Wer Paul Ryan einen "Sozialdarwinisten" nennt, erntet ein triumphales Lächeln. Der republikanische Hardliner, den Präsidentschaftskandidat Mitt Romney bei einem Wahlerfolg zu seinem Stellvertreter machen will, ist überzeugt von seinem Steuer- und Sparplan. Er will die Axt an zahlreichen Sozialprogrammen ansetzen, etwa bei Wohnungszuschüssen und Essensmarken sowie der Krankenversicherung für Ältere und Bedürftige. Gleichzeitig will er eine Steuerreform auf den Weg bringen, die die Bürger um fünf Billionen US-Dollar erleichtert. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika die 15-Billionen-Dollar-Grenze längst überschritten haben.
"Wer die Steuern erhöht, würgt die Wirtschaft ab", sagt Ryan, der sich vor einbrechenden Staatseinnahmen nicht fürchtet. Schließlich hält er die Regierung ohnehin für zu spendabel. "Wenn hemmungsloses Geldausgeben zu mehr Jobs führen würde, hätten wir heute in den USA Vollbeschäftigung." Bei den Konservativen erntet der 42-Jährige für seine Aussagen Applaus. Beim Nominierungsparteitag der Republikaner in Tampa (Florida), der von Dienstag bis Donnerstag stattfindet, wird Ryan erneut für eine radikale Reduzierung der Abgabequote kämpfen.
Die größten Infrastruktur-Mängel in den USA
Das Straßenbild der USA ist gezeichnet von Schlaglöchern und Rissen im Asphalt. 36 Prozent der Autobahnen sind durchweg überlastet.
Der Zug gilt in den USA als unzuverlässiges Fortbewegungsmittel. Reisende erreichen ihr Ziel nur bei 77 Prozent der Fahrten pünktlich. Zum Vergleich: in Europa sind es 90 Prozent. Außerdem gibt es kein gut ausgebautes Hochgeschwindigkeitsnetz. Schnellzüge fahren somit im Schnitt nur 115 Kilometer pro Stunde.
Auch bei Flügen ist in den USA mit Verspätungen zu rechnen. Die Flughäfen sind überaltert und überlastet. Drei Prozent der Start- und Landebahnen sind im schlechten Zustand.
Einige der Brücken in den USA gelten nicht nur als überaltert, sondern als gefährlich. Von rund 600.000 Brücken sind 160.000 einsturzgefährdet.
Auch die Staudämme der USA weisen Sicherheitsmängel auf. Ihr Durchschnittsalter beträgt 51 Jahre. Erschreckend sind die Wartungsverhältnisse: In Texas kommen auf 7400 Staudämme lediglich sieben überwachende Ingenieure.
Für die Sanierung von Schulgebäuden investieren die USA zu wenig. Im Jahre 2005 fand der Unterricht von 37 Prozent aller Schulen in improvisierten Klassenräumen aus Fertigbauteilen statt.
Das Stromnetz der Vereinigten Staaten ist marode. Das Risiko von Stromausfällen, verursacht durch Stürme und herabfallende Äste, ist so groß, dass Elektrizitätswerke den US-Bürgern zum Kauf eines eigenen Generators raten.
Die Wasserleitungen der USA zeichnen sich durch ihr Alter von 60 Jahren und die Defekte aus. Knapp 30 Millionen Liter Wasser versickern täglich in der Erde. Auch die Wasserwerke sind veraltet und sanierungsbedürftig.
Das Problem: Die Nutznießer seiner Steuerpläne sind die Besserverdienenden. Ryan will sämtliche Steuern auf Mieteinnahmen, Zinsen und Dividenden – eine Einkommensquelle, über die hauptsächlich Wohlhabende verfügen – schlicht abschaffen. Ist es gerecht, die Reichen zu entlasten? Ist es legitim, dass die Sekretärin von Warren Buffett schon heute mehr Steuern zahlt als ihr milliardenschwerer Boss?
