Symbolträchtige Reise Obama springt dem Baltikum bei

Während Russland in die Ukraine drängt, sorgen sich die Balten um ihre Grenzen im Osten. Kurz vor dem Nato-Gipfel reist US-Präsident Obama nach Estland, um Bündnistreue zu versprechen. Der Kreml dürfte genau hinhören.

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US-Prasident Barack Obama: Mit einer Reise ins Baltikum unterstreicht er die Schutzverantwortung der Nato,. Quelle: ap

Washington Von „eiserner Verpflichtung“ zu anderen Ländern war in Reiseankündigungen des Weißen Hauses schon lange nicht mehr die Rede. Doch genau davon sprach Caitlin Hayden, als sie die Reise Barack Obamas nach Estland verkündete.

Es gehe dem US-Präsidenten darum, seine Entschlossenheit zu zeigen, dass der Artikel 5 des Nato-Vertrages gelte. Dem Artikel zufolge wird ein Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf alle angesehen. Die Botschaft: Wenn Europa in der Ukraine-Krise zusammenrückt, eilen die USA zur Hilfe. Die Balten dürften aufatmen, wenn Obama in Tallinn am Mittwoch mit den Präsidenten Estlands, Lettlands und Litauens zusammentrifft.

Als „eisern“ wurde während des Kalten Krieges auch der unsichtbare Vorhang beschrieben, der die sowjetischem Satellitenstaaten von den Nato-Mitgliedern im Westen trennte. Mit dem russischen Eingriff in der Ukraine schließt sich aus dieser Sicht am Rande Osteuropas nun erneut so ein Vorhang - mit dem Unterschied, dass Polen und die Balten heute auf der anderen Seite sitzen und Teil der Nato sind.

Welche neuen Zugeständnisse Obama im Gespräch mit den drei baltischen Staatschefs und Estlands Regierungschef Taavi Rõivas machen kann, ist offen. Doch schon im April hatte Washington 600 Fallschirmjäger zu gemeinsamen Übungen nach Polen und ins Baltikum beordert, allein am Ämari-Stützpunkt der estnischen Luftwaffe befinden sich 150 Soldaten.

Im Juni kündigte er dann eine verstärkte US-Militärpräsenz in Europa an: Truppenrotationen, Ausrüstung, F-15-Kampfjets zur Überwachung des baltischen Luftraums, stärkere Präsenz der Marine in der Ostsee und im Schwarzen Meer. Zur Finanzierung hat er den Kongress um die Genehmigung von 925 Millionen Dollar (704 Millionen Euro) gebeten.

Sowohl für den außenpolitisch schwer angeschlagenen Obama wie auch für seine Gastgeber ist der Besuch an Symbolwert kaum zu übertreffen. Nur etwa 860 Kilometer vom Kreml entfernt will der US-Präsident am Mittwoch eine Rede halten - fast exakt 25 Jahre nach der Menschenkette im Baltikum für eine Befreiung vom langen Arm Moskaus.


„Russland, Hände weg vom Baltikum“

Das historische Gedächtnis sei in der Region noch äußerst frisch, sagt Heather Conley vom renommierten Think Tank CSIS in Washington. Kern von Obamas Rede solle sein: „Russland, Hände weg von Estland und dem baltischen Raum“, sagt Charles Kupchan, Europa-Experte und Direktor im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses unter Präsident Bill Clinton.

Zugleich dürften die Worte aus Tallinn auch die Stimmung für den zweitägigen Nato-Gipfel in Wales am 4. und 5. September setzen. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs sowie der Außen- und Verteidigungsminister der 28 Mitgliedsstaaten und Partnerländern steht die Ukraine weit oben auf der Agenda.

Als „Invasion“ will Obama das Vorgehen des Kremlchefs Wladimir Putin und prorussischer Separatisten aber nicht bezeichnen. Besonders knifflig dürfte werden, eine angemessene - und in passende Worte gefasste - Antwort auf das russische Vorgehen zu finden, ohne Moskau unnötig zu provozieren.

In der Frage einer Nato-Erweiterungsrunde setzen die USA auf eine Politik der offenen Tür. Das Credo lautet in Washington: Wer etwas zur Sicherheit des euro-atlantischen Raums beitragen kann und will, dessen Beitrittsgesuch ist willkommen. Selbst Finnland und Schweden, die sich bisher aus dem transatlantischen Bündnis herausgehalten hatten, sprechen derzeit über eine Nato-Mitgliedschaft.

Ohne erneute Diskussionen über Militärbudgets dürfte sich Obama, der zugleich im Alleingang militärisch gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak vorgeht, kaum auf große Zusagen in Osteuropa einlassen. Denn bisher stemmen die USA mit 72 Prozent noch den Löwenanteil der kollektiven Verteidigung. Wie der Vorzeigestaat Estland gehören sie zu der kleinen Gruppe von vier Ländern, deren Verteidigungsausgaben das angepeilte Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen.

Die alte Debatte ums Geld muss wegen der Ukraine nun wohl noch dringender geführt werden. In dieser Frage haben sich die Balten klar hinter Obama gestellt. „Es gab schon immer eine große Sorge der baltischen Staaten, ob die Nato ihnen wirklich den Rücken freihält, wenn es hart auf hart kommt“, sagt Heather Conley vom CSIS.

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