Syrien-Konflikt US-Attacke tötete offenbar Dutzende russische Söldner

Der Syrien-Krieg verhärtet die Fronten zwischen Russland und den USA. Ein Luftschlag mit zahlreichen russischen Toten provoziert neue Spannungen – und wirft Fragen auf.

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Syrien: US-Attacke tötete offenbar Dutzende russische Söldner Quelle: AP

Moskau, Washington Amerikanische Truppen sollen Dutzende von russischen Söldnern in Syrien getötet haben. Laut Gesprächen, die das Magazin „Bloomberg“ mit Insidern führte, könnte es sich um den tödlichsten Zusammenstoß zwischen den USA und Russland seit dem Kalten Krieg handeln. 

Die Soldaten, hauptsächlich russische Staatsbürger, die für den syrischen Diktator Baschar al-Assad kämpften, starben demnach in der vergangenen Woche bei einem misslungenen Angriff auf einen Stützpunkt in der ölreichen Region Deir Ezzor. Die Basis, etwa acht Kilometer östlich der Trennlinie des Euphrat, wird von US- und hauptsächlich kurdischen Streitkräften gehalten. Die Zahl der registrierten Todesopfer schwankt zwischen 100 und mehr als 200 Soldaten. 

Der Vorfall ereignete sich in der Nacht zum 8. Februar und könnte die ohnehin angespannte Lage in dem Konfliktherd weiter verkomplizieren. Ein Sprecher des US-Militärs teilte mit, Pro-Assad-Truppen hätten das Feuer in einer „Bataillon-großen Formation mit Unterstützung von Artillerie und Panzern“ eröffnet. Das US-Militär habe mit Flugzeug- und Artilleriefeuer reagiert. Es sei nicht klar, wer das russische Kontingent bezahlt habe, ob die Söldner direkt von Russland, Syrien, Iran oder einer anderen Partei beauftragt waren. 

US-Verteidigungsminister Jim Mattis bezeichnete den Vorfall als „rätselhaft“, äußerte sich aber zunächst nicht näher. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Montag mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Die Militäraktion in Syrien wurde dabei nach Kreml-Angaben nicht diskutiert. 

Viele Fragen sind noch ungeklärt. Die offizielle Version des russischen Verteidigungsministeriums ist, dass bei einem Luftschlag der USA Soldaten der syrischen Armee getroffen wurden. Das russische Außenministerium kritisierte den US-Luftschlag scharf und verdächtigte die USA, eine dauerhafte Teilung des Nahoststaats anzustreben. 

Offiziell sind Söldner in Russland verboten, Informationen über Stärke und Bewaffnung von Söldnern sind unzugänglich. Das könnte ein Grund sein, warum sich der Kreml schmallippig gibt. 

Allerdings gibt es zahlreiche Indizien, dass tatsächlich russische Söldner getroffen wurden. Zunächst machte der ehemalige Separatistenführer Igor Strelkow, der eigentlich Igor Girkin heißt, dies in russischen sozialen Netzwerken publik. „Nach Angaben zuverlässiger Quellen gibt es wirklich keine ‚offiziellen russischen Militärs‘ in dem Gebiet der US-Luftschläge. Aber unter dem Deckmantel von Syrern, deren Verluste auf 100 Tote geschätzt werden, wurden tatsächlich zwei taktische Bataillone der Wagner-Gruppe von den US-Schlägen getroffen“, schrieb er. 

Die Wagner-Truppe ist ein privates Sicherheits- und Militärunternehmen, das nach dem Decknamen ihres Anführers, eines ehemaligen GRU-Oberstleutnants Dmitri Utkin „Wagner“, benannt wurde.

Strelkows Angaben zufolge wurde ein Bataillon praktisch völlig vernichtet, ein zweites schwer geschädigt. „Die Verluste sind wahrscheinlich dicht an den genannten Zahlen“, fügte er hinzu. Strelkow ist als Quelle ernst zu nehmen, denn viele der Söldner, die in Syrien dienen, kamen vorher im Donbass-Gebiet zum Einsatz. Zudem hat Strelkow lange Zeit beim russischen Militärgeheimdienst GRU gedient und verfügt dort weiter beste Verbindungen.

Das Dementi des Kremls zum mutmaßlichen Tod russischer Söldner in Syrien wirkt vor diesem Hintergrund reichlich verschroben. Er wisse nur von russischen Soldaten, die in Syrien stationiert seien, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. „Angaben zu anderen Russen, die sich in Syrien befinden können, haben wir nicht.“ Der Kreml rief dazu auf, „Medien nicht als erste Quelle zu nutzen“. Es gebe natürlich viele Russen auf der Welt, und „hier detaillierte Informationen zu haben, ist sehr schwer. Trotzdem müssen diese Medienberichte zweifellos noch bestätigt werden“, fügte er hinzu. 

In der Vergangenheit gab es immer wieder vereinzelt Berichte über gefallene Söldner, die nicht in der offiziellen Gefallenenstatistik auftauchten. Im aktuellen Fall wurden zunächst vier Namen bekannt: Die Ermittler vom Conflict Intelligence Team (CIT) nannten Stanislaw Matwejew, Igor Kossoturow, Alexej Ladygin und Wladimir Loginow als Opfer des US-Luftschlags in Syrien. Der Tod der ersten beiden wurde bereits von Natalja Krylowa, der Stadtduma-Abgeordneten von Asbest, einer russischen Stadt im Ural, bestätigt. Sie sei mit Kossoturow selbst bekannt gewesen und Freunde hätten ihr den Tod des Mannes bestätigt, teilte sie mit. Auch Matwejew stammte aus der Stadt. Beide hatten zuvor, wie auch Ladygin, im ukrainischen Donbass als prorussische Separatisten gekämpft. Loginow soll der russischen Kosakenbewegung angehören. 

Fast zeitgleich zum Vorfall in Syrien musste im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, zudem der stellvertretende Leiter des Sicherheitsausschusses Franz Klinzewitsch von seinem Posten zurücktreten. Inoffiziellen Angaben nach war der Generalstab mit den oft lautstarken und mitunter voreiligen Aussagen Klinzewitschs unzufrieden. 

Die Fronten im Syrienkrieg, der seit sieben Jahren anhält, hatten sich zuletzt wieder verhärtet. Vergangene Woche schoss Israel eine iranische Drohne ab und traf dabei Ziele in Syrien. Der Islamische Staat, der einst große Teile Syriens beherrschte, ist zwar weitgehend zurückgedrängt, doch nun kämpfen rivalisierende Mächte und Milizen in verschiedenen Kombinationen, um das Vakuum zu füllen. Die Konfliktlinien verlaufen zwischen islamischen Extremisten, staatenlosen Kurden und den Regionalmächten Iran, Türkei und Israel, dazu kommen die teils unterschiedlichen Interessen der USA und Russlands.  

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