Die US-Demokraten, aber auch die europäische Linke haben auf diese Fragen eine klare Antwort: nein. Ab dem Herbst will der französische Präsident François Hollande eine Reichensteuer einführen. Einkünfte, die eine Million Euro übersteigen, sollen dann zu 75 Prozent an den Fiskus gehen. Die SPD klatscht Applaus. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten Sigmar Gabriel will auch in Deutschland einen deutlich höheren Spitzensteuersatz installieren. Bis zu 50 Prozent ihres Einkommens sollen die Topverdiener abtreten.
"Das ist nicht mehr als symbolische Politik"
"Die Erhöhung der Einkommensteuer auf 75 Prozent wie in Frankreich ist leistungsfeindlich. Solange nicht alle Einkommen erfasst werden, schafft das auch keinen sozialen Ausgleich, sondern vermittelt lediglich den Anschein von Gerechtigkeit und ist nicht mehr als symbolische Politik", entgegnet Wolfgang Scherf, Professor für Öffentliche Finanzen an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Doch wie sieht dann ein Steuersatz aus, der sozial gerecht und leistungsfördernd ist? Welche Punkte müssen beachtet werden?
Was der Staat leisten soll – und was nicht
"Aus dem Nichts heraus ein perfektes Steuersystem zu designen, wird nicht funktionieren. Politik funktioniert anders. Es gibt zu viele Einzelinteressen. Um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, muss man schrittweise vorgehen", sagt Thomas Rixen, Politikwissenschaftler und Ökonom an der Universität Bamberg. Zuvorderst stehe die Frage, was ein Staat überhaupt leisten soll.
Soll sich der Staat aus dem Leben der Bürger größtmöglich heraushalten, lediglich für die Sicherheit seiner Bürger sorgen und Polizei und Streitkräfte stellen? Oder ist es Aufgabe des Staates, Kindergärten, Universitäten, Krankenhäuser und Autobahnen zu unterhalten?
"Nur in einem gefestigten System können Märkte funktionieren"
"Wer wie Paul Ryan in den USA vor dem Hintergrund der enormen Schuldenlast weitere Steuersenkungen befürwortet, muss glauben, dass ein Staat vollkommen verzichtbar ist. Empirisch spricht nichts dafür, dass die Ryan-Pläne zu einer besseren Haushaltslage führen werden", sagt Rixen. "Das scheint mir reine Ideologie zu sein."
Der 37-Jährige beteuert, er sei kein Staatsfreund. In vielen Bereichen könnte etwa die Bundesregierung deutlich besser mit dem Steuergeld umgehen. "Aber ich glaube, dass man einen funktionstüchtigen und starken Staat braucht. Nur in einem gefestigten System können Märkte funktionieren und sind hohe Einkommen möglich", so Rixen, dessen Forschungsfeld die Vergleichende und Internationale Politische Ökonomie ist.
Deutschland hat im ersten Halbjahr 2012 Staatseinnahmen in Höhe von 588 Milliarden Euro verbucht. Wichtigste Einnahmequelle waren die Lohn-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Sie spülten alleine 309 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes.
Wie das deutsche Steuersystem aufgebaut ist
Im vergangenen Jahr hat die Bundesrepublik insgesamt 573,4 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. 2010 waren es noch 8,1 Prozent beziehungsweise 42,8 Milliarden Euro weniger. Grund dafür ist die Konjunkturerholung im letzten Jahr: Je besser es der Wirtschaft geht, desto mehr landet in der Staatskasse. Nach der Steuerverteilung blieben dem Bund 248 Milliarden Euro Steuereinnahmen, den Ländern 224,3 Milliarden Euro und den Gemeinden 76,6 Milliarden Euro. An die Europäische Union wurden von den Steuereinnahmen 24,5 Milliarden Euro abgeführt.
