Steueroasen Liechtenstein sucht nach neuen Einnahmequellen

In Liechtenstein bleiben die Besucher mit den Geldkoffern aus. Jetzt ist wieder eine CD mit Bankdaten aufgetaucht. Dabei setzt das Fürstentum neuerdings auf Tourismus. Ein Besuch in einem verunsicherten Ländlein.

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Kunstmuseum Liechtenstein

Wussten Sie schon...“, so fangen viele Gespräche in Liechtenstein an. „Wussten Sie, dass praktisch in jedem deutschen Auto eine liechtensteinische Lenksäule ist?“ „Wussten Sie, dass jeder fünfte Deutsche Zahnersatz aus Liechtenstein im Mund hat?“ Natürlich weiß der Gast aus Deutschland das nicht. Aber er ahnt es, wenn er zwischen Rugell und Balzers das Fürstentum durchmisst und dabei vor allem auf Monumente des Gewerbefleißes stößt, die Hilti oder Ivoklar Vivadent heißen. Liechtenstein – das ist auf der rechten Rheinseite ein knapp 25 Kilometer langer Industriepark. Das perfekte Spiegelbild eines Volks, das seinen wundersamen wirtschaftlichen Aufstieg gern seiner alemannischen Schaffer-Mentalität zuschreibt.

In diesem Stolz steckt ein gutes Stück schlechtes Gewissen: Die Liechtensteiner sind es leid, auf den Finanzplatz reduziert zu werden, auf Scheinfirmen und Steuerflucht. Zu lange sahen sie großzügig darüber hinweg, dass es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein konnte beim Wirtschaftswunder Liechtenstein. Spätestens seit Frühjahr 2008, als deutschen Steuerfahndern geheime Bankdaten in die Hände gespielt wurden und Hunderte von Steuersündern aufflogen, ist das Wegsehen schwieriger geworden. Und stetig müssen sie wieder hinsehen, wie vergangenen Donnerstag als die „Süddeutsche Zeitung“ von einer weiteren CD mit Daten deutscher Kunden der Liechtensteinischen Landesbank berichtete, die schon vor Monaten der Finanzverwaltung in Schleswig-Holstein angeboten worden sei. Liechtenstein stand und steht am Pranger: als Komplize von kriminellem Kapital.

Endgültiger Abschied vom Schwarzgeld?

Die Affäre vor zwei Jahren hat die Bevölkerung „sehr stark getroffen, es war eine Art Schock“, sagt Martin Meyer, der Wirtschaftsminister und stellvertretende Regierungschef des Fürstentums, „die Berichterstattung der Medien wurde als einseitig empfunden.“ Das Land schrie auf, schämte sich ein bisschen – und trat mit dem ihm eigenen Pragmatismus die Flucht nach vorn an: Die Regierung bekannte sich im März 2009 zu den globalen Standards der Transparenz in Steuerfragen. „Im Bereich der internationalen Steuerkooperation arbeiten wir nun enger zusammen“, sagt Meyer mit weichem alemannischem Zungenschlag, sodass man es ihm am liebsten sofort glauben möchte. Ein endgültiger Abschied vom Schwarzgeld? Ein Paradigmenwechsel im Land der immerwährenden Geldvermehrung?

Der in Bern lehrende Historiker Christoph Maria Merki sieht das Land tatsächlich auf dem besten Weg „vom Schmuddelkind zum Musterknaben“. Das „liechtensteinische Steuersparmodell“, der „zentrale Standortvorteil“, sei tot – und Liechtenstein auf dem Weg zurück vom Bankenland zum Bauernland?

Wie viel Geld, seit der Liechtenstein-Affäre aus dem Land abgeflossen ist, weiß niemand genau. Der Finanzplatz Liechtenstein, beteuert Minister Meyer, sei „gestärkt aus der Krise hervorgegangen“. Ob Liechtenstein der Prototyp für ein Bankenland mit Reinheitsgebot ist, darüber darf gestritten werden. Doch auf einmal muss sich das Land mit Sorgen plagen, die es nur von den Nachbarn zu kennen glaubte: sinkende Einnahmen. Der einzige Oppositionspolitiker im Landtag, Pepo Frick, berichtet von einer ganz neuen Erfahrung im „Ländle“: Das Fürstentum, in dem Staatsverschuldung bisher unbekannt war, muss in den kommenden Jahren ein Defizit von 160 Millionen Schweizer Franken einsparen, immerhin 20 Prozent des Haushalts. „Wir müssen etwas tun“, so Pepo Frick, „was wir nie gelernt haben.“

Wanderstiefel statt Banknoten

Dabei soll auch der Tourismus helfen, der bisher mit vier Prozent zur Wertschöpfung des Landes beiträgt. 78.000 Gäste beherbergte Liechtenstein im vergangenen Jahr. Das muss mehr werden, wenn der Tourismus die schwindenden Einkünfte auch nur ein wenig kompensieren soll. Die Menschen sind eingeladen, Ferngläser und Wanderstiefel statt Banknoten im Koffer mitzubringen und so den Reichtum der Bürger zu mehren. Für Hubertus Real, den Chef des Parkhotels Sonnenhof oberhalb von Vaduz, heißt das, kräftig zu investieren. Nach der ersten Hälfte des Boomjahres 2008, als Journalisten und Geschäftstouristen „en masse“ gekommen waren, blieben die Gäste, vor allem die Treuhandkunden, aus. Der Sonnenhof reagierte mit Wellness-Angeboten: Massagen und Gesichtsbehandlungen sollen neue Wochenendgäste locken. Bis zu drei Millionen Franken will Real in den Ausbau der Terrasse investieren, die eine Postkarten-Aussicht auf Schloss Vaduz bietet, das trutzige Herz des Fürstentums.

„Wir profitieren vom Fürstenhaus“, meint Real, „der Fürst regiert und verlangt nichts dafür.“ Dass Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein als Staatsoberhaupt zugleich Geschäftsmann und sein Bruder Max oberster Banker des Landes ist, irritiert die Liechtensteiner nicht sonderlich. Was gut ist für das Fürstenhaus, denken die Liechtensteiner in ihrer Mehrheit, ist auch gut für Liechtenstein. Der Fürst gilt als volksnah und bodenständig. Es heißt, er trage in der Freizeit gern hellblaue Hemden und beige Hosen, fahre immer noch seinen alten roten Audi A 6 und laufe gern barfuß mit seinem Hund durch den Wald. Am Nationalfeiertag, dem 15. August, lädt er auf die Schlosswiese. Dann schenkt der Fürst Bier aus und das Volk feiert. Essen und Trinken sind gratis.

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