Die Gewalt im syrischen Bürgerkrieg eskaliert immer mehr. Bewaffnete brachten am Donnerstag 43 UN-Blauhelmsoldaten an den Golanhöhen im Süden des Landes in ihre Gewalt. Laut arabischen Medienberichten soll es sich um Angehörige der radikal-islamischen Al-Nusra-Front handeln. Nach UN-Angaben wurden weitere 81 Soldaten der sogenannten Undof-Mission an ihren Standorten Ruwaihina und Al-Buraika eingekesselt. Hintergrund seien heftige Kämpfe zwischen der syrischen Armee und bewaffneten Extremisten. Am Vortag hatten Al-Nusra-Milizen zusammen mit anderen Regimegegnern in Kunaitra den Übergang zu den von Israel besetzen Golanhöhen eingenommen.
Derzeit sind nach UN-Angaben 1223 Blauhelmsoldaten an der Mission beteiligt. Sie stammen aus Indien, Irland, Nepal, den Niederlanden, den Fidschi-Inseln und von den Philippinen. Die Undof-Mission war 1974 ins Leben gerufen worden, um den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien zu überwachen.
Die einflussreichsten Rebellengruppen in Syrien
Sie ist ein Zusammenschluss aus sechs großen islamistischen Gruppen. Die Islamische Front ist vermutlich die größte Rebellenallianz in Syrien und verfügt über 40.000 bis 50.000 Kämpfer. Ihre Mitglieder sind sunnitische Extremisten, die einen islamischen Staat in Syrien errichten wollen. Die Haltung der Islamischen Front gegenüber den Extremisten von IS ist ambivalent. Teile der Gruppe unterstützen aber den Kampf gegen sie.
In der einflussreichen Rebellengruppe sind sowohl syrische als auch ausländische Extremisten aktiv. Sie ist von Al-Kaida offiziell als Ableger in Syrien anerkannt. Die Nusra-Front hat als erste Gruppierung in Syrien Selbstmord- und Autobombenanschläge in Stadtgebieten verübt. Sie kämpft für einen islamischen Staat, hat zwischen 7000 und 8000 Anhänger und arbeitete bislang eng mit der Islamischen Front zusammen.
Die Gruppe wurde von abtrünnigen Mitgliedern der Nusra-Front gebildet und vereinigte sich mit dem Al-Kaida-Ableger im Irak. Früher nannte sie sich Islamischer Staat im Irak und der Levante (Isil). Angeführt wird IS von Abu Bakr al-Baghdadi, der die Forderung der Al-Kaida ignorierte, den Schwerpunkt der Aktivitäten auf den Irak zu legen. Anfang des Jahres kappte Al-Kaida die Verbindungen zur IS, die als die militanteste Extremistengruppen in Syrien gilt.
Zunächst hatte die Gruppierung unter anderem wegen ihrer strikten Haltung gegen Plünderungen einen Großteil der syrischen Bevölkerung auf ihrer Seite. Dies änderte sich, als sie begann, Kritiker zu entführen und zu töten.
Derzeit kämpft IS an mehreren Fronten - gegen rivalisierende Rebellen in Syrien und gegen die Kurden im Nordirak. Die Gruppe soll über 6000 bis 7000 Kämpfer verfügen. Im Irak wird sie durch Zehntausende Kämpfer sunnitischer Stämme unterstützt, die von der Zentralregierung in Bagdad enttäuscht sind.
Die Allianz aus weitgehend nicht ideologisch geprägten Rebellen-Einheiten formierte sich im Dezember. Das Rückgrat der Gruppe bildet die Syrische Märtyrer-Brigade, eine einst einflussreiche Gruppe aus der nördlichen Provinz Idlib unter Führung von Dschamal Maruf. Ihm war von rivalisierenden Rebellengruppen vorgeworfen worden, für den Aufstand bestimmtes Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Die Anhänger der revolutionären Front sind weitgehend moderate Islamisten. Finanziell unterstützt wird die Gruppe vermutlich von Golfstaaten wie Saudi-Arabien.
Sie bildete sich zu Jahresbeginn aus acht syrischen Gruppen und startete eine Offensive gegen die Extremisten von IS. Die Allianz ist moderat islamistisch und hat nach eigenen Angaben rund 5000 Mitglieder.
Es handelt sich um eine moderate, nicht ideologische Gruppe. Sie wird von westlichen Ländern wie den USA unterstützt. Auch die Türkei und die arabischen Golfstaaten stehen auf ihrer Seite. Sie hat niemals den Eindruck ausräumen können, dass ihre Führung aus dem Ausland kommt.
Schon 2013 hatten Bewaffnete mehrere Undof-Soldaten an den Golanhöhen in ihre Gewalt gebracht, sie waren unversehrt wieder freigekommen. Im Juni hatte der UN-Sicherheitsrat das Mandat bis zum 31. Dezember 2014 verlängert.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verübte im Nordosten Syriens ein Massaker an gefangenen syrischen Soldaten. Die Extremisten töteten mindestens 160 Angehörige der Armee, nachdem sie am Sonntag den strategisch wichtigen Militärflughafen Al-Tabka eingenommen hatten.
Menschenrechtler sprechen von Kriegsverbrechen
Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die meisten Opfer seien auf der Flucht von dem Flughafen in die Hände der Extremisten gefallen. Ein Video im Internet zeigte, wie Dutzende nur mit Unterhosen bekleidete Toten in einer langen Reihe nebeneinander auf der Erde liegen.
Der Leiter der syrischen Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdel Rahman, sprach von einem „Kriegsverbrechen“. Ein Versuch der Armee, die Soldaten zu retten, sei gescheitert. Rund 60 weitere Soldaten der Regierung hätten in Sicherheit gebracht werden können. Der Flughafen war die letzte Bastion des Regimes in der Provinz Al-Rakka.
Die IS-Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten Syriens riesige Gebiete, die sie mit einer brutalen Gewaltherrschaft kontrolliert. Regelmäßig töten die Extremisten öffentlich Gefangene, Gegner und Andersgläubige. Sie hatten auch den US-Journalisten James Foley enthauptet und dazu ein Video veröffentlicht. Der UN-Menschenrechtsrat warf der Terrormiliz am Mittwoch brutalste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
Im benachbarten Irak begannen kurdische Einheiten im Norden des Landes einen neue Offensive gegen die IS-Extremisten. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer konnten nach eigenen Angaben in der Nähe des Mossul-Staudammes sieben Orte einnehmen. Eine unabhängige Bestätigung für die Meldung gab es nicht. Die Kurden würden bei ihren Offensive von amerikanischen und irakischen Kampfflugzeugen unterstützt, meldete die Nachrichtenseite Al-Mada.
Laut dem kurdischen Militär zündeten die Extremisten auf einem von ihnen kontrollierten Ölfeld in der Nähe des Dammes drei Bohrlöcher an, wie die kurdische Nachrichtenseite Rudaw berichtete. Laut Al-Mada wollen die Peschmerga den Ort Sumar rund 70 Kilometer nordwestlich der Millionenstadt Mossul einnehmen. IS-Extremisten hatten ihn Anfang August unter Kontrolle gebracht.
Sumar liegt in der Nähe zweier Ölfelder, die ebenfalls von den Dschihadisten beherrscht werden. Kurdische Einheiten hatten vor rund zehn Tagen den Mossul-Staudamm östlich von Sumar zurückerobert.