Der Bund verdiente im Jahr 2011 am meisten mit der Energiesteuer: 40 Milliarden Euro spülte diese in den Bundeshaushalt. Die Bundesländer bestritten den größten Teil ihrer Einnahmen mit der Grunderwerbssteuer in Höhe von 6,4 Milliarden. Die Gemeinden verdienten am meisten mit der Gewerbesteuer. Diese hatte 2011 einen Anteil 40,4 Milliarden Euro ausgemacht.
Den größten Teil der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands 2011 machten die sogenannten Gemeinschaftsteuern in Höhe von 403,6 Milliarden Euro aus. Zu diesen Gemeinschaftsteuern trugen die Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer) mit 190 Milliarden Euro und die Lohnsteuer mit 139,7 Milliarden Euro den größten Teil bei.
Die Abgabenquote ist der Anteil der Steuern und Sozialabgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Prozent. Im vergangenen Jahr beispielsweise machten Steuern und Sozialausgaben 38,2 Prozent des BIPs aus, die Abgabenquote betrug also 38,2 Prozent (Quelle: Bundesministerium der Finanzen, BMF)
Entscheidend ist allerdings die Berechnung der Quote: Zwischen den einzelnen Ergebnissen für die Abgabenquote Deutschlands liegen, je nachdem, ob sie vom BMF, dem Bundesamt für Statistik oder der OECD kommen, bis zu zweit Prozent Unterschied.
Fast überall auf der Welt gibt es direkte und indirekte Steuern. Direkte Steuern zahlt der sogenannte Steuerschuldner direkt an die jeweilige Institution, der er die Steuern schuldet. Zu den direkten Steuern gehören beispielsweise die Einkommenssteuer, die Abgeltungssteuer und die Kfz-Steuer.
Die indirekten Steuern zahlt nicht der, der sie schuldet, sie werden statt dessen übertragen. Zu den indirekten Steuern gehören beispielsweise die Tabaksteuer, die Branntwein- oder die Biersteuer. Statt des Unternehmens, das das Bier produziert, zahlt derjenige die Steuer, der das Bier kauft. Die indirekte Steuer wird also auf den Preis des Produktes aufgeschlagen und somit auf den Kunden abgewälzt.
Die Einkommensteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen eines Staates - und zwar weltweit. Nur die Höhe der Steuern, die natürliche Personen auf ihr Einkommen zahlen müssen, ist von Land zu verschieden.
Die Abgeltungssteuer ist relativ neu und wird auf Kapitalerträge - also Einkünfte aus Zinsen und Dividenden - erhoben. Sie gilt deshalb als eine Form der Einkommenssteuer. Seit dem Jahr 2009 müssen Kapitalerträge immer mit 25 Prozent besteuert werden. Allerdings gibt es eine Freigrenze, den sogenannten Sparer-Pauschbetrag. Dieser liegt bei Alleinstehenden bei 801 Euro und bei Ehepaaren bei 1602 Euro. Das heißt, dass ein Ehepaar, das mehr als 1602 Euro an Kapitalvermögen hat, für den darüber hinausgehenden Betrag 25 Prozent Steuern zahlen muss. Singles, die beispielsweise 1000 Euro an Zinsen und Dividenden im Monat bekommen, versteuern also 199 Euro zu 25 Prozent.
Trotz Gehaltserhöhung bleibt am Ende weniger vom Lohn übrig? Das geht ganz ohne Geld verprassen: Die kalte Progression kann dafür sorgen, dass der Reallohn sinkt. Wenn die Gehaltserhöhung bloß zum Inflationsausgleich führt - wer bei einer Inflationsrate von zwei Prozent also nur zwei Prozent mehr Lohn bekommt - und der Einkommenssteuersatz nicht angepasst wird, sinkt das Realeinkommen.
Wie hoch der Beitrag des einzelnen Bundesbürgers ist, liegt an der Höhe seines Einkommens. Bei der Festlegung der Lohn- oder auch Einkommenssteuer gilt seit über 120 Jahren: Je mehr Geld ein Mensch verdient, desto größer ist der Anteil, den er davon an den Staat abtreten muss. Das gilt allerdings nur für die Einkommenssteuer. Zusätzliche Einkünfte, etwa Dividenden-Erlöse und Zinsen werden über die Abgeltungssteuer abgerechnet. Sie liegt bei 25 Prozent.
