren bereits vergeblich in einer freiwilligen Steuererklärung geltend gemacht habe, kann ich das bei der nächsten Steuererklärung nicht noch einmal probieren.Das stimmt. Kosten, die beispielsweise im Jahr 2011 entstanden sind, können auch nur in der Steuererklärung für dieses Jahr geltend gemacht werden. „Die Annahme, Studienkosten könnten am Ende des Studiums gebündelt abgesetzt werden, ist ein Irrtum“, sagt Steuerexpertin Anita Käding. Da zu diesem Thema noch Gerichtsverfahren laufen, empfiehlt es sich, abzuwarten und die Steuererklärung – sofern man sie freiwillig macht – erst später abzugeben. „Ausfüllen sollte man die Formulare aber schon jetzt, denn im nächsten Jahr weiß man vielleicht nicht mehr so genau, welche Ausgaben man hatte“, empfiehlt Käding. Quelle: dpa

Ärgerlich für alle ehrlichen Steuerzahler ist zudem, wie dreist und effektiv einige Mitbürger ihre Abgabepflicht umgehen. Steuerhinterziehung – so scheint es – wird in einigen Gesellschaftsgruppen mehr als Kavaliersdelikt denn als schwere Straftat angesehen. Hier ist der Staat in der Pflicht. Er muss dafür Sorge tragen, dass sich Steuerpflichtige nicht der Zahlung entziehen können. Schließlich bedeutet ein faires und gerechtes Steuersystem auch, dass alle Bürger gleichmäßig und effektiv belastet werden – und zwar nicht nur auf dem Papier.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Eine niedrige Spitzensteuer verhilft nicht zu mehr Steuermoral, glaubt Rixen. "Menschen, die bereit sind eine kriminelle Handlung zu begehen, um die Steuerlast auf null zu senken, werden nicht zu Vorzeigebürgern, sobald wir die Steuern um ein paar Prozentpunkte senken." Stattdessen müsse das Bankgeheimnis gelockert werden, pflichtet auch Wolfgang Scherf bei. "Wir müssen das Bankgeheimnis grenzüberschreitend zur Disposition stellen. Dazu gehört auch der massive Druck auf Steueroasen, die Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell betrachten."

Wann also ist ein Steuersystem fair? Glaubt man den Experten, sind folgende Punkte wichtig:

  • Ein progressiver Steuertarif – ohne kalte Progression. Wer viel verdient, soll auch einen höheren prozentualen Anteil zahlen. Lohnerhöhungen dürfen aber nicht vom Fiskus einkassiert werden.

  • Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden. Die legalen Tricks wie die illegalen müssen bekämpft werden, national wie international.

  • Einkommen dürfen nicht unterschiedlich besteuert werden. Der Verdienst bzw. das Einkommen sollte von jedem Bürger pauschal versteuert werden – ohne Spezialsätze für Mieteinkünfte oder Spekulationsgewinne.

Sind diese Punkte erfüllt, muss der Staat nur noch zwei Dinge erfüllen, um die Steuermoral zu erhöhen: Die Regierung muss sorgsam mit dem Geld umgehen – und ihre Ausgaben transparent machen.

