Stresstest-Ergebnisse Europas Banken machen Fortschritte – doch Sorgen bleiben

Einmal mehr mussten Europas Banken in einem Stresstest den Aufsehern beweisen, dass sie für Krisen gewappnet sind. Die nun vorgelegten Ergebnisse können etwas beruhigen. Doch grundlegende Probleme der Branche bleiben.

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Die Europäische Bankenaufsicht nahm 51 Geldhäuser unter die Lupe, die EZB untersuchte in einer abgespeckten Variante 56 weitere Kreditinstitute. Quelle: dpa

London, Frankfurt Aufseher, Bankenverbände und Branchenexperten sehen in den Ergebnissen des diesjährigen Stresstests Fortschritte bei der Stabilisierung der europäischen Geldhäuser. Der Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) zeige, dass die inzwischen verbesserte Kapitalausstattung die Banken in Europa widerstandsfähiger gegenüber Schocks gemacht habe, schrieb EBA-Chef Andrea Enria in einer Mitteilung zu den Resultaten.

Zufrieden mit den Ergebnissen zeigt sich auch die deutschen Bankenverbände. „Die deutschen Institute haben sich im Stresstest als grundsätzlich robust und widerstandsfähig erwiesen“, erklärten der Bankenverband BdB, der Verband Öffentlicher Banken (VÖB), der Sparkassenverband DSGV sowie der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) am Samstag in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die EBA hatte Europas Großbanken am späten Freitagabend ein insgesamt recht ordentliches Zeugnis für ihre Krisenfestigkeit ausgestellt. Demnach erwiesen sich die Kapitalpuffer der Geldhäuser als vergleichsweise stabil. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wertete das Ergebnis positiv. „Der Bankensektor ist heute widerstandsfähiger und kann viel besser wirtschaftliche Schocks absorbieren als vor zwei Jahren“, sagte die oberste EZB-Bankenaufseherin Danièle Nouy.

Von der Europäischen Bankenaufsicht wurden 51 Institute unter die Lupe genommen, darunter 9 deutsche. Parallel dazu untersuchte die EZB in einer abgespeckten Variante 56 weitere Kreditinstitute aus der Eurozone. Veröffentlicht wurde nur der EBA-Teil.

Die neun deutschen Banken im Test erwiesen sich als ausreichend mit Kapital ausgestattet, wenn auch teils knapp. Am besten schnitt das staatliche Förderinstitut NRW Bank ab, die sich im schlimmsten Schockszenario mit einer harten Kapitalquote von 35,4 Prozent bewährte. Die Deutsche Bank sackte auf 7,8 Prozent ab, die Commerzbank auf 7,42 Prozent. Sie waren damit die schwächsten deutschen Institute im Test. Die Landesbanken behaupteten sich insgesamt recht gut: Die Landesbank Baden-Württemberg kam auf eine harte Kapitalquote von 9,40 und die Helaba auf 10,10 Prozent. BayernLB und NordLB schnitten etwas schlechter ab.

Analysten hatten bei der Deutschen Bank einen Absturz unter die Marke von 7,5 Prozent für kritisch erachtet. Sie blieb darüber. „Wir sind 2016 mit einem besseren Ergebnis aus dem Test herausgekommen als 2014, obwohl der diesjährige Test anspruchsvoller war“, sagte Vorstandschef John Cryan.


„Stresstest kein Persilschein“

Mit dem Stresstest, in dem eine Wirtschaftskrise und ein Einbruch der Immobilienpreise simuliert wurde, wollen die Aufseher Vertrauen in die Branche wiederherstellen. Zuletzt waren die Sorgen um die Branche gewachsen: Seit Jahresbeginn sind die Aktien vieler Geldhäuser abgestürzt. Die niedrigen Zinsen, steigende Kosten und harter Wettbewerb belasten die Ertragsaussichten. Zudem schreckte die jüngste Bankenkrise in Italien Investoren auf.

Die Ergebnisse könnten nun etwas beruhigen. „Die harten Kernkapitalquoten waren im Schnitt auch unter dem größten Stress noch höher als beim Test 2014“, sagte Martin Hellmich, Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance. Die harte Kernkapitalquote setzt das Eigenkapital von Banken ins Verhältnis zu den Risikopositionen und gibt Aufschluss über den Kapitalpuffer gegen Schocks.

Einzelne Banken offenbarten im Test indes Schwächen. Am schlechtesten schnitt die italienische Monte dei Paschi ab. Kurz vor der Präsentation der Stresstest-Ergebnisse legte sie einen milliardenschweren Rettungsplan vor. Auch die irische AIB, die österreichische Raiffeisen-Landesbanken-Holding, die spanische Banco Popular Espanol sowie die Bank of Ireland schnitten unterdurchschnittlich ab. Anders als beim vorigen Stresstest 2014 gab es dieses Mal keine Durchfaller. Vielmehr ging es darum, einen Gesamteindruck von der Solidität der Geschäftsmodelle zu bekommen.

Experten warnen nach dem Stresstest vor einem voreiligen Aufatmen. „Der Stresstest hat die Folgen der Niedrigzinsen ausgeblendet, die für Banken sehr gefährlich sind“, sagte Bankenprofessor Hellmich. So könnten Banken Einlagen nicht mehr rentierlich anlegen und zahlten für geparkte Gelder bei der EZB gar Strafzinsen. Und im Kreditgeschäft sänken die Zinsmargen. „Niedrigzinsen sind ein substanzielles Risiko für die Geschäftsmodelle der Banken.“ Das Ergebnis der deutschen Banken wertete Hellmich als „durchwachsen“.

Philipp Wackerbeck, Strategieberater und Bankenexperte bei PwC, gab zu bedenken, dass der Stresstest keine Aussage über die Rentabilität der Banken in Europa zulasse. Sie sei in Europa vielerorts chronisch schwach. „Diese Strukturschwäche müssen die Banken angehen. Der Stresstest stellt ihnen keinen Persilschein aus.“

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