Stilllegung des Regierungsapparats in den USA Trumps teurer Ausnahmezustand

Quelle: REUTERS

Der Haushaltsstreit ist eskaliert, seit Mitternacht herrscht in den USA Stillstand der Bundesbehörden. Der Shutdown ist nicht nur frustrierend für alle Beteiligten - sondern auch kostspielig.

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In der sehr liberalen US-Hauptstadt Washington nimmt man den drohenden Ausnahmezustand noch mit Humor. Einige Kneipen boten am Freitagabend Getränke-Specials zur nahenden Schließung der Bundesbehörden an. „Affordable Beer Act“ hieß ein Cocktail in der „Capitol Bar“, und „C’mon Chuck“, in Anspielung auf den Widerstand des demokratischen Minderheitenführers im US-Senat, Chuck Schumer. Andere Lokale lockten mit Rabatten für Regierungsmitarbeiter. Der sogenannte „Shutdown“, der seit Freitag um Mitternacht landesweit gilt, ist mancherorts noch ein Event zum Kichern und Prosten.

Dabei ist so ein Regierungsstillstand alles andere als lustig. Die staatliche Finanzierung für den Bundeshaushalt lief am Freitag um Mitternacht aus. Der öffentliche Dienst in den USA kommt damit automatisch in Teilen zum Erliegen. Viele Ämter und Behörden werden bis auf weiteres geschlossen bleiben, darunter auch bundeseigene Museen oder andere Freizeiteinrichtungen. Auch wenn die USA schon mehrere Shutdowns hinter sich haben, ist der aktuelle bemerkenswert: Sein Auftakt fällt auf den ersten Jahrestag der Donald-Trump-Präsidentschaft an diesem Wochenende. Ungewöhnlich ist auch, dass sich so ein Shutdown unter einem US-Präsidenten ereignet, dessen Partei beide Kammern des Kongresses dominiert.

Seit Monaten streiten Republikaner und Demokraten über die Ausgaben für das Haushaltsjahr 2018. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, einen vernünftigen Kompromiss zu blockieren. Schumer hatte sich am Freitagnachmittag erfolglos im Weißen Haus mit Trump getroffen, um über eine mögliche Last-Minute-Einigung zu verhandeln.

Was auf die USA beim Regierungsstillstand zukommt

In der Nacht zum Samstag stimmte dann der Senat formal über einen Notfall-Finanzierungsplan ab. Das Konzept bekam nicht die notwendige Mehrheit von 60 Stimmen: Auf republikanischer Seite gab es vier Nein-Stimmen, auf demokratischer 44.

Während des Shutdowns werden Bundesbedienstete in „systemrelevante“ und „nicht systemrelevante“ Gruppen eingeteilt. Letztere erhalten eine Art unbezahlten Zwangsurlaub. Sie müssen zu Hause bleiben, bis der Shutdown aufgehoben ist - bekommen aber für den Zeitraum der Stilllegung keine Gehaltsschecks.

In besonders wichtigen Einrichtungen, etwa bei der Grenzkontrolle, beim Militär oder der Flugsicherung, bleibt der Betrieb aufrechterhalten. Auch Dienstleistungen des täglichen Lebens, wie die Postzustellung, laufen weiter. Vom Shutdown betroffen sind in der Regel Nationalparks, Museen und Zoos, sowie staatliche Gesundheitsprogramme, föderale Forschungsinstitute, die Umweltschutzbehörde und diverse Zulassungsbehörden, etwa für Medikamente oder Waffen. Allerdings ist noch unklar, wie groß das Ausmaß des aktuellen Shutdowns wird. Das Weiße Haus sagte am Freitagabend, dass es Nationalparks offenhalten und die Zahl der Ranger und des Wachpersonals nicht reduzieren wolle.

Sollte der Shutdown länger als über das Wochenende anhalten, dürfte in jedem Fall die Steuerbehörde IRS betroffen sein. Ausgerechnet die Angestellten also, die Trumps Steuerreform umsetzen sollen, wären dann zum Nichtstun verdammt. „Nur 43,5 Prozent der 80.565 Beamten und Angestellten der Agentur dürfen am Arbeitsplatz bleiben. Alle anderen werden nach Hause geschickt“, berichtete CNN.

