Strategie zur Bewahrung Europas Valls fordert Aufnahmestopp für Flüchtlinge

Frankreich will einen Aufnahmestopp, EU-Kommissar Oettinger macht das deutsche Asylrecht für die Flüchtlingsflut mitverantwortlich und Schweden will sein Asylrecht verschärfen. Eine gemeinsame Lösung ist nicht in Sicht.

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Auch der Winter wird den Strom an Flüchtlingen wie an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Hanging (Österreich) nicht stoppen. Europa sucht nach einer Strategie. Quelle: dpa

München/Paris/Stockholm/Oslo/Berlin Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls hat sich für einen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten in Europa ausgesprochen. „Wir können nicht noch mehr Flüchtlinge in Europa aufnehmen - das ist nicht möglich“, sagte er im Gespräch mit einem Dutzend europäischer Zeitungen, darunter die „Süddeutsche Zeitung“. Die Kontrolle von Europas Grenzen entscheide über das Schicksal der Europäischen Union. „Wenn wir das nicht tun, dann werden die Völker sagen: Schluss mit Europa!“

Statt weiterhin Tausende von Migranten unkontrolliert nach Europa zu lassen, müsse Europa mit Syriens Nachbarstaaten Türkei, Libanon und Jordanien Lösungen finden, dort mehr Flüchtlinge aufzunehmen und zu erfassen, sagte Valls. „Sonst stellt Europa seine Fähigkeit in Frage, seine Grenzen wirksam zu kontrollieren.“

Valls hatte bereits vor der Pariser Terrorserie eine europaweite Strategie für den Umgang mit Migration und Flüchtlingen angemahnt. Bei den Anschlägen in der französischen Hauptstadt wurden am 13. November mindestens 130 Menschen getötet. In der Nähe eines Selbstmordattentäters fand sich ein syrischer Pass auf den Namen Ahmed al-Mohammed - allerdings gibt es Zweifel, ob dies die echte Identität des Terroristen ist. Ein Mann dieses Namens war am 3. Oktober bei der Einreise in Griechenland registriert worden; ebenso wie ein weiterer Täter, der einen syrischen Pass mit den Namen Mohammad al-Mahmod vorgelegt hatte.

Auch EU-Kommissar Günter Oettinger drängt auf eine Strategie. Er macht das deutsche Asylrecht mitverantwortlich für die Flüchtlingskrise. „Das deutsche Asylrecht wirkt wie ein Magnet auf die Flüchtlinge“, sagte er dem „Handelsblatt“. Dauerhaft lasse sich die Zuwanderung nach Deutschland nur drosseln, wenn es weniger Anreize gebe. „Eine Änderung des Grundgesetzes wäre geboten, um das Asylrecht neu zu ordnen“, sagte Oettinger. „Solange dies nicht angegangen wird, bleibt eigentlich nur eine Alternative: Milliardenhilfen für die Flüchtlingslager in der Türkei und anderen Staaten.“

Die Europäische Union kann sich laut Oettinger „an der Finanzierung nur begrenzt beteiligen“. Der Haushalt lasse keinen großen Spielraum Um die Migration nach Europa besser zu steuern, empfahl der für digitale Wirtschaft zuständige EU-Kommissar eine bessere Sicherung der Außengrenzen. „Wir brauchen eine leistungsfähige Grenzschutzbehörde in Europa“, sagte er. „Notwendig wären statt 500 Grenzbeamten 5000.“

Schweden dagegen macht Ernst. Nach Norwegen und Dänemark will das Land seine Asylgesetze verschärfen. „In den letzten zwei Monaten sind 80 000 Flüchtlinge zu uns gekommen“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven am Dienstag bei einer Pressekonferenz. „Es schmerzt mich, dass Schweden nicht in der Lage ist, auf diesem Niveau weitere Asylsuchende aufzunehmen.“ Die Situation sei unhaltbar. Norwegen will zudem ab diesem Mittwoch die Kontrollen an den Grenzen und den Fährterminals intensivieren.

Die schwedische Regierung will die Asylgesetze ihres Landes - vorläufig für drei Jahre - an die EU-Standards anpassen. Konkret bedeutet das, dass weniger Flüchtlinge ein Bleiberecht bekommen, mehr Aufenthaltsgenehmigungen befristet werden und der Familiennachzug erschwert wird. Außerdem sollen in Bussen und Zügen verstärkt Passkontrollen durchgeführt werden. Er hoffe, sagte Löfven, dass damit mehr Flüchtlinge in anderen EU-Ländern Schutz suchen.

Schweden hatte vor rund zwei Wochen bei der EU-Kommission beantragt, dass seine Flüchtlinge auf andere Länder verteilt werden. Am 12. November führte das Land stichprobenartige Grenzkontrollen ein. Die Zahl der Asylsuchenden ist dadurch aber nur geringfügig gesunken. Die Anzahl der Grenzpolizisten soll nun verdoppelt werden.

Auch in Norwegen sollen die bestehenden Regeln verschärft werden. Ministerpräsidentin Erna Solberg sagte am Dienstagabend im Fernsehsender NRK, die Reedereien seien aufgefordert worden, dafür zu sorgen, dass ihre Passagiere Pässe und Reisedokumente bei sich hätten. Sie nahm konkret Bezug auf die Ankündigung der schwedischen Regierung, die Asylgesetze zu verschärfen, weil das Land nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen könne. „Wir können nicht warten, bis das uns dasselbe passiert“, sagte Solberg. „Deshalb müssen wir jetzt eine Reihe von Maßnahmen ergreifen.“

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