"Eine Abgeltungssteuer auf Zinsen von 25 Prozent – eine Einkommensquelle, über die hauptsächlich Besserverdienende verfügen – ist eine krasse Bevorzugung der Wohlhabenden. Die rot-grüne Bundesregierung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit der Steuerreform 2000 das Tor aufgemacht zu einer unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Einkommen. Damit verletzt man die horizontale Steuergerechtigkeit, die Gleichbehandlung gleicher Einkommen erfordert", sagt Scherf.
Reiche zahlen weniger
Um Missverständnisse vorzubeugen: Derzeit entfallen rund drei Viertel des Einkommenssteueraufkommens auf das reichste Viertel der Deutschen. Sie sind der Rückgrat des deutschen Staatshaushaltes.
Allerdings wurden die Superreichen durch die Steuerreform vor mittlerweile zwölf Jahren überproportional stark entlastet. Sie treten im Schnitt 34 Prozent ihres Einkommens an den Fiskus ab. Vor der Reform waren es noch 48 Prozent, schreiben die Wissenschaftler Stefan Bach, Giacomo Corneo und Viktor Steiner in einer Studie für das "German Economic Review". Zudem gebe es einen "Werkzeugkasten an legalen Steuertricks", mit dem sie ihr zu versteuerndes Einkommen drücken konnten.
Die internationalen Spitzensteuersätze
Die Griechen haben einen vergleichsweise niedrigen Spitzensteuersatz von 40 Prozent. Die Abgabenquote, also der Anteil an Steuern und Sozialabgaben des Bruttosozialprodukts, betrug im Jahr 2010 nach OECD-Erhebungen 30,9 Prozent.
Noch weniger zahlen die reichen Amerikaner. Der höchste Steuersatz beträgt 35 Prozent - und der Wert ist seit zehn Jahren konstant. Auch in puncto Abgabenquote ist Amerika mit 24,8 Prozent mehr als bescheiden.
Frankreich hat derzeit noch einen mittleren Spitzensteuersatz von 41 Prozent. Ab Herbst 2012 will die Regierung jedoch einen Höchstsatz von 75 Prozent durchsetzen. Das wäre der höchste Satz in ganz Europa. Die Abgabenquote der Franzosen betrug vor zwei Jahren 44,4 Prozent. Das heißt, dass 44,4 Prozent des BIPs aus Steuern und Sozialabgaben bestanden.
Italien hat seinen Spitzensteuersatz zuletzt im Jahr 2005 verändert. Damals wurde der Satz von 45 auf 43 Prozent gesenkt. Genauso hoch, also 43 Prozent, ist auch die italienische Abgabenquote im Jahr 2010 gewesen.
Im Jahr 2011 betrug der Höchststeuersatz in Spanien 45 Prozent. So hoch war er bis zum Jahr 2006 schon einmal, wurde dann aber auf 43 Prozent gesenkt. Im Zuge der Sparmaßnahmen setzte die spanische Regierung den Satz vergangenes Jahr dann wieder herauf. Nur die Abgabenquote ist mit 31,7 Prozent vergleichsweise niedrig.
Wie auch in Spanien beträgt der deutsche Spitzensteuersatz 45 Prozent. Im Jahr 2003 betrug er noch 57 Prozent. Die deutsche Abgabenquote liegt mit 38,2 Prozent (Stand 2011) allerdings über der der Spanier.
Die Schweden sind, was den Höchststeuersatz angeht, ganz weit vorne. Reiche Schweden müssen 56,6 Prozent ihres Einkommens versteuern, 2003 waren es noch 57 Prozent. Allgemein zahlen die Schweden recht viel Steuern: Die Abgabenquote betrug im vergangenen Jahr 45,8 Prozent.