Trumps Steuer-Weihnachtsgeschenk
Es wäre vor allem für US-Unternehmen ein Weihnachtsgeschenk mit Milliarden-Entlastungen. Noch in dieser Woche dürfte der Kongress in Washington nach langem Ringen eine umfassende Steuerreform verabschieden, Präsident Donald Trump könnte das Gesetz noch vor den Feiertagen unterzeichnen. Es wäre der wohl größte Erfolg seiner bisherigen Amtszeit - jenseits des Atlantiks aber sind Wirtschaftsverbände und Regierungen alles andere als begeistert. Quelle: dpa
Was ist der Kern der US-Steuerreform?Das Paket umfasst Steuersenkungen im Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar (1,27 Billionen Euro). Zu den Kernpunkten gehört eine massive Senkung der Unternehmensteuern von derzeit 35 auf 21 Prozent. Auch die meisten übrigen Steuerzahler können davon ausgehen, dass sie zumindest vorübergehend weniger Geld an den Fiskus abführen müssen. Allerdings profitierten die Reichen entgegen Trumps Ankündigungen deutlich stärker als die Ärmeren und die Mittelschicht, so die Kritik der oppositionellen Demokraten. Quelle: dpa
Wie stehen die USA bei den Unternehmensteuern im internationalen Vergleich da?Derzeit sind die Steuern für Firmen sehr hoch. Bei einer Senkung auf 21 Prozent läge die größte Volkswirtschaft der Welt knapp unterhalb des Durchschnitts der meisten Wettbewerber (23 Prozent). Innerhalb der EU gibt es Länder, die ihren Unternehmen noch geringere Steuern ermöglichen - darunter Großbritannien und Irland. Die USA lägen nur knapp unter dem EU-Durchschnitt von etwas mehr als 22 Prozent. Quelle: dpa
Birgt die Reform Risiken für die Vereinigten Staaten?Die Risiken sind groß. Die ohnehin riesige Schuldenlast wird durch die enormen Entlastungen von Unternehmen und dadurch bedingte Mindereinnahmen des Staates noch größer. Kritiker merken an, künftige Generationen von Steuerzahlern hätten die Rechnung zu bezahlen. Zuletzt hatte die amtierende Notenbank-Chefin Janet Yellen ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht. Es droht ferner ein Überhitzen der ohnehin fast auf voller Kapazität fahrenden US-Wirtschaft. Die Anreize könnten verpuffen, weil die Unternehmen sich entscheiden könnten, nicht in die reife heimische Ökonomie zu investieren, sondern anderswo. Viele Ökonomen sprechen deshalb von einer „Unzeit“ für die Reform, die Trump aus politischen Gründen durchboxen will. Quelle: AP
Was sagen die Regierungen Europa und Deutschland?Sie warnen vor Wettbewerbsverzerrungen im Handel mit den USA. Peter Altmaier (CDU) und vier weitere europäische Finanzminister warnten in einem Brief an ihren US-Amtskollegen vor einer Benachteiligung ausländischer Firmen. Sorge bereitet ihnen etwa eine angedachte Steuer von 20 Prozent auf Zahlungen an Konzernteile außerhalb der USA - eine Art Sonderabgabe. Es geht um eine Regelung namens „excise tax“, die das Repräsentantenhaus gefordert hatte. Dies würde etwa Autokonzerne mit Produktionsstandorten in den USA treffen, weil sie viele Teile für die Montage etwa aus Deutschland einführen. Unklar blieb, ob in dem nun gefundenen, fast 500 Seiten starken Kompromiss mit dem Senat eine solche Regelung - die zu einer Doppelbesteuerung führen könnte - noch enthalten ist. Experten der Bundesregierung sowie von Wirtschaftsverbänden prüfen dies derzeit intensiv. Aus Sicht des DIHK ist wohl nach wie vor geplant, einen Teil der konzerninternen Leistungen steuerlich höher zu belasten: „Man wird hier noch genauer prüfen müssen, welche Leistungen im Detail betroffen sind und ob damit nicht gegen internationale Vereinbarungen verstoßen wird.“ Quelle: dpa
Was könnten Folgen der Reform für die deutsche Wirtschaft sein - kommt es zu einem Steuerwettlauf?Viele Politiker in Europa - unabhängig von Parteigrenzen, aber auch Wirtschaftsverbände und Ökonomen - befürchten dies. Auch ohne eine Sondersteuer auf konzerninterne Zahlungen werden teilweise große Nachteile für die deutsche Wirtschaft befürchtet. Die größte Sorge: Durch die Senkung der Unternehmensteuern könnten Investitionen in die USA verlagert werden - und in Deutschland sinken. Dies könnte am Ende auf Kosten deutscher Jobs gehen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezeichnete die US-Reform bereits als „absolute Kampfansage“. Zwar könnten von einer Belebung der US-Konjunktur durch eine Steuerreform indirekt auch deutsche Unternehmen profitieren, denn die USA importieren viele deutsche Produkte. Allerdings: Eine Senkung der US-Unternehmensteuern schaffe Anreize für deutsche Unternehmen, profitable Investitionen in die USA selbst zu verlagern, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo, Clemens Fuest: „Das ist aber schlecht für Deutschland, wir wollen diese Investitionen hier, wir brauchen die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen.“ Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: „Der Steuerwettbewerb wird fulminant angeheizt.“ Dies liegt aber auch daran, dass die USA eine neue Methodik zur Steuererhebung anwenden wollen, die mit den mühsam international vereinbarten Grundsätzen - etwa bei den G20 - nur schwer vereinbar ist. Quelle: dpa
Und welche Auswirkungen könnte eine US-Reform auf die Unternehmensteuern in Deutschland haben?Die deutsche Industrie hat sich schon klar positioniert: Wenn die USA die Steuern für Unternehmen senken, müsse Deutschland nachziehen. Sprich: Auch hier solle dann die Last verringert werden. Hierzulande liegen die Unternehmensteuern derzeit bei mehr als 30 Prozent. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, forderte, Deutschland werde die Steuerbelastungen seiner Wirtschaft überprüfen müssen. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung liege schon zehn Jahre zurück. BDI-Präsident Kempf sagte: „Steuerpolitik ist immer auch Standortpolitik.“ Quelle: dpa

