Streit um Abspaltung Kataloniens Trauerspiel auf beiden Seiten

Der Streit um die Abspaltung Kataloniens wirft erneut ein schlechtes Licht auf führende spanische Politiker. Ein Kompromiss scheint weit entfernt. Im Oktober ist die Zeit für Verhandlungen abgelaufen. Ein Kommentar.

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Katalanische Separatisten schwenken in Barcelona (Spanien) Fahnen und demonstrieren für das am 01.10.2017 geplante Referendum. Quelle: dpa

Es sind wahrlich keine schönen Szenen in Barcelona: Die Polizei führt Razzien in Dutzenden Gebäuden der katalanischen Regierung durch und nimmt 14 Politiker und Beamte fest, darunter den katalanischen Wirtschafts-Staatssekretär. Ein Staat geht mit Polizeigewalt gegen eine Regionalregierung im eigenen Land vor. Das sollte in zivilisierten Gesellschaften nicht vorkommen.

Doch wenn sich der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hinstellt und das als „Schande für die Demokratie“ und „Verletzung des Rechtsstaates“ geißelt, ist das die völlige Verdrehung der Tatsachen. Es war seine separatistische Regierung, die Gesetze für ein Referendum und die Abspaltung von Spanien verabschiedet hat, die eindeutig gegen die spanische Verfassung verstoßen.

Man kann dem spanischen Premier Mariano Rajoy in dem Konflikt mit Katalonien viel vorwerfen. Aber dass er nun versucht, eine illegale Volksabstimmung zu verhindern, deswegen kann man ihm keinen Vorwurf machen. Ein Urnengang allein ist noch keine Demokratie. Unsere Gesellschaften haben sich Gesetze gegeben, die das Zusammenleben regeln. Die müssen alle einhalten, zuvorderst die Politiker.

Puigdemont hat Spanien in eine institutionelle Krise gestoßen, die die Stabilität des viertgrößten Euro-Landes gefährdet. Dabei weiß er noch nicht einmal die Mehrheit der Katalanen hinter sich: Bei den Regionalwahlen 2015 haben separatistische Parteien in Katalonien zwar hauchdünn die Mehrheit der Sitze im Parlament bekommen, die Mehrheit der Stimmen in der Bevölkerung aber verfehlt. Dieses Wahlergebnis lässt sich kaum als Auftrag verstehen, auf Biegen und Brechen einen Prozess der Abspaltung voran zu treiben.

Der Konflikt lässt abermals am Verhandlungsvermögen spanischer Politiker zweifeln. Nach den nationalen Parlamentswahlen 2015 waren sie unfähig, sich auf eine Koalition zu einigen und bevorzugten Neuwahlen, die fast genau dasselbe Ergebnis brachten.

Zwischen Madrid und Barcelona ist der Gesprächsfaden bereits seit Jahren gerissen. Rajoy hat das Thema schon bei anderen Gelegenheiten bei den Gerichten abgeladen und Puigdemont benutzt den Bürgerprotest, um ein Ziel durchzusetzen, das nicht nur verfassungswidrig ist, sondern für das ein klarer Auftrag der Bevölkerung fehlt. Und zwar aller Katalanen, nicht nur der lautstark demonstrierenden Separatisten.

In Katalonien leben 16 Prozent der Spanier. Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Volksvertreter in ihrem Sinne Politik machen. Bis zum 1. Oktober ist die Zeit für Verhandlungen abgelaufen. Aber ab dem Tag danach sollten sich beide Regierungen wieder auf ihre Aufgabe besinnen.

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