Die Folge: Immer mehr Deutsche empfinden das Steuersystem als ungerecht. In einer Allensbach-Umfrage äußerten 78 Prozent der Befragten ihre Zweifel, dass die Abgabenlast in Deutschland fair verteilt ist. "Was die Bürger umtreibt, ist der berechtigte Verdacht, dass es in unserem Steuersystem eine Vielzahl von Sondervergünstigungen für unterschiedlichste Gruppen gibt – zum Beispiel für Hoteliers, Landwirte oder Aktionäre. Es schleicht sich das Gefühl ein, dass der einfache Lohn- und Mehrwertsteuerzahler der Dumme ist", sagt Scherf.
"Ich glaube, dass niemand gerne Steuern bezahlt", fügt Rixen hinzu. "Deswegen gibt es einen Impuls, das System aus der eigenen Perspektive zunächst einmal als ungerecht zu empfinden – auch wenn das vielleicht gar nicht so ist. Das ist ein nachvollziehbarer Reflex."
Kalte Progression wird billigend in Kauf genommen
Objektiv ungerecht und leistungshemmend – darüber herrscht in Politik und Gesellschaft Einigkeit – ist die kalte Progression. Sie beschreibt das Phänomen, dass Lohnerhöhungen zu einer höheren Abgabenquote führen. Lohnerhöhungen kommen so beim Arbeitnehmer kaum an. Eine Indexierung könnte das Problem beheben. So könnte der Steuertarif automatisch dem jährlichen Wirtschaftswachstum angepasst werden. Andere Länder machen es vor, doch die deutsche Politik verharrt im Stillstand.
Der Verdacht liegt nahe, dass das Gerechtigkeitsproblem durch die kalte Progression von der Politik billigend in Kauf genommen wird. Schließlich führt die kalte Progression automatisch zu Mehreinnahmen. Rixen erklärt: "Den so genannten Mittelstandsbauch wegzunehmen, würde zu massiven Einnahmeausfällen des Staates führen. Das wird wahnsinnig teuer."
Wie ist Steuerflucht zu verhindern?
Ärgerlich für alle ehrlichen Steuerzahler ist zudem, wie dreist und effektiv einige Mitbürger ihre Abgabepflicht umgehen. Steuerhinterziehung – so scheint es – wird in einigen Gesellschaftsgruppen mehr als Kavaliersdelikt denn als schwere Straftat angesehen. Hier ist der Staat in der Pflicht. Er muss dafür Sorge tragen, dass sich Steuerpflichtige nicht der Zahlung entziehen können. Schließlich bedeutet ein faires und gerechtes Steuersystem auch, dass alle Bürger gleichmäßig und effektiv belastet werden – und zwar nicht nur auf dem Papier.
Welche Strafen Steuertricksern drohen
Hier wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt, die in etwa einem Jahresnettoeinkommen des Steuerpflichtigen entspricht.
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln die Geldstrafe nach so genannten Tagessätzen. Der Geldbetrag für einen Tagessatz soll dem Tagesnettoeinkommen entsprechen.
Hat jemand ein Jahreseinkommen von 50.000 Euro brutto und Abzüge von 20.000 Euro für Steuern, Versicherungen und ähnlichem, so wäre der Tagessatz 82 Euro (gerechnet: 30.000:365).
Bei einer Hinterziehung von 10.000 Euro werden in der Regel 365 Tagessätze verhängt. Das bedeutet im Beispielsfall 365x82 = 29.930 Euro. Die Geldstrafe läge also bei rund 30.000 Euro.
Bei hohen Einkommen kann laut Experten die Strafe durchaus höher als die hinterzogene Steuer sein. Schließlich soll sich Steuerhinterziehung ja nicht lohnen.
Bei 20.000 Euro kommt man zu rund 440 Tagessätzen. Die Strafe läge im Beispielsfall dann 36.080 Euro.