Und auch die boomende US-Wirtschaft, auf die Trump immer wieder stolz verweist, könnte unter einem längeren Shutdown leiden. Ein Regierungsstillstand würde das Bruttoinlandsprodukt der USA um 0,2 Prozent, beziehungsweise um bis zu 6,5 Milliarden Dollar pro Woche senken. Zu diesem Schluss kommt Beth Ann Bovino, Chef-Ökonomin bei S&P Global Ratings.

Der Grund sind die indirekten Kosten, denn ein Shutdown betrifft nicht nur staatliche Angestellte und Agenturen, warnte die Expertin gegenüber „Axios“. Leidtragende seien auch private Auftragnehmer. „Sie werden einige ihrer Investitionen aufschieben, bis sie mehr Sicherheit haben“.
Die Schließung von Nationalparks und Denkmälern schade zudem lokalen Unternehmen, die auf den Tourismus angewiesen sind. Der Shutdown von 2013, der 16 Tage andauerte, erhöhte das Haushaltsdefizit um mindestens zwei Milliarden Dollar. Trump warf den Demokraten vor, seine Politik sabotieren zu wollen: „Die Demokraten legen es auf den Shutdown an, um meinen großen Steuersenkungserfolg zu schmälern“, twitterte er.
Doch die Gründe für die Eskalation sind vielschichtig. Im Mittelpunkt stehen Probleme, die US-Kongress und Regierung seit Monaten nicht in den Griff bekommen. So ringen Demokraten und Republikaner um eine Lösung für knapp 700.000 undokumentierte Einwanderer, die als Kinder illegal mit ihren Eltern in die USA kamen, bekannt als „Dreamer“. Teilweise leben sie seit Jahrzehnten im Land, die allermeisten sind gut integriert, arbeiten oder studieren. Bis März sind sie durch eine Initiative der Obama-Ära, der „Deferred Action for Children Arrivals“ (DACA), vor Abschiebung geschützt.

Die Demokraten fordern, dass der neue Haushaltsplan diesen Schutz permanent verankert. Trump hatte zunächst angekündigt, er sei offen für einen Kompromiss und sprach von einem „parteiübergreifenden Gesetz der Liebe“. Doch dann rückte er von einer Einigung ab.
Ein Teil der Republikaner pocht zudem auf eine Deckelung der Ausgaben für alle Bereiche - abgesehen vom Militär. Die Demokraten wollen kletternde Rüstungsausgaben aber nur mittragen, wenn auch andere Ausgaben steigen: etwa in Form von Hilfsgeldern für Puerto Rico, staatlichen Zuschüssen gegen die Opioid-Krise oder für die Weiterführung eines Programms zur Kindergesundheit.
Nachdem Trump afrikanische Länder auch noch mutmaßlich als „Dreckslöcher“ bezeichnet hatte, wuchs der Druck auf die Demokraten, dagegenzuhalten und beim Thema Einwanderung hart zu bleiben.
Seit 1976 gab es in den USA insgesamt 18 Shutdowns. Davon dauerten mehrere nicht länger als einen Tag. 1993 aber zum Beispiel zog sich der Stillstand drei Wochen hin. Während des Shutdowns 2013 wurden rund 800.000 Bundesangestellte vom Dienst abgezogen. Beobachter halten zu diesem Zeitpunkt alles für möglich: von einer Art „Warnschuss-Shutdown“ mit einer Einigung nach kurzer Zeit, bis hin zu einem schmerzhaft langem Stillstand ohne Aussicht auf Besserung.
Der Präsident wollte das Wochenende eigentlich in seinem Domizil Mar-a-Lago in Florida verbringen, um den Jahrestag seiner Amtseinführung mit einer Gala zu zelebrieren. Wenn sich seine Regierung wegen Zahlungsunfähigkeit in der Krise befindet, dürfte er aber in Washington bleiben müssen.

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