Syrien-Gespräche Assads Position der Stärke

Regionale und internationale Unterhändler treffen sich ab diesem Donnerstag in Genf, um den Waffenstillstand in einen dauerhaften Frieden münden zu lassen. Einer der Hauptstreitpunkte: Die politische Zukunft Assads.

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Für Assad gelten alle Rebellengruppen in Syrien als Terroristen, die es zu vernichten gilt. Quelle: dpa

Genf, Moskau Der blutige Konflikt in Syrien geht Mitte März in sein siebtes Jahr. Und die Vereinten Nationen (Uno) versuchen sich erneut als Friedensstifter: An diesem Donnerstag soll in Genf eine weitere Uno-Gesprächsrunde der Konfliktparteien beginnen – die erste große Syrien-Konferenz der Uno in Genf fand 2012 statt. Auf der Genfer Gesprächsagenda steht ein „politischer Übergangsprozess“. Konkret soll es um die Schaffung einer glaubwürdigen Regierung, die Ausarbeitung einer Verfassung und das Abhalten freier Wahlen gehen. So jedenfalls der ehrgeizige Plan.

Ob die Gespräche des Uno-Sondergesandten Staffan de Mistura mit dem Assad-Regime und dem Hohen Verhandlungskomitee, dem oppositionellen Dachverband, tatsächlich am Donnerstag beginnen, ist allerdings unklar. Neu wäre eine Verschiebung von Syrien-Gesprächen nicht: In den vergangenen Jahren mussten die Uno vereinbarte Termine bereits mehrfach verlegen. Misstrauen und Hass zwischen den Todfeinden war oft so groß, dass an produktive Beratungen nicht zu denken war. Doch egal ob die Konferenz pünktlich startet oder nicht, große Hoffnungen sollte sich niemand machen. Auch die neuen Genfer Gespräche stehen unter keinem guten Stern.

Zentraler Streitpunkt bleibt die Zukunft des Gewaltherrschers Baschar al-Assad und seiner Komplizen. Oppositionelle bestehen auf einer Absetzung Assads zu Beginn eines Übergangsprozesses. Assad sei ein Schlächter, der den Tod Hunderttausender Menschen, die Flucht von Millionen Männern Frauen und Kindern sowie die Zerstörung weiter Teile des Landes zu verantworten habe. In der Tat wäre jede Rolle für Assad und seine Getreuen in einer neuen Führung eine groteske Vorstellung. Baschar, der Versöhner? Und wie sollte Assad die dringend benötigte internationale Hilfe für den Wiederaufbau des zerstörten Staates mobilisieren?

Die Emissäre des Diktators weisen allein schon Sondierungen über eine Teilung der Macht, brüsk von sich. Nach wie vor verunglimpfen die Assad-Leute alle Rebellengruppen als Terroristen, die es zu vernichten gilt. Nach den letzten militärischen Erfolgen, dürfte man noch weniger gewillt sein über das eigene Aus zu verhandeln. Dabei kann sich Assad wie gehabt auf Russland verlassen – militärisch und politisch. Gleichzeitig treiben die Russen erfolgreich Keile in die Opposition. Ob es dem Westen und den Gegnern Assads in der arabischen Welt gefällt oder nicht: Assad wird sich nicht so schnell aus seinem Präsidentenpalast hoch über der syrischen Kapitale hinauskomplementieren lassen.

Russland hat die Initiative im Syrien-Konflikt bereits fest in die Hand genommen und strebt eine Nachkriegsordnung zu seinen Konditionen an: Idealerweise mit dem Verbündeten Assad, aber der Kreml würde sich auch nicht gegen eine ausgehandelte Transformation stemmen, solange sie Assad Gesichtswahrung und eigenen Einfluss – unter anderem durch den Beibehalt der Militärbasen im Land – sicherstellt.

Nach massiven Bombardements und einer Absprache mit Ankara und Teheran ist es Moskau gelungen, einen Großteil der bewaffneten Rebellen zumindest zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Gegen die Terrormilizen Islamischer Staat und die Al-Nusra-Front wird derweil weitergekämpft – und wie der jüngste Tod vier russischer Soldaten durch einen Sprengsatz dokumentiert, ist Russland dabei durchaus stärker involviert, als nur durch die artikulierte Luftunterstützung.

In der kasachischen Hauptstadt Astana wurde zeitgleich, ebenfalls unter russischer Federführung, der Versuch einer weitergehenden Einigung mit den inzwischen von Moskau als „gemäßigt“ bezeichneten Rebellentruppen unternommen. Die politische Opposition, die sich weitgehend im Exil befindet, wurde dabei allerdings übergangen. Das wichtigste sei, die Milizengruppen, die in Syrien real Macht und militärische Stärke verkörperten, an den Verhandlungstisch zu bekommen, begründete Russlands Außenminister Sergej Lawrow den Schritt.

Natürlich ging es auch darum, eigene Interessenvertreter in der Opposition zu positionieren. Darum bekrittelte Lawrow auch vor der neuen Verhandlungsrunde in Genf, dass die „Moskauer Opposition“ um Qadri Jamil von de Mistura nicht eingeladen wurde. „Im vorliegenden Fall ist eine Einladung keine Geste guten Willens, sondern die Pflicht unserer Uno-Kollegen, und ich bin sicher, dass sie in den wenigen Tagen bis zum Beginn der Verhandlungen die Situation korrigieren können und müssen“, sagte der russische Chefdiplomat. Jamil, 2012 noch Regierungschef in Damaskus, ist nur mit gravierenden Abstrichen als Oppositioneller zu bezeichnen, erfüllt aber ziemlich genau Moskaus Anforderungsprofil.

Während sich die Russen klar positionieren, sorgen die Amerikaner für zunehmende Unsicherheit. Eine kohärente Syrien-Strategie unter dem neuen Präsidenten Donald Trump ist nicht zu erkennen. In ungewohnt offener Form griff der Uno-Sondergesandte de Mistura, die US-Regierung deshalb an: „Wo sind die Vereinigten Staaten?“ fragte er, um zu antworten: „Ich weiß es nicht.“

Eins weiß de Mistura aber: Ohne die Supermacht USA dürfte eine langfristige, stabile Friedensordnung für Syrien kaum denkbar sein. Und je länger die Trump-Crew über einem Plan für das Bürgerkriegsland brütet, desto mehr könnten die Russen versuchen, das Heft in die Hand zu nehmen. Das gilt ebenso für die Regionalmächte Iran, Saudi-Arabien und Türkei. Sie verfolgen bei dem Genfer Poker eigene strategische Ziele, machen de Misturas Job noch schwerer. Auch für de Mistura selbst steht viel auf dem Spiel. Seit 2014 müht sich der Karrierediplomat mit einer politischen Lösung für Syrien ab. Ein weiterer gescheiterter Anlauf könnte das Ende seiner Mission einläuten.

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