Es ist bekannt, dass in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich streng bestraft wird. Eine interne Tabelle weist dies nach. Insofern gelten die hier genannten Strafrahmen nicht absolut, sondern sind lediglich Faustregeln.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Az. 1 StR 525/11) ist die Chance, auch bei schweren Steuervergehen um eine Haftstrafe herumzukommen, deutlich gesunken. Die Karlsruher Richter haben mit ihrer Entscheidung ein Urteil des Landgerichts Augsburg kassiert, das einen Unternehmer wegen 1,1 Millionen Euro hinterzogener Steuern nur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt hatte. Dieses Strafmaß sei zu gering, entschied der BGH. Das Urteil liegt im Trend, glaubt Martin Wulf von der auf Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Streck Mack Schwedhelm: „In der Tendenz ziehen die Sanktionen an“, sagt der Jurist.
Eine niedrige Spitzensteuer verhilft nicht zu mehr Steuermoral, glaubt Rixen. "Menschen, die bereit sind eine kriminelle Handlung zu begehen, um die Steuerlast auf null zu senken, werden nicht zu Vorzeigebürgern, sobald wir die Steuern um ein paar Prozentpunkte senken." Stattdessen müsse das Bankgeheimnis gelockert werden, pflichtet auch Wolfgang Scherf bei. "Wir müssen das Bankgeheimnis grenzüberschreitend zur Disposition stellen. Dazu gehört auch der massive Druck auf Steueroasen, die Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell betrachten."
Wann also ist ein Steuersystem fair? Glaubt man den Experten, sind folgende Punkte wichtig:
Ein progressiver Steuertarif – ohne kalte Progression. Wer viel verdient, soll auch einen höheren prozentualen Anteil zahlen. Lohnerhöhungen dürfen aber nicht vom Fiskus einkassiert werden.
Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden. Die legalen Tricks wie die illegalen müssen bekämpft werden, national wie international.
Einkommen dürfen nicht unterschiedlich besteuert werden. Der Verdienst bzw. das Einkommen sollte von jedem Bürger pauschal versteuert werden – ohne Spezialsätze für Mieteinkünfte oder Spekulationsgewinne.
Sind diese Punkte erfüllt, muss der Staat nur noch zwei Dinge erfüllen, um die Steuermoral zu erhöhen: Die Regierung muss sorgsam mit dem Geld umgehen – und ihre Ausgaben transparent machen.
Transparenz schafft Vertrauen
Aktuell sei gerade das nicht der Fall, sagt Wolfgang Scherf. "Der Staat gebärdet sich so, als dürfe er mit allen möglichen Argumenten immer die Hand aufhalten. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass Politiker unter Konsolidierung den tieferen Griff in die Taschen der Bürger verstehen – und nicht etwa einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern", so der Steuerprofessor. "Der Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen liefert beachtliche finanzielle Reserven. Aber viele Politiker verweisen lieber darauf, dass sie Kindergärten, Schwimmbäder oder Büchereien schließen müssen, wenn sie nicht mehr Geld bekommen. So schafft man kein Vertrauen."
Wie es gehen kann, zeigen die nordischen Länder. In Schweden, aber auch in Dänemark sind die Zufriedenheit mit dem Staat und die Steuermoral höher – obwohl die Abgabenquote deutlich höher ist als in Deutschland.
Vorbild Schweden
"In Schweden werden die Bürger sehr stark auf kommunaler Ebene besteuert. Wenn sich vor Ort dann etwas tut und die Leute konkret sehen können, was mit ihren Steuergeldern passiert, hilft das", sagt Rixen.
"Die Regierung muss glaubhaft vermitteln, dass sie sorgsam mit dem Geld der Bürger umgeht und damit Leistungen finanziert, von denen die Bürger profitieren", unterstreicht Scherf. Solche Leistungen seien der Bau von Kindertagesstätten, die Renovierung von Schulen und die Ausbesserung kaputter Straßen.
Punkte, von denen weder Paul Ryan in den USA spricht noch die europäische Linke um François Hollande und Sigmar Gabriel.