Syrien-Resolution Russland schaltet auf Pöbel-Modus

Russland hat mit seinem Veto erneut eine Uno-Resolution gegen Syrien blockiert. Der stellvertretende russische UN-Vertreter Safronkow kritisierte den Entwurf als Provokation und griff andere UN-Vertreter persönlich an.

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Russlands stellvertretender UN-Botschafter Wladimir Safronkow hebt die Hand, um sein Veto während der Abstimmung über eine Resolution zur Verurteilung des Einsatzes von Giftgas in Syrien im UN-Hauptquartier in New York einzulegen. Später beschimpft er den britischen UN-Vertreter wüst. Quelle: dpa

Moskau Die von Großbritannien, Frankreich und den USA eingebrachte Resolution zur Verurteilung des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes in Syrien und der Aufforderung an die Regierung Baschar al-Assads, mit einer Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten, ist im UN-Sicherheitsrat gescheitert. Russland legte sein Veto ein. Es ist bereits das achte Mal, dass Moskau damit eine Syrien-Resolution blockiert. China, das zuvor stets solidarisch mit Russland abstimmte, enthielt sich diesmal der Stimme.

Der stellvertretende russische UN-Vertreter, Wladimir Safronkow, kritisierte den Resolutionsentwurf als Provokation. Der Beschluss komme einer Vorverurteilung der syrischen Regierungstruppen gleich. Stattdessen müsse es eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls unter der Oberhoheit der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) geben. Die Ablehnung der Resolution ist nicht überraschend, den Standpunkt Moskaus hatte wenige Stunden zuvor schon Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson deutlich gemacht.

Der Auftritt Safronkows war dennoch für einen Diplomaten höchst ungewöhnlich. Scharfe Repliken sind im UN-Sicherheitsrat an der Tagesordnung, persönliche Angriffe hingegen selten. Safronkow knöpfte sich aber konkret den britischen Vertreter Matthew Rycroft vor, der Moskau zuvor vorgeworfen hatte, das „Vetorecht zu missbrauchen“, um Assad zu schützen. Rycroft bezeichnete Assad zudem als „Mörder“ und „Verbrecher“. 

Safronkow setzte zur Gegenrede an und warf der britischen Regierung zunächst vor, alles zu tun, um den Friedensprozess in Syrien zu torpedieren. Den Schlaf hätten sie verloren, aus Angst, dass Russland und die USA zusammenarbeiten könnten, höhnte er in Richtung London und Paris. Dann wandte er sich direkt an Rycroft: „Schau mich an, dreh die Augen nicht weg! Was guckst Du fort“, herrschte er den Briten duzend an, der sich daraufhin tatsächlich wieder voll Safronkow zuwandte. „Du, Herr Rycroft hast heute nicht zur Tagesordnung gesprochen, sondern Syrien, den Iran, die Türkei und eine Reihe weiterer Länder beleidigt“, sagte Safronkow und forderte von der Sitzungspräsidentin des Sicherheitsrats, Rycroft zu maßregeln.

Nach einem Schwall weiterer Anschuldigungen, in dem er London vorwarf, mit Terroristen unter einer Decke zu stecken, endete Safronkow mit der Drohung an Rycroft: „Wag es nicht, Russland noch einmal zu beleidigen.“

Im Russischen gibt es – im Gegensatz zum Englischen – einen sehr deutlichen Unterschied zwischen „Du“ und „Sie“. Zwar sprach auch Lawrow „meinen Freund John“ (Kerry) mit Du an, im Fall Safronkows ist der Gebrauch aber eine harte diplomatische Grobheit. An Chruschtschows legendären Schuhklopfer-Auftritt in der UNO-Vollversammlung reichte sie zwar nicht heran, aber für Stirnrunzeln sorgte der 53-jährige Karrierediplomat mit seinem Auftritt schon.

In Moskau hingegen feierten die Medien Safronkow für seine Derbheit. Ohnehin scheint dies ein neuer Trend in der russischen Diplomatie zu sein. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, ist für ihre scharfe Zunge berüchtigt. „Lassen Sie mich etwas sagen, oder Sie hören wirklich russische Grad(-Raketen)“, fuhr sie in einer Talk-Show ihre Opponenten an. Ihre politischen Gegner verunglimpft sie als „Faschisten“. Leute, die „das Gedenken an die Soldaten der Roten Armee manipulieren“, könnten „auf die Fresse“ vertragen, meinte sie.

Besonders gern zieht sie naturgemäß über die US-Regierung her. Die Obama-Regierung kennzeichnete sie im Dezember als „Gruppe außenpolitischer Versager, böse und beschränkt“. Auch ansonsten ist sie nie um einen schroffen, meist aber wenig diplomatischen Kommentar verlegen. Sie gilt damit übrigens als Gegenstück zu der ehemaligen Pressesprecherin des State Departments Jen Psaki. Deutlich ist in jedem Fall, dass seit Sacharowas Amtsantritt ein neuer Sprachstil im zuvor offiziösen Außenministerium gepflegt wird.

Selbst der Tonfall von Außenminister Sergej Lawrow ist in letzter Zeit häufig undiplomatisch und das keineswegs nur gegenüber politischen Opponenten: Bei einer Pressekonferenz vor zwei Jahren fluchte er auf die Frage einer Journalistin während der Übersetzung leise das Wort „Debile“ vor sich hin und gebrauchte ein weiteres Schimpfwort. Mit dem gleichen Ausdruck bedachte er dann kürzlich einen Reuters-Kameramann.

Und beim Empfang von Rex Tillerson in Moskau fauchte er erst einmal die US-Journalistinnen an (was Sacharowa später auf ihrer Facebook-Seite abfeierte). „Wer hat Ihnen Manieren beigebracht“, herrschte er sie an, als sie ihm Fragen stellen wollten, noch ehe er selbst zur Eröffnungsrede ansetzen konnte. „Jetzt dürfen Sie schreien“, erlaubte er ihnen dann, nachdem er fertig war.

Verwunderlich ist dies nur auf den ersten Blick, schließlich ist auch Präsident Wladimir Putin für seine häufig groben Vergleiche bekannt. Terroristen müsse man in der Toilette abknallen, forderte er. Einem kritischen Journalisten bot er eine „Beschneidung an, dass nichts mehr nachwächst“. Angesichts der hohen Umfragewerte für den Kremlchef scheinen die harten Sprüche ein probates Mittel zu sein, um Pluspunkte in der Öffentlichkeit zu sammeln – und so wird er inzwischen von zahlreichen Beamten nachgeahmt.

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