Syrien Krieg gegen die eigene Zivilbevölkerung

Beinahe eine Million Syrer leben in belagerten Gebieten – doppelte so viele wie noch vor einem halben Jahr. Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien entlarvt dabei eine Taktik des syrischen Machthabers Assad.

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Ein Mann trägt eine Frau, die am Sonntag nach Luftschlägen in einem von Rebellen gehaltenen Teil von Aleppo aus einer Ruine gerettet wurde. In der Stadt gibt es inzwischen kein funktionstüchtiges Krankenhaus mehr. Quelle: AFP

New York/Berlin Im syrischen Bürgerkrieg leben nach Angaben der Uno fast eine Million Menschen in belagerten Gebieten und damit etwa doppelt so viele wie noch vor sechs Monaten. Betroffen seien mehr als 974.000 Menschen, sagte UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien bei einer Sitzung des Sicherheitsrats in New York am Montag.

Vor einem halben Jahr habe diese Zahl noch bei knapp 487.000 gelegen. Allein im östlichen Aleppo seien seit Juli 275.000 Menschen durch Belagerungen gefangen.

„Zivilisten werden isoliert, ausgehungert, bombardiert und ihnen wird medizinische Versorgung und humanitäre Hilfe verweigert, um sie zur Unterwerfung oder zur Flucht zu zwingen. Es ist eine bewusste Taktik der Grausamkeit, um das Leid von Menschen für politischen, militärischen und in einigen Fällen wirtschaftlichen Nutzen zu verstärken“, sagte O'Brien.

Ziel sei, die Zivilbevölkerung zu zerstören, die sich nicht wehren könne. Verantwortlich sei „allen voran die eine Partei“ von Präsident Baschar al-Assad, die ihre Zivilisten eigentlich „verteidigen und schützen“ solle. Zu den neu belagerten Gebieten gehörten nun auch die von Rebellen kontrollierten Vororte nahe Damaskus, Dschobar, Al-Hadschar al-Aswad, Chan al-Shi sowie mehrere Gegenden in der Region Ghuta östlich von Damaskus.

Der Deutschlandchef der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Volker Westerbarkey, beklagte ein „Ende der Humanität“ in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo. „Uns wird verweigert, zu helfen - jetzt, wo die medizinische Versorgung nahezu zusammengebrochen ist, sind die Menschen auf sich alleine gestellt“, sagte er der „Huffington Post“.

In der syrischen Stadt seien keine Krankenhäuser mehr funktionsfähig. Ärzte seien weitestgehend auf sich alleine gestellt. Aleppo gilt als eines der wichtigsten Schlachtfelder in Syrien und Symbol des verheerenden Bürgerkrieges.

Eine Besserung der Lage ist laut Westerbarkey nicht in Sicht. „Sowohl für einen Waffenstillstand als auch für einen humanitären Korridor gibt es derzeit keine Hoffnung“, sagte er. Von der Bundesregierung erwarte er deswegen, dass sie alles in ihrer Macht stehende tue, um auf diesen Konflikt aufmerksam zu machen. „Sie muss den Konfliktparteien klarmachen, dass sie internationale Gesetze einhalten müssen und das Bombardement eingestellt werden muss. Jeder, der in dem Konflikt aktiv ist, macht sich schuldig“, sagte Westerbarkey.

Die heftigsten Luftangriffe seit Wochen hatten in den vergangenen Tagen zu einem Kollaps der medizinische Versorgung in den Rebellengebieten Aleppos geführt. Das syrische Regime wird bei seinen Luftschlägen von seinem Verbündeten Russland unterstützt.

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