Transparenz schafft Vertrauen

Die fiesesten Steuertricks des Staates
Wie der Staat Steuerzahler abzockt Steuererklärung Wenn Steuerzahler beim Ausfüllen der Steuererklärung am Computer ein Feld vergessen und auf diese Weise Steuervorteile verschenken, stellt sich das Finanzamt immer wieder quer. Wer den Fehler erst bemerkt, wenn die einmonatige Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid abgelaufen ist, hat deshalb meist keine Chance auf eine nachträgliche Korrektur. Beim Bundesfinanzhof laufen derzeit mehrere Verfahren zu dieser Frage. Quelle: APN
Studienkosten Positive Gerichtsurteile hebelt die Bundesregierung immer wieder durch neue Gesetze aus. Nachdem der Bundesfinanzhof 2003 entschieden hatte, dass Studienkosten - also etwa Uni-Gebühren oder Ausgaben für Fachliteratur - voll absetzbar sind, erließ die damalige rot-grüne Koalition kurzerhand ein neues Gesetz. Doch 2011 entschied der BFH erneut, dass Studienkosten voll absetzbar sein müssen. Noch ist unklar, wie es nun weitergeht. Quelle: dpa
Die fiesesten Steuertricks des StaatesNicht-AnwendungserlasseEine Option des Bundesfinanzministeriums ist, dass Studienkosten-Urteil des Bundesfinanzhofs "über den entschiedenen Einzelfall hinaus" für nicht anwendbar zu erklären. Die schwarz-gelbe Koalition hatte zwar versprochen, die rechtsstaatlich fragwürdige Praxis der "Nicht-Anwendungserlasse" einzudämmen. Im Fall der Studienkosten hat das Bundesfinanzministerium einen solchen Erlass aber bisher nicht ausgeschlossen. Quelle: dpa
VerfassungswidrigkeitManche neue Steuervorschrift erweist sich wenig später als verfassungswidrig. In den vergangenen Jahren kassierte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht zum Beispiel die Senkung der Pendlerpauschale sowie die beschränkte Absetzbarkeit eines häusliches Arbeitszimmers wieder ein. Quelle: Fotolia
Prostituiertensteuer Besonders einfallsreich zeigt sich der Fiskus, wenn es ums Erfinden neuer Abgaben geht. Die Behörden in Bonn zum Beispiel haben 2011 eine Abgabe von sechs Euro pro Tag für Prostituierte eingeführt. Zahlbar direkt ist die Flat-Tax an einem umgerüsteten Park-Automaten (Foto) in der Nähe des Straßenstrichs ("Steuerticket-Automat"). Die neue Abgabe soll der Stadt 300 000 Euro pro Jahr bringen. Quelle: dpa
PferdesteuerUngemach droht auch Pferdebesitzern. So fordern Finanzpolitiker in mehreren Kommunen, analog zur Hundesteuer eine Pferdesteuer einzuführen. Im Schleswig-holsteinischen Norderstedt zum Beispiel, wo es 3000 Pferde gibt, laufen die Diskussionen auf Hochtouren. Auch im hessischen Taunusstein und in Dortmund gibt es entsprechende Initiativen. Quelle: dapd
Branntweinsteuer Wenn solche Steuern nur vorübergehend erhoben würden, um schwache Phasen zu überbrücken, wäre das ja erträglich. Aber die Erfahrung zeigt: Hat der Staat eine Abgabe erstmal eingeführt, bleibt sie uns auch erhalten. Die Branntweinsteuer etwa wurde vor über hundert Jahren eingeführt, um den Aufbau der kaiserlichen Flotte zu finanzieren - und existiert noch heute. Quelle: dpa

Aktuell sei gerade das nicht der Fall, sagt Wolfgang Scherf. "Der Staat gebärdet sich so, als dürfe er mit allen möglichen Argumenten immer die Hand aufhalten. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass Politiker unter Konsolidierung den tieferen Griff in die Taschen der Bürger verstehen – und nicht etwa einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern", so der Steuerprofessor. "Der Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen liefert beachtliche finanzielle Reserven. Aber viele Politiker verweisen lieber darauf, dass sie Kindergärten, Schwimmbäder oder Büchereien schließen müssen, wenn sie nicht mehr Geld bekommen. So schafft man kein Vertrauen."

Wie es gehen kann, zeigen die nordischen Länder. In Schweden, aber auch in Dänemark sind die Zufriedenheit mit dem Staat und die Steuermoral höher – obwohl die Abgabenquote deutlich höher ist als in Deutschland.

Vorbild Schweden

"In Schweden werden die Bürger sehr stark auf kommunaler Ebene besteuert. Wenn sich vor Ort dann etwas tut und die Leute konkret sehen können, was mit ihren Steuergeldern passiert, hilft das", sagt Rixen.

"Die Regierung muss glaubhaft vermitteln, dass sie sorgsam mit dem Geld der Bürger umgeht und damit Leistungen finanziert, von denen die Bürger profitieren", unterstreicht Scherf. Solche Leistungen seien der Bau von Kindertagesstätten, die Renovierung von Schulen und die Ausbesserung kaputter Straßen.

Punkte, von denen weder Paul Ryan in den USA spricht noch die europäische Linke um François Hollande und Sigmar Gabriel.

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