Syrischer Bürgerkrieg Kurden-Miliz startet Großangriff in Hasaka

Wird Hasaka ein zweites Aleppo? Um die syrische Stadt toben heftige Kämpfe, heute startete die Kurden-Miliz eine Großoffensive. Eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt rückt in immer weitere Ferne.

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Um die syrische Stadt toben heftige Kämpfe. Quelle: Reuters

Tel Aviv/Hasaka Die kurdische Miliz YPG hat am Montag einen Großangriff auf die syrischen Regierungstruppen in Hasaka begonnen, um auch die letzten Viertel der im Nordosten Syriens gelegenen Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen. Kurdische Kämpfer und Anwohner berichteten, die Offensive habe nach Mitternacht begonnen. Sie richte sich gegen die Soldaten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Stadtteil Naschawa.

Die Regierungstruppen seien aufgerufen worden, sich zu ergeben. Um die geteilte Stadt Hasaka toben seit einer Woche die heftigsten Kämpfe zwischen Kurden-Miliz und Assad-Truppen seit Beginn des Bürgerkrieges vor mehr als fünf Jahren.

Die Kurden-Miliz YPG ist Teil der von den USA aus der Luft unterstützten Syrisch Demokratischen Streitkräfte (SDF), die unlängst die Islamisten-Miliz IS aus der Stadt Manbidsch an der Grenze zur Türkei vertrieben hatten. Die YPG kontrolliert große Gebiete im Nordosten Syriens, in denen kurdische Gruppen seit Beginn des Bürgerkrieges eine autonome Verwaltung errichtet haben.

Mit den Kämpfen zwischen syrischen und kurdischen Truppen zeichnet sich eine neue Kampffront ab. Bisher hatten beide Seiten Konfrontationen vermieden. Doch dieses informelle Stillhalteabkommen gilt nicht mehr, seit Assad in der vergangenen Woche mit der Bombardierung der im Kurdengebiet liegenden Stadt Hassaka begann.

Damit wird der syrische Krieg noch komplizierter, was eine politische Lösung zusätzlich erschwert. Hassaka ist seit Jahren zwischen kurdischen Milizen und den Regierungstruppen geteilt. Es bestehe die Gefahr, dass aus Hassaka „ein zweites Aleppo” werde, sagen Beobachter.

Auf die neue Offensive der syrischen Regierungstruppen im Nordosten Syriens reagierten die USA dort mit Angriffen von Kampfflugzeugen. Mit dem Einsatz hätten die US-Streitkräfte klar gemacht, dass die US-Luftwaffe „befreundete Truppen am Boden im Bedrohungsfall schützen“ werde, sagte ein Pentagonsprecher vor wenigen Tagen.

Die türkische Regierung hatte am Wochenende angekündigt, das Land wolle in den kommenden Monaten in Syrien eine „aktivere Rolle als bisher” spielen. Damit solle eine Spaltung des Landes entlang ethnischer Grenzen verhindert werden, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Samstag vor Journalisten in Istanbul. Dies sei für die Türkei von wesentlicher Bedeutung.

In dem seit fünf Jahren anhaltenden Bürgerkrieg haben kurdische Gruppen große Gebiete im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle gebracht. Die Türkei befürchtet, dass eine Stärkung der syrischen Kurden auch den Konflikt mit den Kurden im eigenen Land weiter anfacht.


Zweifel an angekündigter Waffenruhe

Dass Kurden in Syrien stärker unter Beschuss gerieten, sei eine schlechte Nachricht für den Kampf gegen den Islamischen Staat, heißt es in Washington. Denn kurdische Truppen zählen militärisch zu den schärfsten Gegnern des IS.

Bisher hatte Moskau mit den Kurden geflirtet, sagt Chris Kozak der US-Denkfabrik „Institute of the Study of War”. Jetzt, da sich eine Annäherung zwischen Russland und der Türkei abzeichne, könnte sich das negativ auf die Kurden auswirken. „Die Türkei hält die kurdische Gefahr für größer als das Assad-Regime”, sagt Kozak.

Immer stärker zeigt sich die dominierende Rolle Russlands im Syrienkonflikt. Das erhöht die Chancen Assads, den Krieg zu überleben und an der Macht zu bleiben. Sogar die US-Regierung, die bisher unmissverständlich das Ende des Assad-Regimes gefordert hatte, gebe sich jetzt gegenüber dem syrischen Herrscher konzilianter, sagt Nahostexperte Moshe Maoz von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Statt Russlands Freund Assad zu bekämpfen, ziehe Washington eine nachgiebigere Haltung gegenüber dem syrischen Herrscher vor, um Moskau nicht zu verärgern.

Auch die Türkei hat ihre Haltung gegenüber Assad verändert. Ankara rückte von der bisherigen Forderung ab, dass nur mit einem Ende des Assad-Regimes eine Lösung des syrischen Bürgerkriegs möglich sei. Die neue Haltung hat mit dem Versöhnungstreffen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erddogan mit Klemlchef Wladimir Putin vor rund zwei Wochen in St. Petersburg zu tun. Eine „vorübergehende” Lösung mit Assad an der Spitze sei durchaus denkbar, heißt es jetzt in Ankara.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an Russland, die angekündigte Waffenruhe in der belagerten Stadt Aleppo umzusetzen. Weil Russland das Assad-Regime unterstütze, trage es eine besondere Verantwortung dafür, dass sich die Kämpfe nicht weiter intensivieren. Die Menschen müssten rasch mit dem Lebensnotwendigsten versorgt werden, sagte Steinmeier in einem Interview mit der Zeitung „Welt am Sonntag.” Moskau hatte in der vergangenen Woche angekündigt, ab dieser Woche wöchentlich 48 Stunden lang die Waffen schweigen zu lassen. Der Start der Waffenruhe ist noch unklar.

Der israelische Syrien-Experte Maoz ist allerdings skeptisch, ob der Waffenstillstand eingehalten wird. Das werde nur der Fall sein, falls Russland daran ein strategisches Interesse habe, sagt er. Zudem reduziere die Vielzahl der Konfliktparteien die Wahrscheinlichkeit, dass die Waffenruhe von allen Gruppen respektiert werde.

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